Düsseldorf. Wieder ein schlechtes Zeugnis für Schule in NRW. Unternimmt das Land genug gegen die Bildungsmisere? Zweifel sind angebracht.

Wieder steht die Bildung in NRW unter besonderer Beobachtung: Der jüngste „Bildungsmonitor“ beschreibt ihre Schwächen. Besserung ist nur in Ansätzen in Sicht.

Wo steht NRW bei der Bildung?

Laut dem „Bildungsmonitor 2023“ des Instituts der deutschen Wirtschaft schneidet NRW bei den Betreuungsbedingungen, bei den Bildungsausgaben und im Kampf gegen Bildungsarmut schlecht ab. Im Länder-Vergleich liegt NRW nur auf Rang 13 von 16.

An den Grundschulen und in der Sekundarstufe 1 (ohne Gymnasien) weist NRW die größten Klassen aller Bundesländer auf. So betrug die durchschnittliche Klassengröße an den Grundschulen 23,5 Kinder, im Bundes-Schnitt waren es nur 20,9.

Probleme sieht die Studie auch an den NRW-Hochschulen. Dort kommen auf eine Lehrkraft 24,7 Studierende, im Bundesdurchschnitt waren es nur 17,2.

Was sagt die NRW-Schulministerin dazu?

Dorothee Feller (CDU) sagt, der „Bildungsmonitor“ habe Bekanntes nur zusammengefasst: „Unser Schulsystem hat große Herausforderungen zu bewältigen. Das größte Problem ist fraglos der Lehrkräftemangel, der trotz aller Anstrengungen nicht von heute auf morgen zu beheben ist.“

Was empfehlen die Autoren des „Bildungsmonitors“?

Unter anderem eine konsequente Digitalisierung der Schulen, mehr Geld für Lehrkräfte, die in Brennpunktschulen arbeiten und die Unterstützung der Pädagogen durch Psychologen, Sozialarbeiter und IT-Experten. Außerdem: Bessere Chancen für Seiteneinsteiger in den Lehrberuf, den Ausbau von Familienzentren an Kitas und Schulen, gute Ganztagsbetreuung sowie die Einstellung von „Ein-Fach-Lehrkräften“.

Was unternimmt NRW gegen die Bildungsmisere?

Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen steht eine Zahl, an der sich diese Regierung messen lassen muss: „Wir wollen 10.000 zusätzliche Lehrkräfte in das System Schule bringen.“ Derzeit fehlen an den öffentlichen Schulen rund 6700 Lehrerinnen und Lehrer.

Eingelöst wurde das Wahlkampfversprechen, die Besoldung der Lehrkräfte anzupassen. Nach und nach werden Berufsanfängerinnen und -anfänger in Grundschulen und in der Sekundarstufe 1 zum Start so viel Geld verdienen wie zum Beispiel ihre Kollegen in Gymnasien (Besoldung A 13).

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Schulministerin Feller hat ein „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen ein leichterer Seiteneinstieg in den Lehrberuf, der Einsatz von Lehrkräften anderer Schulformen auch an Grundschulen, Abordnungen von Pädagogen an Schulen mit Lehrermangel, die Einschränkung von Teilzeitarbeit und das Anwerben von „Alltagshelfern“, die die Lehrkräfte unterstützen sollen.

Was geschieht in nächster Zeit?

NRW reagiert auf das schlechte Abschneiden seiner Grundschüler im „IQB-Bildungstrend“ und der „Iglu-Studie“. Ein erster Schritt ist die Einführung einer „verbindlichen Lesezeit von dreimal 20 Minuten pro Woche in Grundschulen“. 400 „Alltagshelfer“ sollen ab sofort den Grundschul-Lehrkräften helfen.

Zum Schuljahr 2025/26 solle es bei der Anmeldung an Grundschulen erstmals verbindlich ein „praxistaugliches, wissenschaftliches Screening“ geben, um Kinder mit Förderbedarf zu erkennen. Um die Lehrkräfte von Korrekturen zu entlasten, kann jetzt in den Klassen 7 und 8 auf je eine Klassenarbeit in Mathematik, Deutsch und Englisch verzichtet werden.

In NRW gibt es inzwischen 60 „Talentschulen“, in denen Kinder aus sozial benachteiligten Familien besonders gefördert werden. Diese Schulen erhalten eine bessere Ausstattung und mehr Personal. Ein „schulscharfer Sozialindex“ misst dafür die soziale Zusammensetzung der Kinder in einer Schule.

NRW erhöht auch die Zahl der Studienplätze fürs Lehramt, insbesondere für Grundschul- und Sonderpädagogik, um mehr als 1000 Plätze.

Reicht das?

Bildungsforscher und Bildungsgewerkschaften sind skeptisch, zumindest sind schnelle Erfolge nicht in Sicht. Ministerin Feller sagt selbst, dass es zum Beispiel in Hamburg zehn Jahre bis zur Umkehr des Negativtrends an den Grundschulen gedauert habe.

400 „Alltagshelfer“ relativieren sich, wenn man bedenkt, dass es in NRW rund 2800 Grundschulen gibt. 60 „Talentschulen“ sind angesichts von rund 1000 Brennpunktschulen kaum mehr als ein guter Anfang.

Bis die zusätzlichen Studienanfänger im Lehramt in den Schulen ankommen, vergehen viele Jahre. Außerdem gibt es immer noch Lehramts-Studiengänge mit Numerus Clausus.

NRW gibt verhältnismäßig wenig Geld für Bildung aus. Zum Beispiel liegen die Ausgaben pro Jahr und Grundschüler laut dem „Bildungsmonitor“ mit 7000 Euro etwa 1000 Euro unter dem Bundesdurchschnitt.

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NRW unternimmt viel, um Seiteneinsteiger in den Lehrberuf zu locken. Firmen und Verwaltungen, die unter Fachkräftemangel leiden, versuchen dies aber auch. Sie umwerben sogar gezielt Lehramts-Studierende, bevorzugt solche aus Technik und Naturwissenschaften.

Quereinsteiger, Studierende und Alltagshelfer sind keine grundständig ausgebildeten Lehrkräfte. Die Chance, von einer „echten“ Lehrkraft unterrichtet zu werden, wird immer kleiner.

Bildungsgewerkschaften wie GEW und VBE fordern mehr Lehrerausbildung an Hochschulen. Der Lehrerberuf müsse attraktiver werden, die Bezahlung „fairer“, der bauliche Zustand der Schulen besser. Die Erschwernis, in Teilzeit zu arbeiten, und die Abordnung von Lehrkräften an Schulen mit Lehrermangel machten den Beruf aber noch unattraktiver.

Der Mangel prägt die Bildung in NRW

Fazit: Solange Schule in NRW von Mangel geprägt ist, ändert sich wenig. Der Arbeitsplatz Schule ist offenbar nicht attraktiv genug. Ein Hebel könnte sein, Pädagogen, die in Brennpunktschulen arbeiten, zu „belohnen“: mit Zuschlägen, weniger Unterrichtsstunden, Top-Ausstattung und weniger Bürokratie.

Die Rahmenbedingungen werden zudem immer komplizierter. Lehrkräfte müssen sich zusätzlich um so wichtige Aufgaben wie die Inklusion und die Integration von zugewanderten Kindern und Jugendlichen kümmern.

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