Essen. Seit Mitte März gilt: Beschäftigte im Gesundheitswesen müssen gegen das Coronavirus immun sein. Bislang sind die Auswirkungen in NRW überschaubar

Die Aufregung war gewaltig: Als die Bundespolitik Ende 2021 eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitswesen verabschiedete, gingen Träger in NRW auf die Barrikaden. Viele ärgerten sich, dass die Pflege einmal mehr in der Pandemie als Problemfeld dargestellt wird, andere warnten vor einen Flickenteppich und vor Versorgungsnöten, wenn Ungeimpfte nicht mehr im Heim arbeiten dürften.

Kurz bevor nun mit ersten Tätigkeitsverboten in NRW zu rechnen ist, blicken vor allem größere Träger in NRW entspannter auf die Folgen des Bundesgesetzes. Ein Grund: Die Zahl der Ungeimpften ist offenbar kleiner ist als angenommen.

Awo: Impfpflicht an keiner Stelle infrastrukturgefährdend

„Das ist an keiner Stelle für uns infrastrukturgefährdet“, sagt Elke Hammer-Kunze, Vize-Chefin der Awo Westliches Westfalen, die knapp 60 Seniorenheime betreibt. Von rund 6250 Beschäftigten seien aktuell 79 noch nicht geimpft – damit liege die Impfquote bei rund 99 Prozent.

Auch die Diakonie in NRW spricht von einem überschaubaren Personenkreis. Je nach Einrichtung seien zwei bis fünf Prozent betroffen. „Wir erwarten derzeit nicht, dass es bei uns ans Eingemachte geht“, so Andreas Zeeh, Leiter des Zentrums Pflege beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe und damit Ansprechpartner für knapp 400 diakonische Einrichtungen der Altenpflege. Einige kleinere Träger seien unruhiger, aber „längst nicht alle“.

Bislang konnten Ungeimpfte in NRW weiter bei ambulanten Diensten, in Heimen, Kliniken oder Praxen beschäftigt werden. Die Teil-Impfpflicht ist zwar Mitte März in Kraft getreten, ein bundesweit einheitliches Vorgehen gibt es aber nicht. Mancherorts droht das Gesetz gar zu verpuffen. In Berlin etwa bewerten die Gesundheitsämter, wie stark die Gesundheitsversorgung in einem bestimmten Bereich oder Bezirk gefährdet sein könnte. So können sie ein Verfahren gegen die Ungeimpften notfalls aussetzen.

Allein in Düsseldorf haben rund 1700 Beschäftigte Impfungen nachgereicht

In NRW mussten die Arbeitgeber bis Ende März Beschäftigte melden, die keinen Impfnachweis vorgelegt haben. Die NRW-Regierung gab den kommunalen Gesundheitsämtern bis zum 15. Juni Zeit, die Meldungen zu prüfen. Verwaltungsverfahren wie etwa Anhörungen sollen spätestens ab dem 16. Juni eingeleitet werden. Die Regierung ermöglichte damit, dass Sanktionierungen erst lange nach der Landtagswahl im Mai stattfinden: Laut Awo ist wohl nicht vor Juli mit Tätigkeitsverboten für Ungeimpfte zu rechnen. Eine zweite Frist läuft im Oktober ab, wenn eine Dritt-Impfung vorgeschrieben wird.

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Trotzdem zeigt das Bundesgesetz durchaus bereits Wirkung in NRW. Gesundheitsämter in der Region melden, dass die Zahl der ungeimpften Kräfte deutlich gesunken ist. In Düsseldorf etwa sind von rund 2900 ursprünglich als ungeimpft gemeldeten Beschäftigten inzwischen 1715 heute geimpft und 124 genesen. Die Stadt Bottrop, die von über 250 Ungeimpften im Pflege- und Gesundheitsbereich ausgegangen war, meldet nun nur noch 54 Betroffene. In Essen, wo Anfang Mai noch 1182 ungeimpften Beschäftigte erfasst worden sind, droht inzwischen „nur“ noch rund 700 Betroffenen ein Betätigungsverbot. Und in Bochum ist die Zahl der ursprünglich gemeldeten Ungeimpften um mehr als die Hälfte auf rund 300 geschrumpft – zum Teil auch, weil Betroffene den Job gewechselt haben.

Ursprünglich war landesweit von deutlich höheren Zahlen die Rede. In NRW hatten bis Mitte April rund 6700 Arbeitgeber etwa 24.000 Menschen gemeldet, die in der Einrichtung angestellt oder tätig sind und die keinen Nachweis gemäß Infektionsschutzgesetz vorgelegt haben.

Bußgelder und Anhörungsverfahren: Städte gehen unterschiedlich streng vor

Ärger gibt es trotzdem: Träger aus der Altenpflege beklagen, dass die Kommunen in den vergangenen Wochen sehr unterschiedlich vorgegangen seien. Während in der einen Stadt Bußgelder ausgesprochen worden sind, hätten andere zu verstehen gegeben, sich mit der Impfpflicht nicht allzu lang aufhalten zu wollen.

Tatsächlich sind die Kommunen bislang unterschiedlich streng vorgegangen. Die Stadt Bottrop etwa hat bereits 39 Anhörungen eingeleitet. In diesen müssen sich Fachkräfte zur fehlenden Impfung erklären und Einrichtungsleitungen können darlegen, warum sie auf die Betroffenen im Zweifel trotzdem nicht verzichten können. Die Stadt rechnet damit, dass am Ende nur etwa 15 Tätigkeitsverbote ausgesprochen werden. Bußgelder gab es bislang nicht. Düsseldorf indes hat bereits einmal zu diesem Mittel gegriffen und rund 1000 Euro verlangt, weil jemand seiner Nachweispflicht nicht nachgekommen ist. In Bochum wiederum rechnet man erst gegen Ende des Monats damit, dass erste Bußgelder verhängt werden. Dort sind 306 Anhörungen eingeleitet worden. „In Kürze werden die ersten Betretungsverbote ausgesprochen“, heißt es.

Ungeimpft und weiterbeschäftigt - am Ende braucht es ein einheitliches Vorgehen

Den Trägern ist dieses unterschiedliche Vorgehen ein Dorn im Auge. Auch die Frage, ob Heime Ungeimpfte wegen Versorgungsengpässen weiter beschäftigten können, drohe am Ende von Stadt zu Stadt anders entschieden zu werden, so die Sorge.

„Es darf jetzt nicht passieren, dass wir mit ein- und derselben Begründung in der einen Stadt einen Beschäftigten halten können und in der anderen verlieren“, sagt Andreas Zeeh von der Diakonie. Einrichtungsleitungen berichten, dass ihnen diese Ungewissheit durchaus Kopfschmerzen bereite. Schicht- und Personalpläne ließen sich nicht kurzfristig über den Haufen werfen.

Awo-Vize-Chefin Hammer-Kunze warnt vor der Innenwirkung: „Gerade mit Blick auf die Menschen, die wir jetzt noch fürs Impfen gewinnen konnten, wäre es das falsche Zeichen, wenn das Gesetz jetzt verpufft.“ Sie stellt bereits in Aussicht, keine „Unabkömmlichkeitsbescheinigungen“ ausstellen zu wollen. „Damit würden wir diejenigen bestrafen, die geimpft sind.“

Unzufrieden ist man übrigens auch im NRW-Gesundheitsministerium. Der Bund habe sich bei der konkreten Umsetzung der Teil-Impflicht auffallend zurückgehalten habe, so die Kritik. Die Länder seien insbesondere zu Beginn, als viele Fragen noch offen waren, weitestgehend allein gelassen worden.