Essener Hausärzte halten einen Ausbau des Impfzentrums für falsch. Bekämen sie mehr Impfdosen, könnten sie schneller und günstiger impfen.

Nach dem erfolgreichen Impfstart in den Essener Arztpraxen sorgen sich Hausärzte, dass die Aktion wegen des aktuellen Impfstoff-Mangels unnötig verlangsamt werden könnte. Einen Ausbau des städtischen Impfzentrums sehen sie kritisch: Das System sei komplizierter und teurer.

In Essens Arztpraxen wurden in der ersten Woche 6679 Patienten geimpft. Es könnten erheblich mehr sein, sagt Dr. Peter Berndt von der Hausarztpraxis Schonnebeck, in der sich vier Ärzte zusammengeschlossen haben. „Das Impfen würde enorm beschleunigt, wenn die niedergelassenen Ärzte ausreichend Impfdosen erhielten.“

Impfzentrum hat gerade die 100.000er-Marke geknackt

So könnten er und seine Praxiskollegen leicht 250 bis 300 Patienten wöchentlich impfen. Er gehe davon aus, dass 100 der gut 500 Essener Praxen ähnliche Zahlen erreichen könnten. „Das wären 25.000 bis 30.000 Impfungen pro Woche.“ Oder 100.000 bis 120.000 Impfungen im Monat.

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Zum Vergleich: Am Montag vermeldete die Stadt, dass im Impfzentrum bisher 100.633 Menschen geimpft wurden – seit dem Start am 27. Dezember 2020. Dass das Impfzentrum gut drei Monate benötigte, um die 100.000er-Marke zu knacken, liegt freilich auch daran, dass es anfangs kaum Impfstoff bekam. Heute wird dort ein hohes Impftempo erreicht. Aber, wendet Berndt ein: „Ein Impfzentrum ist aufwendig und teuer im Betrieb; die Anmeldung ist kompliziert, zuletzt gab es Wartezeiten.“ Ein Hausarzt erhalte 20 Euro je Impfung und arbeite so sicher günstiger als das Zentrum.

Hausarzt: „Wir könnten die Impfungen zack, zack umsetzen“

Nachdem das Problem mit der Kühlung des Biontech-Vakzins gelöst ist, sieht Berndt keinen Grund, warum das Impfen nun nicht vorwiegend in die Praxen vor Ort verlegt werden sollte. Zumal viele Patienten dies dem Besuch im Impfzentrum vorziehen. Ein Ausbau des Impfzentrums, das mit Personalproblemen zu kämpfen hat, sei die falsche Strategie. Er kenne seine Risikopatienten und müsse mit vielen nicht mal einen Extra-Impftermin vereinbaren, weil sie ohnehin regelmäßig zu ihm kommen. „Unser Personal ist motiviert, wir könnten die Impfungen zack, zack umsetzen.“

Ärzte beziehen den Impfstoff über die Apotheken

Ärzte bestellen die Impfdosen bei den 140 Essener Apotheken, die die Bestellungen an den Großhandel weitergeben. Jeder Arzt kann 18 bis 50 Dosen pro Woche bestellen; allerdings ohne Gewähr, die gewünschte Menge zu erhalten. Der Sprecher der Essener Apotheker, Rolf-Günther Westhaus, schätzt, dass im Schnitt jeder beteiligte Apotheker in der Startwoche 20 bis 30 Impfdosen ausgeben konnte. Die Zahlen seien aber sehr schwankend: Seine Apotheke gab 78 Impfdosen ab.

Der Pferdefuß sei die Zuteilung des Impfstoffes: 120 Dosen hat die Hausarztpraxis Schonnebeck mit ihren vier Ärzten in der ersten Woche erhalten, die seien im Handumdrehen weg gewesen. Vielen Ärzten erging es ähnlich. Und so wurden in der Startwoche mit den fast 7000 Impfungen deutlich weniger erzielt, als Berndt für machbar hielte.

Dabei ist das Interesse der Ärzte groß: Bei einer Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) signalisierten 245 der gut 500 Essener Praxen, dass sie sich an der Impfaktion beteiligen wollten.

Für Unruhe unter Essens Ärzten sorgten daher jetzt Nachrichten aus Berlin, dass die Menge der Impfdosen für die Hausärzte ab dem 19. April sogar noch zugunsten der Impfzentren gekürzt werden könnte. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat dazu erklärt, dass es „keine Kürzungen“ bei den Impfdosen für niedergelassene Ärzten gebe.

Lieferengpässe treffen zuerst die Arztpraxen

Aber: Lieferengpässe könnten trotzdem dazu führen, dass weniger als die angekündigten Mengen bei ihnen landen. Denn die Impfzentren erhalten laut Ministerium eine fest zugesagte Wochenration von rund 2 Millionen Impfdosen: „In den Arztpraxen werden die Mengen verimpft, die über die vereinbarten 2,25 Millionen Dosen für die Impfzentren hinaus geliefert werden.“

Kommt es also zu Lieferproblemen, macht sich das zuerst in den Praxen bemerkbar. Sie brauchten daher „sehr viel Flexibilität“ bei der Vergabe von Impfterminen, mahnt Minister Spahn. Der befürchtete Mangel für die kommende Woche soll nach Angaben der KVNO noch abgewendet werden: Zwar gebe es deutschlandweit weniger Biontech-Impfdosen für die Arztpraxen (463.000), „dafür aber entsprechend mehr Astrazeneca-Dosen (568.000)“. Addiert käme man so auf die versprochene Million.

Alles andere wäre ein Schritt in die falsche Richtung, sagt Dr. Michael Hill, stellvertretender Vorsitzender der KVNO Essen. „Eine hohe Durchimpfungsquote kann nur schnell erreicht werden, wenn das Impfen bei den niedergelassenen Ärzten ausgebaut wird.“