Essen. Eigenverantwortung statt Dienst nach Vorschrift: Die Arbeitgeber von Alten- und Pflegeheimen in NRW ziehen Zwischenbilanz der Covid-Impfkampagne.

Zwischen Impfen und Schimpfen: Die Arbeitgeber der Alten- und Pflegeheime in NRW haben eine gemischte Zwischenbilanz der Impfkampagne in den stationären Einrichtungen gezogen. Zwar sei bei der Durchimpfung der vulnerablen Gruppe gegen das Coronavirus Ungeheures geleistet worden, sagte Ulrich Christofczik als einer der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege am Freitag bei einer virtuellen Gesprächsrunde. Andererseits hätte teils mehr Eigenverantwortung an die Kräfte vor Ort abgegeben werden müssen. Denn: „Der Stein der Weisen liegt nicht nur in Düsseldorf.“

Seit dem 27. Dezember des abgelaufenen Jahres hatten mobile Impfteams Pflege- und Altenheime in NRW aufgesucht, um die Bewohner gegen das Coronavirus zu immunisieren. Dass es vielerorts gut geklappt hätte, machten etwa Corona-Bekämpfer wie Christian Umbach (Feuerwehr) und Bernd Wolf (Testzentrum) aus Duisburg oder Bernhard Sandbothe (Einrichtungsleiter) aus Münster deutlich.

Ruhrgebietskonferenz-Pflege mit Kritik am Gesundheitsministerium NRW und an den KV

Gemein hatten die Berichte die Betonung auf die dezentrale Organisation und die – auch durch die Coronakrise – gewachsene vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Trägern. „Hätten wir uns in der Organisation auf das Gesundheitsministerium NRW und die Kassenärztliche Vereinigungen Nordrhein verlassen, dann hätten wir heute nicht so ein gutes Ergebnis verkünden können“, erklärte Christofczik am Beispiel Duisburg. So oder so: Bis Ende des Monats sollen laut KV Nordrhein die Impfungen in den stationären Pflegeeinrichtungen abgeschlossen sein.

Ulrich Christofczik, einer der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege, zog am Freitag in einer virtuellen Gesprächsrunde eine Zwischenbilanz der bisherigen Coronavirus-Impfkampagne in Alten- und Pflegeheimen.
Ulrich Christofczik, einer der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege, zog am Freitag in einer virtuellen Gesprächsrunde eine Zwischenbilanz der bisherigen Coronavirus-Impfkampagne in Alten- und Pflegeheimen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Dazu präsentierten die Arbeitgeber, die rund 20.000 Mitarbeiter in NRW beschäftigen, erste Zahlen zur Impfquote. So sprach ein Vertreter des Caritas-Verbands über Rückmeldungen aus 150 der 204 stationären Einrichtungen im Bistum Münster – und einer 89,5 prozentigen Impfquote für Bewohner bzw. von 75 Prozent bei Mitarbeitern. Auch die Awo Niederrhein nannte für ihre 14 Einrichtungen Zahlen zwischen 70 und 95 Prozent. Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums haben bis Freitag 441.690 Menschen ihre Erst- bzw. 258.852 Menschen ihre Zweitimpfung bekommen.

Pflegekonferenz fordert dezentrale Impfzentren in Altenheimen

Ebenfalls auf der virtuellen Agenda der Pflegekonferenz stand die Forderung nach dezentralen Impfzentren in Altenheimen und Tagespflegeeinrichtungen, um betagten Senioren den Weg zur Schutzimpfung zu erleichtern. Es gehe nicht, die Menschen im öffentlichen Nahverkehr stundenlang durchs Land zu schicken, kritisierte mit Thomas Eisenreich ein weiterer Sprecher der Ruhrgebietskonferenz und warb für ein fünfseitiges Konzeptpapier der „Quartiers-Impfzentren“ mit Inhalten von der Logistik bis zur Durchführung in Wohnortnähe.

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Einwände, die von Vertretern aus der Lokal-, Landes- und Bundespolitik gehört wurden. Bärbel Bas als parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion etwa nahm die konstruktiven Beiträge selbstkritisch auf: „Wir müssen jetzt die Zeit nutzen, um über dezentrale Möglichkeiten zu reden und die auch umzusetzen.“

Bund und Land NRW favorisieren die Hausärzte

Der Bund favorisiert dagegen eine dezentrale Lösung in Arztpraxen, ein Pilotprojekt dazu lief diese Woche in Mecklenburg-Vorpommern an. „Die Hausärzte sagen: In Deutschland sind pro Woche fünf Millionen Impfungen möglich, wenn genügend Impfstoff da ist“, betonte Dr. Hans-Ulrich Holtherm, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte den Vorstoß von dezentralen Impfzentren in stationären Einrichtungen gebremst.

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Und danach? Der Empfehlung des Ethikrats von Donnerstag, geimpften Pflegebedürftigen aus Altenheimen mehr Freiheiten zu gewähren, begegnete die Konferenz auch mit Blick auf die hohen Todeszahlen vorsichtig. Wichtig sei es, einen Mittelweg aus bestmöglichem Schutz und Freiheiten zu finden, sagte Ulrich Christofczik. Dazu gehöre auch mehr personelle Unterstützung, zum Beispiel bei der Durchführung von Schnelltest.

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