Die neue Pflegekammer NRW soll Sprachrohr von 220.000 Pflegekräften sein. Der Steuerzahlerbund spricht dagegen von Steuerverschwendung.
Kurz vor dem Start der neuen Pflegekammer NRW verschärft sich der Ton in der Diskussion um die Sinnhaftigkeit der geplante Selbstverwaltungsorganisation der Pflegekräfte. Der Steuerzahlerbund NRW (BdSt) wirft dem Land sogar „gesetzlich verordnete Steuerverschwendung in einem besonders krassen Fall“ vor.
"Skandalöses Millionengrab"
„Die Errichtung der Pflegekammer NRW ist ein skandalöses Millionengrab. Es ist absehbar, dass hier trotz der abschreckenden Beispiele aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen Millionen Steuereuro verschwendet werden“, sagte der NRW-Vorsitzende des BdSt, Rik Steinheuer, der WAZ.
Hintergrund: Laut NRW-Gesundheitsministerium leistet das Land für die Kammer eine Anschubfinanzierung von knapp 32 Millionen Euro für die ersten fünf Jahre und folgt damit einer Entscheidung der schwarz-gelben Vorgängerregierung. So sollten - auch nach Protesten aus den Reihen der Pflegekräfte gegen die Zwangsmitgliedschaft - beim Start der Kammer Mitgliedsbeiträgen zunächst minimiert und die Kammer-Kosten aus dem Landeshaushalt refinanziert werden. Dies aber, sagt der BdSt, sei in Zeiten knapper Kassen und wachsender Belastungen der öffentlichen Haushalte heute dem Steuerzahler nicht mehr zuzumuten.
Gescheiterte Pflegekammern in anderer Bundesländern
Der Steuerzahlerbund verweist auf ein weiteres Problem: die gescheiterten Pflegekammern anderer Bundesländern. In Niedersachsen hatten Pflegekräfte per Urabstimmung gegen den Fortbestand der 2017 gegründeten Kammer gestimmt. Sie wurde Ende 2021 aufgelöst. Auch Schleswig-Holstein will seine Pflegekammer auflösen, nach einem Votum von 92 Prozent der Mitglieder. In beiden Fällen bleibe der Steuerzahler auf Start-Kosten in Millionenhöhe sitzen, so der BdSt.
Ministerium verteidigt Gründung
Im Gesundheitsministerium sieht man die Gründung der Pflegekammer dagegen als Chance. Pflege brauche „endlich eine starke Stimme in unserem Gesundheits- und Pflegewesen“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. „Ziel der Landesregierung ist, dass die Pflege ihre Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit regelt und an allen sie betreffenden fachpolitischen Verhandlungen und Entscheidungen beteiligt ist“, sagte ein Sprecher. Zudem leiste das Land lediglich eine Anschubfinanzierung. „Die Finanzierung der Kammer wird hauptsächlich durch die Beiträge der Mitglieder erfolgen.“
Kammerversammlung tag erstmals am 16. Dezember
Auch die Ruhrgebietskonferenz Pflege begrüßt die Kammer. „Es ist einen Versuch wert“, sagte der Sprecher der Initiative von Pflege-Arbeitgebern, Ulrich Christofczik. Entscheidend sei, dass die Kammer unabhängig von der Politik bleibe und Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Pflegebranche nehmen könne. Das neue Gremium soll für die 220.000 Pflegefachkräfte im Land sprechen und staatliche Aufgaben wie etwa eine Berufsordnung übernehmen. Die im Herbst von rund einem Fünftel der Berechtigten gewählte Kammerversammlung tagt erstmals am 16. Dezember.