Gütersloh. Gruppen zu groß, zu wenig Fachkräfte: In vielen NRW-Kitas hat sich trotz des massiven Ausbaus der Plätze bei der Personalausstattung wenig getan.
Mehr als drei von vier Kindern in Nordrhein-Westfalen besuchen einer Studie zufolge eine Kita mit zu wenig Fachpersonal. Zwar haben sich die Personalschlüssel in den Kindergärten- und Kleinkindgruppen in den vergangenen sechs Jahren geringfügig verbessert, bleiben aber weiterhin hinter den Expertenempfehlungen zurück. Das geht aus dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor, das die Bertelsmann-Stiftung am Dienstag veröffentlicht hat. Dazu wurden unter anderem die Daten der Statistischen Ämter der Länder und des Bundes zu Qualitäts-Gradmessern wie Personalausstattung, Gruppengröße und Qualifizierungsniveau gesammelt und abgeglichen.
In den nordrhein-westfälischen Einrichtungen war zum Stichtag der Erhebung (1. März 2019) rein rechnerisch eine Fachkraft für 3,7 Krippenkinder (Gruppen mit ausschließlich Kindern unter drei Jahren) verantwortlich. In den Kindergartengruppen mit den älteren Kindern kommen 8,6 Kinder auf eine Erzieherin.
Experten sehen Bildungsauftrag gefährdet
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Entsprechend gängiger Standards empfiehlt die Bertelsmann-Stiftung jedoch 3 Kinder pro Fachkraft in Krippen und maximal 7,5 Kinder in den Kindergartengruppen. Mehr als 322.000 Kita-Kinder (78 Prozent) besuchten damit eine Gruppe mit einem Personalschlüssel, was nicht kindgerecht sei, kritisierte die Bertelsmann-Stiftung.
Unter solchen Rahmenbedingungen sehen die Experten den Bildungsauftrag gefährdet. Im Vergleich der Bundesländer heißt das: Rechnerisch muss eine Fachkraft in Nordrhein-Westfalen 1,7 Kindergartenkinder mehr betreuen als in Baden-Württemberg, dem Land mit der günstigsten Personalausstattung bundesweit.
Zu große Kita-Gruppen: viel Lärm und Stress
Außerdem sind in Nordrhein-Westfalen aus Sicht der Bertelsmann-Stiftung die Gruppen mit im Durchschnitt 23 Kindern pro Kindergartengruppe größer als in fast allen Ländern - mit ungünstigen Folgen für Lautstärke und Arbeitsbelastung.
Nach wissenschaftlichen Empfehlungen sollten laut Stiftung Gruppen für jüngere Kinder nicht mehr als zwölf Kinder umfassen, für die Älteren nicht mehr als 18,4. In NRW trifft das auf 70 Prozent der Kita-Gruppen nicht zu (bundesweit: 54 %), wobei vor allem die Ü3-Gruppen zu groß sind. Nur Niedersachsen weist bei diesem Gradmesser für Kita-Qualität schlechtere Werte aus. Bei den Kleineren steht NRW mit zehn Krippenkindern pro Gruppe allerdings vergleichsweise gut da.
Kita-Qualität in NRW hängt vom Wohnort ab
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Auch innerhalb Nordrhein-Westfalens hängt die Kita-Qualität vom Wohnort ab: So ist die Situation in Duisburg besonders schlecht: In den Kindergartengruppen liegt der Personenschlüssel dort bei 1 zu 10. Rein rechnerisch ist eine Fachkraft damit für drei Kindergartenkinder mehr zuständig als im Kreis Euskirchen, wo der Personalschlüssel mit 1 zu 7 sogar vergleichsweise gut ist. In den meisten NRW-Städten zeigen sich nur kleinere Unterscheide beim Personalschlüssel: In Düsseldorf etwa betreut eine Fachkraft rechnerisch 7,9 Kinder, in Dortmund 8,2, in Essen 8,8 und in Hagen 8,9.
Im Krippenbereich (U3-Kinder) gibt es dagegen ein deutlich geringeres Gefälle bei der Personalausstattung: Auch hier schneidet Duisburg mit einem Personalschlüssel von 1 zu 4,5 am schlechtesten ab - zusammen mit Gelsenkirchen, wo eine Fachkraft auf 4,2 Kinder kommt. Im Landkreis Kleve etwa liegt der Personalschlüssel bei 1 zu 3,2.
GEW fordert Kita-Qualitätsoffensive
Als Reaktion auf den Bildungsmonitor Frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Qualitätsoffensive für die Kitas angemahnt: „Nach dem quantitativen Ausbau der Frühkindlichen Bildung muss jetzt ein Qualitätsschub folgen“, sagte Björn Köhler, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Dienstag. Der Fachkräftemangel in den Kitas führe zu Qualitätsverlusten. „Diese Entwicklung müssen wir unbedingt stoppen! Es ist ein Skandal, dass die Chancen auf einen guten Einstieg ins Bildungssystem und damit auf Lebensperspektiven immer noch vom Wohnort der Kinder abhängen.“
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Köhler warb dafür, den Erzieher-Beruf attraktiver zu gestalten, um mehr junge Menschen für die Arbeit in den Kitas zu gewinnen. „Das Gehalt für diese Berufsgruppe muss deutlich angehoben werden. Zudem müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden: kleinere Gruppen, mehr Zeit für die pädagogische Arbeit, zusätzliche Fachkräfte und eine höhere Freistellung für die Leitungskräfte.“ Außerdem müsse die Ausbildung endlich bezahlt werden
Für die Finanzierung dieser Maßnahmen sei ein Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen notwendig. „Aber jeder Euro, der in die Frühkindliche Bildung investiert wird, bringt eine vielfache Rendite“, so Köhler.
Stamp: Bund muss Zusatz-Mittel dauerhaft zahlen
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Auch Familienminister Joachim Stamp (FDP) hat auf die Kita-Studie reagiert und seine Amtskollegin im Bund aufgefordert, Wort bei zusätzlichen Kita-Mitteln zu halten. Der Bund müsse „seine ständigen Ankündigungen, die Mittel des Gute-Kita-Gesetzes zu verstetigen, endlich in die Tat umsetzen“, erklärte der Minister in Reaktion auf das am Dienstag von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ mit.
„Frau Giffey hat dies in den Telefonschalten mit den Ländern mehrfach versprochen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit von Frau Giffey, dass dies im Kabinett beschlossen wird. Andernfalls hätte uns Frau Giffey getäuscht“, so Stamp.
5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität in Kitas
Das Gesetz umfasst ein Förderprogramm für mehr Qualität in Kitas. Bis zunächst 2020 bekommen die Bundesländer 5,5 Milliarden Euro. Das Geld kann in mehr Erzieherstellen, eine bessere Bezahlung des Personals, längere Öffnungszeiten oder auch die Neugestaltung von Räumen und Spielflächen investiert werden. Auch ist es möglich, die Kita-Gebühren zu senken.
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Insgesamt sieht Stamp Nordrhein-Westfalen bei der Kita-Qualität auf dem richtigen Weg: „Wir stellen der frühkindlichen Bildung endlich die Mittel für das Personal zur Verfügung, die sie braucht, um allen Kindern bestmögliche Chancen auf gute Bildung zu ermöglichen“, sagte er und verwies auf eine Milliarde Euro zusätzliche Mittel für die frühkindliche Bildung. (red/dpa)