Düsseldorf. Die Pflegekammer startet in NRW. Trotz großer Kritik verteidigt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann das Organ. Alle Fragen und Antworten.
Mit einem Festakt in Düsseldorf hat sich am Freitag die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen konstituiert. In seinem Grußwort sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), das Selbstverwaltungsorgan der Pflegekräfte sei längst überfällig. Das Land hatte zuvor die gesetzlichen Grundlagen für die Kammer geschaffen, deren Gründung aber auch auf Kritik stößt.
Vor allem wegen der Zwangsmitgliedschaft gab es schon im Vorfeld Proteste auch aus den Reihen der Pflegekräfte selbst. Mit der Kammer erhalte „die größte Profession des nordrhein-westfälischen Gesundheitssystems“ eine eigene Organisationsplattform, hielt der Minister dagegen. Ein Überblick.
Was ist die Pflegekammer NRW?
Die Pflegekammer soll die Interessen der Beschäftigten in pflegerischen Berufen vertreten. Zu den Aufgaben gehören neben der politischen Mitbestimmung auch die Festlegung von Berufsnormen und einer beruflichen Fort- und Weiterbildungsordnung. Laut NRW-Gesundheitsministerium leistet das Land für die Kammer eine Anschubfinanzierung von knapp 32 Millionen Euro für die ersten fünf Jahre. Damit folgt sie einer Beschlussfassung der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Das Ziel müsse jedoch sein, so Laumann, die Kammer bis 2027 so einzurichten, dass sie sich anschließend durch die Mitgliedsbeiträge selbst finanzieren könne.
Wer ist Pflichtmitglied in der Pflegekammer NRW?
Von den etwa 200.000 Pflegefachpersonen in NRW ist laut Errichtungsausschuss der Pflegekammer bereits die Hälfte als Mitglied registriert. Pflichtmitglieder seien alle Pflegefachkräfte, Altenpflegepersonal, Gesundheits- und Krankenpflegepersonal, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegepersonal, Krankenschwestern und -pfleger sowie Kinderkrankenschwestern und -pfleger. Arbeitgeber sind laut Ludger Risse, Vize-Vorsitz des Errichtungsausschusses der Pflegekammer NRW, von der Mitgliedschaft ausgenommen – außer sie sind ebenfalls Pflegefachkräfte.
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Pflegekammer: Was zahlen die Mitglieder?
Der bislang kalkulierte monatliche Beitrag soll bei fünf Euro liegen. Angesichts der Energiekrise gebe es dafür jedoch keine Garantie, sagt Ludger Risse. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass eine Kammerversammlung einen Beitrag beschließt, der deutlich über zehn Euro liegt.“
Der Beitrag gelte für diejenigen, die ein steuerpflichtiges Einkommen aus ihrer Tätigkeit erhalten. Rentnerinnen und Rentner, oder Pflegekräfte in Elternzeit seien demnach von der Beitragspflicht ausgenommen. Die Anschubfinanzierung des Landes eröffne die Möglichkeit der Beitragsfreiheit bis 2027, heißt es vom Errichtungsausschuss weiter. Die gewählten Mitglieder der Kammerversammlung „werden verbindlich über die Beitragsordnung beraten und beschließen“.
Wozu dient die Anschubfinanzierung des Landes Pflegekammer?
„Die Anschubfinanzierung dient in erster Linie dazu, der Pflegekammer NRW einen schuldenfreien Start zu ermöglichen“, sagt Ludger Risse auf Nachfrage dieser Redaktion. Neben der derzeitigen Beitragsfreiheit für Mitglieder brauche man das Geld für die Geschäftsstelle für Personal und moderne Technik. Allein für das Porto der über 800.000 versendeten Schreiben sei eine Summe von etwa 680.000 Euro fällig.
Warum gibt es Kritik an der neuen Pflegekammer NRW?
Kurz vor dem Start der neuen Pflegekammer verschärfte sich der Ton in der Diskussion um die Sinnhaftigkeit der geplanten Selbstverwaltungsorganisation der Pflegekräfte. Der Steuerzahlerbund NRW (BdSt) warf dem Land sogar „gesetzlich verordnete Steuerverschwendung in einem besonders krassen Fall“ vor. Auch unter Beschäftigten gab es Protest. Eine Gruppe von Pflegekräften hatte im vergangenen Jahr ihrem Ärger vor dem NRW-Landtag Luft gemacht.
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Viele hielten es für fraglich, ob sich ihre Arbeit durch eine Kammer verbessert: In Schreiben an die Redaktion kritisieren Pflegekräfte, dass die Kammer an entscheidenden Stellen gar keine Mitsprache habe. Weder könne sie Interessen der Pflegekräfte am Arbeitsplatz vertreten noch bessere Arbeitsbedingungen oder Löhne verhandeln oder Altersvorsorge bieten, schrieb eine Leserin.
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Kritik gab es im Vorfeld auch von Verdi und der Opposition. Sie forderten eine Vollbefragung der Beschäftigten. Laut Verdi sei es zudem Aufgabe von Gewerkschaften und Betriebsräten vor Ort, Arbeitsbedingungen zu erstreiten.
Gibt es Alternativen zur Pflegekammer NRW?
Angesichts der geringen bislang registrierten Mitgliederanzahl und der ebenfalls geringen Wahlbeteiligung zur Kammerwahlversammlung (22 Prozent) erklärt die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Yvonne Gebauer, dass der Rückhalt der Kammer unter den Pflegenden kritisch hinterfragt werden müsse. „Eine Vertretung mit freiwilliger Mitgliedschaft könnte aus unserer Sicht eine sinnvolle Alternative zu einer Pflegekammer mit unzureichender Akzeptanz sein“, sagt Gebauer auf Anfrage dieser Redaktion.