Düsseldorf/Herne. Vielerorts lässt NRW in aller Eile Notunterkünfte errichten. Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) besuchte eine in Herne.

„Das Land muss uns helfen!“ Dieser Ruf aus Städten und Gemeinden verfolgt NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) in der Flüchtlingskrise. NRW soll in kürzester Zeit tausende zusätzliche Unterbringungsplätze schaffen. In Herne entsteht eine dieser neuen Unterkünfte, in die in wenigen Wochen die ersten Bewohnerinnen und Bewohner einziehen werden.

Zelte und Container statt Häuser und Hallen

Unterkünfte für Geflüchtete sind in diesen Zeiten fast immer mit dem Wort „Not“ verknüpft. Es geht nicht um Häuser und Hallen, sondern um Zelte und Container. Um Behausungen mit dünnen Wänden und wenig Privatsphäre. An der Dorstener Straße in Herne entsteht gerade eine solche Landesunterkunft. Am Rande eines Gewerbegebietes, neben einer Kartbahn, einem Gastronomie-Lager und einem Fitness-Studio. Eigentlich hätten hier schon im Mai die ersten Geflüchteten einziehen sollen. Ministerin Paul ließ sich am Montag vom „Hausherrn“, der Bezirksregierung Arnsberg, den Stand der Vorbereitungen erklären.

„Geplant ist, hier am 5. oder am 15. Januar an den Start zu gehen. Zunächst mit 200 oder 400 Plätzen“ erklärt Tim Hummel, Dezernent der Bezirksregierung, dem Gast. Bis März könnten es bis zu 750 Plätze sein. Zeltähnliche „Leichtbauhallen“ wurden hier aufgebaut. Die Wände sind aus Metall, die Dächer bestehen aus Planen, auf den Böden liegt Laminat, und Heizlüfter brummen laut vor sich hin. Es gibt ein Sanitäts-, ein Empfangs-, ein Freizeit- und ein Wohnzelt. Bis zu 320 Frauen, Männer und Kinder können in dieser Konstruktion „wohnen“. Sechs Betten stehen in einem Raum, ein Vorhang dient als Tür, dünnes Sperrholz trennt die Nachbarn.

Eine Behausung für sehr kurze Zeit

„Das ist keine ideale Unterbringung für Geflüchtete, aber temporär ist es in Ordnung, weil es in der aktuellen Situation es darum gehen muss, dass wir Menschen ein Dach über dem Kopf bieten, dass es warm ist und sie hier erste Unterstützung erfahren“, sagt Ministerin Paul. In vielen Turnhallen dürfte es noch weniger Komfort geben. Für wenige Tage, höchstens Wochen sollen die Bewohner, vor allem Ukrainerinnen und Ukrainer, hierbleiben, bis sie auf die Kommunen verteilt werden. Das ist der Plan. Ob er funktioniert, weiß keiner.

„Unser Ziel ist es, den Kommunen mit großen Unterbringungseinrichtungen etwas von dem abzunehmen, was sie derzeit leisten. Aber wir sehen die Bilder aus der Ukraine von frierenden Menschen, und wir wissen nicht, wie viel Flucht der russische Angriffskrieg in diesem Winter noch auslöst“, gibt Paul zu bedenken.

Oberbürgermeister Dudda: "Wir sind im Übermaß belastet"

Die Ministerin steht unter Druck. Ratshaus- und Verwaltungsspitzen erwarten von ihr Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten. Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) ist zur Notunterkunft gekommen. „Wir sind im Übermaß belastet“, sagt er der Ministerin. Vor sechs Jahren, während der vergangenen Flüchtlingskrise, stand hier schon einmal eine vergleichbare Unterkunft. Die Lage sei jetzt mindestens so angespannt wie im Jahr 2016, so Dudda.

Ein paar Sorgen kann die Ministerin dem OB nehmen: „Landeseinrichtungen für Geflüchtete sind grundsätzlich für eine akute Aufnahme, Erstversorgung und Verteilung ausgelegt. Daher gilt hier keine Schulpflicht, und es gibt keinen Anspruch auf einen Kita-Platz.“ Trotzdem gebe es in zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes „schulnahe Angebote“ sowie Freizeitangebote auch in Notunterkünften. Die Stadt müsse für diese Unterkunft auch kein Personal bereitstellen, das sie ohnehin nicht hätte. Die Bezirksregierung Arnsberg stemmt den Betrieb. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) wird die Geflüchteten rund um die Uhr betreuen, es gibt schon einen Catering-Service, und eine Sicherheitsfirma wurde beauftragt.

Laut einer DRK-Mitarbeiterin ist es geplant, Frauen mit Kindern möglichst in der Nähe der Waschräume unterzubringen. Im „Freizeitzelt“ soll bald ein Fernseher stehen. Denn deutsche TV-Serien stünden bei vielen Geflüchteten hoch im Kurs – als Sprach-Lernprogramme.

Kritik an der Unterstützung durch die Bundesregierung

„Mir suchen mit Hochdruck Unterbringungsmöglichkeiten“, versichert Josefine Paul. Unzufrieden ist sie mit den Angeboten der Bundesregierung. „Es wäre aber schön, wenn wir vom Bund Unterkünfte und Flächen bekämen, mit denen wir schnell etwas anfangen könnten. Zum Teil dauert die Instandsetzung von Objekten der Bundesanstalt für Immobilien (BIMA)ein halbes Jahr.“

„Wir sind solidarisch und stehen zu dieser Landes-Einrichtung“, betont der Oberbürgermeister. Den Bürgerinnen und Bürgern werde man erklären, warum es in dieser Notlage nicht anders ginge. „Wir kriegen das hin“, sagt Dudda. Es klingt ein bisschen wie „Wir schaffen das.“

Ziel der Landesregierung sind insgesamt 30.000 landeseigene Plätze für Geflüchtete bis Januar und 34.500 bis zum Frühjahr. Derzeit sind es rund 27.000. Insgesamt 8000 zusätzliche Plätze für Geflüchtete befinden sich laut dem NRW-Integrationsministerium derzeit „in der Prüfung".