Essen. Vor der nächsten Bund-Länder-Runde am Montag fordern die Unis einen Öffnungsplan. Nothilfe für Studierende wird erneut verlängert
Keine Teststrategie, keine Impfungen, kein Öffnungsplan – die Hochschulen fühlen sich bei der Bekämpfung der Pandemie von der Politik übergangen. Seit zwei Semestern laufen die Hochschulen im Online-Betrieb, manche Studierende haben ihren Hörsaal oder die Bibliothek noch nie von innen gesehen. Vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am Montag wächst der Unmut.
Mit Protestaktionen in mehreren Unistädten wollen die Studierenden verhindern, wieder einmal vergessen zu werden. „Uni gesperrt – Bildung verwehrt“, steht auf ihren Plakaten oder „Nicht nur Online!“ Dabei geht es ihnen nicht um Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen, aber sie wollen gehört werden und ein schlüssiges Konzept für das nächste Semester.
Corona-Gipfel ohne Hochschulen
Bei den Professoren stößt der Unmut der Studierenden auf offene Ohren. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) in Bonn, der bundesweit rund 32.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vertritt, fordert von der Politik einen Stufenplan für die Hochschulen.
„Während über mögliche Öffnungsschritte bei Kitas und Schulen auf höchster Ebene ausgiebig debattiert und gestritten wird, sind die Hochschulen bei den bisherigen Corona-Gipfeln schlichtweg nicht vorgekommen“, erklärte DHV-Präsident Bernhard Kempen. „Das muss sich ändern. Auch die Hochschulen brauchen eine Perspektive“, fordert er. Auch wenn der digitale Lehrbetrieb an den Unis im Gegensatz zu den Schulen relativ geräuschlos funktioniere, dürfe das nicht heißen, dass sie sich bei den Überlegungen zu einer Öffnung wieder hinten anstellen müssten.
Impfungen auch für Hochschullehrer
Der DHV fordert, dass die Hochschulen in eigener Verantwortung regeln, wann nach Maßgabe örtlicher Inzidenzwerte Präsenzveranstaltungen möglich sein können. Zudem verlangt die Berufsvertretung der Professoren kostenlose Schnelltests an den Hochschulen, wie sie an Schulen bereits beschlossen wurden.
Geimpfte Hochschulangehörige müssten überdies wieder an ihre Studien- und Arbeitsplätze zurückkehren dürfen. Labore und Bibliotheken seien vorrangig zu öffnen. Kempen regte zudem an, dass Hochschullehrer und -angestellte ebenso wie ihre Kollegen an den Schulen vorrangig geimpft werden sollten.
Viele Studierende in finanzieller Notlage
Auch die Unirektoren verstärken den Druck auf die Politik. Sie haben dabei auch die schwierige Finanzlage vieler Studierender im Blick. Da die Nothilfe-Förderung des Bundes viele bedürftige Studierende nicht erreicht und als unzureichend kritisiert wird, fordert die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „eine grundlegende Reform des Bafög“, was ein Notfallkonzept einschließen müsse. Zudem sei angesichts der stark gefallenen Unterbringungsquote verstärkt in Wohnheime zu investieren und in leistungsfähige Internetanschlüsse in den Wohnheimen und an den Hochschulen zu investieren.
Applaus bekommen die Rektoren dafür vom Deutschen Studentenwerk (DSW), das aktuell die Finanzhilfen für notleidende Studierende betreut. Zehntausende beantragten bisher eine „Überbrückungshilfe“, da Nebeneinkünfte weggebrochen sind und viele Eltern ihre studierenden Kinder nicht mehr wie zuvor finanzieren können. Je nach nachgewiesener „Corona-bedingter“ Bedürftigkeit können zwischen 100 und 500 Euro als nicht rückzahlbarer Zuschuss beantragt werden. Wie das DSW am Freitag bekanntgab, soll die Nothilfe des Bundes nun auch im gesamten Sommersemester 2021 angeboten werden.
Bafög-Notfallmechanismus für Krisenlagen
Die Pandemie habe erneut deutlich gemacht, dass die Studienfinanzierung unzureichend sei und insgesamt auf den Prüfstand gehöre. Wiederholt forderte das DSW die Bundesregierung daher auf, das Bafög zeitgemäß zu gestalten und für Notlagen zu öffnen. Bei Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verfehlte das bislang seine Wirkung.
Umso mehr begrüßen die Studentenwerke nun die machtvolle Rückendeckung durch die deutschen Uni-Rektoren. „Diese gewichtige Unterstützung durch die Hochschulen verleiht unserer Forderung nach einer echten Bafög-Reform noch mehr Nachdruck“, freut sich DSW-Präsident Rolf-Dieter Postlep. Die Förderdauer des Bafög müsse verlängert werden, es müsse auch für Teilzeitstudierende gelten und über einen Notfallmechanismus für Krisenlagen verfügen.