Essen. Ab Mitte März müssen Gesundheits- und Pflegebeschäftigte gegen das Coronavirus geimpft sein. NRW-Städte hoffen auch auf neuen Novavax-Impfstoff

Im Streit um die Teilimpfpflicht können Beschäftigte aus dem Gesundheits- und Pflegewesen, die sich mit dem ab Anfang März erwarteten neuen Proteinimpfstoff Novavax impfen lassen wollen, offenbar auf Zugeständnisse hoffen. Dafür wirbt der Essener Gesundheitsdezernent Peter Renzel, der mit Vertretern kommunaler Spitzenverbände und dem Landesgesundheitsministerium aktuell an der Ausführung der Impfpflicht für NRW arbeitet.

„Wenn uns jemand vorlegt, dass er die Erstimpfung mit Novavax erhalten hat und diese Person von ihrer Einrichtung als unverzichtbar bezeichnet wird, dann sehe ich keinen Grund, warum ein Gesundheitsamt in diesem Fall ein Betretungsverbot aussprechen sollte“, sagte Renzel am Freitag gegenüber der Redaktion. „Ich gehe eher davon aus, dass man in so einem Fall eine Frist bis zur Zweitimpfung setzt und damit wäre der Fall erledigt.“ Anders sähe das aus, wenn jemand im vergangenen Jahr erstgeimpft worden ist.

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Der neue Proteinimpfstoff des US-Herstellers Novavax wird aller Voraussicht nach spätestens ab Anfang März in NRW verfügbar sein. Er soll vor allem Beschäftigten angeboten werden, die von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegewesen betroffen sind. Sie greift ab dem 16. März. Zur Grund-Immunisierung sind allerdings zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen notwendig – die Frist Mitte März könnten Impfwillige, die auf Novavax warten, damit nicht mehr einhalten.

Peter Renzel, Stadtdirektor und Gesundheitsdezernent der Stadt Essen.
Peter Renzel, Stadtdirektor und Gesundheitsdezernent der Stadt Essen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Novavax: Gesundheitsdezernent hofft auf Impfwillige

Renzel setzt darauf, mit dem Protein-Impfstoff die Impflücke in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen weiter geschlossen werden könne. „Wir wissen von einigen Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, die durchaus dazu bereit wären“, so Renzel. Städte wie Essen bereiten derzeit zentrale Impfaktionen vor. Unklar ist allerdings weiterhin, wie hoch die Zahl der Impfdosen sein wird, die NRW vom Bund geliefert bekommen wird.

Die Teilimpfpflicht sorgt im Hintergrund derweil weiter für Kopfschmerzen bei den Städten und vor allem in der Langzeitpflege. Am Freitag hatte das Bundesverfassungsgericht Eilanträge gegen die vom Bundestag und Bundesrat im Dezember beschlossene Impfpflicht abgelehnt. Damit steht der Umsetzung Impfpflicht nichts mehr im Weg. Kommunale Spitzenverbände in NRW hatten sich für die Teilimpfpflicht ausgesprochen. Defizite im Bundesgesetz aber bleiben aus Sicht der Städte.

100.000 Verwaltungsverfahren erwartet

Für sie wird der Aufwand groß: Arztpraxen, Kliniken, Pflegeheime, aber auch Geburtshäuser müssen den Gesundheitsämtern in der Nacht vom 15. auf den 16. März mitteilen, welche Beschäftigten nicht genesen oder noch nicht geimpft sind. Die Gesundheitsämter können dann ein Betretungsverbot für die Betroffenen aussprechen. Dazu müssen sie zunächst aber unter anderem „ärztliche Zeugnisse“ der Beschäftigten prüfen.

Zu diesen Zeugnissen und vielen anderen Details fehlen aber noch Vorgaben. Besonders arbeitsrechtliche Fragen sind weiter offen. So ist unklar, was mit Pflegeheimen geschieht, denen wegen der Impfpflicht Beschäftigte wegbrechen - drohen Belegungsstopps oder müssen Bewohnerinnen und Bewohner verlegt werden? NRW strebt Vorgaben an, mit denen die 53 Gesundheitsämter im Land einheitlich vorgehen können. Bundesweit wird es diese Harmonie nicht geben.

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Deutschlandweit werden nach Angaben des NRW-Städtetags rund 100.000 sogenannte Verwaltungsverfahren erwartet. Die Städte rüsten deshalb auf und stellen, wenn möglich, zusätzliches Personal ein. Beim Essener Gesundheitsamt sollen künftig drei Vollzeitstellen die Überprüfung der Impfpflicht leisten. Dennoch ist mit bis zu drei Wochen Bearbeitungszeit zu rechnen, heißt es aus den Kommunen.

Gesundheitsdezernent: Am 16. März wird sich zunächst einmal nichts ändern

Der Essener Gesundheitsdezernent Renzel rechnet deshalb nicht damit, dass sich Mitte März allzu viel in den Gesundheits- und Pflegebetrieben tun wird. „Ich gehe davon aus, dass wir in der Nacht vom 15. auf den 16. März noch kein einziges Betretungsverbot für irgendjemanden aussprechen können“, so Renzel.

Wenn das Land NRW seinen Erlass zur Umsetzung der Teilimpfpflicht aber so formuliere, dass die 53 Gesundheitsämter in NRW einheitlich vorgehen können – „und das sollten sie unbedingt“ - dann werde es auch zu Betretungsverboten kommen. „Wer sich nicht impfen lässt, der wird in den Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegewesens nicht mehr arbeiten können“, stellte Renzel klar. Persönlich habe er kein Verständnis für Menschen, die in der Pflege arbeiten und sich nicht impfen lassen.

Pflegeheime sollen Impfquote von 95 Prozent haben

In weiten Teilen des Gesundheitswesens wird von einer überdurchschnittlich hohen Impfquote berichtet. In den Kliniken in NRW soll sie bei rund 95 Prozent liegen. In der stationären Altenpflege wird von ähnlichen hohen Quoten berichtet.

Aus gut informierten Kreisen heißt es, dass das NRW-Gesundheitsministerium bereits alle Pflegeeinrichtungen im Land um Angabe der Impfquoten gebeten habe. Aus vorliegenden Antworten soll hervorgehen, dass weniger als sechs Prozent des pflegenden Personals in den Heimen noch nicht geimpft seien. Daten zu ambulanten Pflegediensten sind bislang nicht bekannt.