Essen. Viele Probleme spitzen sich in den NRW-Kitas weiter zu, zeigt eine neue Studie der TU Dortmund. Aber es gibt auch positive Entwicklungen.

Trotz des massiven Kitaausbaus in den vergangenen Jahren steht die Kita-Landschaft in Nordrhein-Westfalen vor erheblichen Herausforderungen. Das zeigt eine neue Studie der TU Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts.

Genügend Plätze, ausreichendes und qualifiziertes Personal, flexible Betreuungsangebote und mehr Zeit für die Leitung: „Die Herausforderungen der Kindertagesbetreuung in NRW sind lange bekannt“, sagt Jakob Gossen, Soziologe der TU Dortmund und Mitglied der Autorengruppe „Kinderbetreuung NRW“. Die aktuelle Auswertung zeige, so Gossen, dass sich neben positiven Entwicklungen auch Probleme weiter zuspitzten. Ein Überblick.

Laut Studie wurden 2021/22 weniger Kindertageseinrichtungen ausgebaut als in den Vorjahren. Während das Kindergartenjahr 2019/20 einen Höhepunkt von 251 neuen Einrichtungen erreichte, wurden 2021/22 gerade einmal 121 zusätzliche Einrichtungen geschaffen. Auch in der Kindertagespflege flachte der jährliche Zuwachs ab. Jugendamtsbezirke sprachen hierzulande von „wachsenden Hürden im Ausbauprozess“.

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Verzögerungen im Bauplan, fehlende Grundstücke sowie fehlendes Baurecht erschwerten den Ausbau vieler Einrichtungen. Hinzu komme der hohe Personalmangel. Laut der Studien-Verfasser braucht es „grundlegende Lösungen“, um den jährlichen Ausbau der vergangenen Jahre fortzusetzen. In NRW sind derzeit mehr als 10.600 Kitas gemeldet.

Plätze für U3-Jährige in NRW „dringend notwendig“

Sowohl in Kitas als auch in der Kindertagespflege ging der Ausbau von U3-Plätzen in den vergangenen zwei Jahren nur langsam voran. In den letzten sieben Jahren wurden insgesamt 66.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen. Laut Studie ist das eine Steigerung um 45 Prozent.

Aber: „Um sowohl Betreuungsbedarfe als auch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in der Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr abzudecken, ist ein weiterer Ausbau an Plätzen für unter Dreijährige in den meisten Jugendamtsbezirken dringend notwendig“, heißt es von den Verfassern.

Mehr Familienzentren in sozialen Brennpunkten

Immer mehr Kitas werden gleichzeitig zu Familienzentren ausgebaut. Diese gehen über den üblichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag hinaus. Gerade in sozial schwachen Stadtgebieten mit hohem Migrationsanteil sollen die Familienzentren Eltern mit leicht zugänglichen Angeboten unterstützen – und als Vermittlungsstelle fungieren. Viele Familien bräuchten individuelle Förderung, die im Kita-Alltag oftmals nicht leistbar sei, sagt Studienautorin Yvonne Queißer-Schlade.

Das könnten etwa ein Mutter-Kind-Café, Kochkurse oder Infoveranstaltungen zu Erziehungsfragen sein. Dafür braucht es, je nach Bedarf, „finanzielle Unterstützung oder etwa mehrsprachiges Personal“, sagt Queißer-Schlade. In Castrop-Rauxel wurden beispielsweise schon 90 Prozent der Kitas gleichzeitig zu Familienzentren ausgebaut.

Die Anzahl der Familienzentren ist von 1909 im Kindergartenjahr 2013/14 auf zuletzt 2725 angestiegen. Insgesamt wurden die Familienzentren im Kindergartenjahr 2021/22 mit über 56 Millionen Euro gefördert. Zudem bieten immer mehr Einrichtungen zusätzliche Leistungen wie Sprachförderung an. In Gelsenkirchen (54 Prozent) und Herne (51 Prozent) ist der Anteil an Einrichtungen, die zusätzliche Förderung geben, mit am höchsten.

Herausforderungen durch Migration

Der Kita-Bericht zeigt, dass insgesamt mehr als 19.450 Kinder „mit Fluchthintergrund“ im vergangenen März in den Kitas gemeldet wurden. Knapp die Hälfte der Kinder kommt aus Syrien, das zweithäufigste Herkunftsland ist derzeit die Ukraine mit über 2400 geflüchteten Kindern (Stand: August 2022).

So sprechen beispielsweise in Duisburg 44 Prozent der Kita-Kinder zuhause kein deutsch. Für Fachkräfte sei die Situation herausfordernd, sagt Jakob Gossen. So könnten Sprachbarrieren etwa zu Überlastung der Erzieherinnen und Erzieher führen. Eine gleichmäßige Verteilung der Kinder auf die Kitas sei deshalb wichtig, betont Gossen.

Der Personal-Kind-Schlüssel hat sich laut Studie in NRW verbessert. Bei den U3-Jährigen kamen im vergangenen Kindergartenjahr rechnerisch 3,7 Kinder auf eine Erzieherin. Damit lag das Land unter dem bundesweiten Durchschnitt (4,0). Auch bei den Ü3-Gruppen lag der Schlüssel unter dem Bundesdurchschnitt (8,0). Eine Erzieherin betreute rechnerisch 7,7 Kinder.