Gelsenkirchen/Bottrop. Nach einem unsteten Corona-Jahr beginnt für 2,5 Millionen Kinder wieder die Schule. Schulleiter wünschen sich vor allem eins: Verlässlichkeit.

Achim Elvert sagt von sich, dass er ein optimistischer Typ sei. Doch dem Leiter der Gesamtschule Ückendorf in Gelsenkirchen steckt das vergangene Schuljahr unter Corona-Bedingungen noch in den Knochen. Wie er auf das nächste Schuljahr blicke? In seinem Eckbüro hält der 55-Jährige kurz inne. „Das wird auf jeden Fall kein normales Schuljahr“, sagt er.

In dieser Woche beginnt für 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in NRW wieder die Schule. Nach dem Willen von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) soll an den Schulen Normalität einkehren – auch bei einer steigenden Inzidenzen soll Präsenzunterricht stattfinden. Wie blicken Schulleiter auf den Schulstart?

Lehrermangel schmerzt in der Pandemie doppelt

Noch kurz vor dem Gespräch hat Achim Elvert drei Anzeigen für Vertretungslehrkräfte veröffentlicht. Er hätte gleich weiter machen können – an der Gesamtschule sind mehrere reguläre Stellen unbesetzt und von zusätzlichen sei auszugehen, weil die Schülerschaft auf 1120 gewachsen ist. „Stand jetzt fehlen mir für etwa 200 wöchentliche Unterrichtsstunden Lehrkräfte“, sagt Elvert.

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Der Lehrermangel ist seit Jahren eklatant, in der Pandemie schmerzt er doppelt: Nach Homeschooling und Quarantäne gibt es bei vielen Jugendlichen Lernlücken. Bei dem neuen fünften Jahrgang geht Elvert sogar davon aus, dass fast alle Kinder „eine geringere Lernausgangslage“ haben als in Vor-Corona-Jahren. Zwar geben Bund und Land 430 Millionen Euro, um Kindern Förderung zu ermöglichen – die Bedingungen kennt Elvert aber erst seit der letzten Ferienwoche. „Eh der Antrag bewilligt und die Stellen besetzt sind, stehen wir vor den Herbstferien“, sagt er. Absurd daran: Die Gesamtschule hofft auf Gelder für Förderung, die sie regulär anbieten würde, wenn alle Lehrerstellen besetzt wären.

Flexibilität gefragt: Viele Nachprüfungen, immer neue Stundenpläne, viele Sorgen

Gleich der Schulanfang ist unsteter als sonst. Schüler und Schülerinnen dürfen diesmal beliebig viele Nachprüfungen machen, so Elvert. „Wir wissen deshalb noch nicht bei allen Jahrgängen, wie groß sie werden“, sagt er und gibt zu, dass manch ein Kurs Pi mal Daumen geplant worden sei. Stundenpläne anzupassen, darin ist die Gesamtschule leidlich geprüft: Am Ende des vergangenen Schuljahr hatte sie 14 verschiedene Zeittafeln veröffentlicht – jeweils angepasst an geltende Regeln.

Man merkt Elvert an, dass ihm die Rückkehr in einen regulären Schulbetrieb Sorge bereitet, dass ihn beschäftigt, wie sehr die neue Delta-Virusvariante unter seiner Schülerschaft herumgehen könnte. 250 Quarantänefälle habe es im vergangenen Schuljahr an der Schule gegeben, an manchen Tagen dauerte die Kontaktnachverfolgung zwei bis drei Stunden. „Aus Lerngründen ist es ja richtig, dass alle Schüler zurück an die Schule kommen, aber ich wünsche mir auch eine Zeit der Vorsicht.“

„Was auch als nächstes kommt, ich glaube, wir sind gut vorbereitet“

20 Autominuten entfernt wischt sich Christoph Mewes ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Schulbücher sind angeliefert worden und wenn der Hausmeister nicht da ist, muss der Leiter der Droste-Hülshoff-Schule in Bottrop eben selbst anpacken. Worauf hofft er in diesem Schuljahr? „Ich hoffe, dass wir tatsächlich beim Präsenzunterricht bleiben“, sagt der 46-Jährige. „Und dass die Maskenpflicht drinnen bleibt, das Testen, die jetzigen Reinigungsintervalle und das Luftfilter für alle Klassenräume kommen.“

Christoph Mewes leitet die Droste-Hülshoff-Schule in Bottrop.
Christoph Mewes leitet die Droste-Hülshoff-Schule in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Mewes leitet die Grundschule mit 220 Kindern seit mehr als zehn Jahren, er ist Personalrat, selbst Vater einer Tochter. Er erzählt, wie er den 16 Lehrkräften vor einem Jahr noch versichert hatte, er glaube nicht, dass die Schulen nochmals geschlossen würden. Jetzt sagt der Pädagoge: „Wir haben so vieles erlebt und uns auf so vieles einstellen können. Was auch als nächstes kommt, ich glaube, wir sind gut vorbereitet.“

I-Dötzchen erhalten mehr Zeit zum Ankommen

Dass er sich auf einen besonderen Jahrgang von Erstklässlern vorbereiten muss, glaubt Mewes indes nicht. „Es wird Kinder geben, die es schwerer haben, aber das trifft nicht auf alle zu. Einige Kinder haben auch Positives aus dem letzten Jahr mitgenommen.“ Der Austausch mit den Kitas sei diesmal sehr eng gewesen, um früh Schwierigkeiten zu erkennen. „In einem Fall haben wir mit der Kita eine Familie gebeten, ihr Kind in die Notbetreuung zu geben.“ Weil Schnuppertage für die Vorschüler zunächst ausgefallen sind, bekommen die I-Dötzchen zwei Projektwochen zur Eingewöhnung. Elterngespräche finden früher statt als sonst.

Was er sich für das Schuljahr wünscht? Auch den Grundschulleiter besorgt der Lehrermangel. Die vielen nicht besetzten Stellen beschränkten die Fördermöglichkeiten für Kinder enorm, sagt er. Es brauche Entlastung, damit Lehrkräfte sich auf die Arbeit mit den Kindern konzentrieren können. Trotz der Präsenz-Zusicherung aus Düsseldorf werde Unterricht ja doppelt vorbereitet: für die Schule und das Lernen zu Hause im Quarantänefall.

Vor allem aber brauche es Verlässlichkeit, sagen Christoph Mewes in Bottrop und Achim Elvert in Gelsenkirchen gleichermaßen. Als Beispiel erinnert Mewes die 2020 von der Politik zugesagte Gelder für Schülerlaptops: „Die Geräte haben wir eine Woche vor den Sommerferien erhalten.“