Essen. Am 31. Mai öffnet NRW wieder die Schulen. Experten sehen nach den langen Einschränkungen eine Schülergeneration mit vielen Problemen.
Kurz vor der Rückkehr zum Präsenzunterricht in NRW und wenige Wochen vor den Sommerferien warnen Fachleute, dass Kinder und Jugendliche mit erheblichem Ballast in den Unterricht starten. Bei niedergelassenen Kinderärzten werden zunehmend Kinder und Jugendliche mit Übergewicht auffällig. Praxen berichten zudem von deutlich häufiger auftretenden Magersucht-Fällen und emotionalen Störungen.
„Hier geht es um eine Generation von Kindern, wie ich sie noch nicht gesehen habe“, sagt Axel Gerschlauer, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte im Bereich Nordrhein. Kinder hätten über viele Monate auf soziale Kontakte verzichtet, ihnen fehle der regelmäßige Schulbesuch und die tägliche Bewegung.
In Einzelfällen haben Kinder 30 Kilogramm innerhalb eines Jahres zugenommen
Die Folgen seien deutlich zu spüren, sagt Gerschlauer. „Vor uns stehen inzwischen Kinder, die zehn bis 20 Kilogramm, in Einzelfällen sogar 30 Kilo innerhalb eines Jahres zugenommen haben. Zugleich habe ich noch nie so viele Fälle von Magersucht gesehen wie im letzten halben Jahr“, so der Mediziner. Essen sei ein zentrales Thema in den Kinderarztpraxen des Landes geworden.
Auch bei Schuleingangsuntersuchungen, einer Routine-Behandlung von Vorschulkindern, war Übergewicht in ersten Städten der Region häufiger ein Thema. Davon berichten die Gesundheitsämter in Bottrop und Essen.
Lehrer fordern mehr Helfer - Schulpsychologen und Sozialarbeiter
Das Land NRW öffnet am 31. Mai die Schulen in all jenen Städten für den Präsenzunterricht, deren Inzidenz stabil unter 100 liegt. Damit enden Monate des Distanz- und Wechselunterrichts. Lehrer bereiten sich auf Kinder mit erheblichen Lernlücken und Förderbedarf vor und fordern mehr Personal.
„Wir brauchen in jedem Fall mehr Lehrerinnen und Lehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter im System Schule, damit wir über kleinere Lerngruppen Schülerinnen und Schüler auffangen und unterstützen sowie individuell fördern und fordern können“, sagt die Vorsitzende des Philologenverbandes NRW, Sabine Mistler.
Kölner Forscher: Sport gehört jetzt ins Zentrum des Schulalltags
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Michael Achenbach, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe, kritisiert einen Fokus auf Lernrückstände, auf den sich auch angekündigte Maßnahmen von Bund und Land konzentrierten. Das reiche bei Weitem nicht aus. „Die Folgen der Pandemie bei den Kindern und Jugendlichen aufzuarbeiten, dazu werden wir in Zukunft eine Menge Ressourcen benötigen“, sagt Achenbach. Konkret fehlen aus Sicht der Ärzte etwa Therapieangebote für Kinder.
Sportwissenschaftler fordern, dass Bewegung ins Zentrum des Schulalltags rücken müsse, um Kinder und Jugendliche zu stärken. „Beim Sport geht es um mehr als Leistung, es geht um körperliche und auch seelische Gesundheit und das soziale Miteinander“, sagt Günter Stibbe von der Deutschen Sporthochschule Köln.