Essen. Frank Bergmann, Chef der KV Nordrhein, erwartet, dass die Impfzentren im ersten Quartal voll starten können. Heime bis Monatsende durchgeimpft.
Darauf haben viele gewartet: Am Montag gehen die 53 Zentren in NRW an den Start, in denen sich Menschen ab 80 Jahren gegen das Coronavirus impfen lassen können. Wann die Zentren voll arbeiten können, was das für noch nicht berechtigte Impfwillige bedeutet und was sich an der Terminvergabe ändern sollte, darüber spricht Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, im Interview. Die KV Nordrhein ist zusammen mit der KV Westfalen-Lippe für die Impftermine und die Impfungen in den Zentren verantwortlich.
Dr. Bergmann, am Montag starten die Impfzentren deutlich gebremst. Termine gibt es nur halbtags, es werden deutlich weniger Menschen geimpft als anfangs angekündigt. Welche Erwartungen haben Sie an diesen Betriebsstart?
Frank Bergmann: Es ist ein gutes Signal, dass wir mit der Impfung der sehr großen Gruppe von über 80-Jährigen starten können. Natürlich ist es misslich, dass die Liefermengen geringer sind als ursprünglich zugesagt. Wir können deshalb jede Woche nur etwa 75.000 Menschen in NRW impfen. Bei 850.000 Berechtigten streckt sich die Terminplanung bis in den Mai hinein.
Biontech/Pfizer haben noch für das erste Quartal zusätzliche Impfstoff-Lieferungen zugesagt. Was bedeutet das für die Arbeit in den Zentren?
Die Zusagen machen uns vorsichtig optimistisch, dass wir bei den Impfungen schneller vorankommen als derzeit geplant oder vielleicht parallel mit den Impfungen der nächsten Priorisierungsgruppe anfangen können. Wir können den Betrieb der Impfzentren mit einigen Tagen Vorlauf jederzeit hochfahren. Dafür stehen uns allein bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein rund 3000 Impfärzte zur Verfügung. Ich bin optimistisch, dass wir noch im ersten Quartal voll an den Start gehen können
„Pflegeheime in zwei, drei Wochen durchgeimpft“
Mit welchen Startschwierigkeiten rechnen Sie am Montag?
Wir haben 53 Impfzentren in NRW. Da kann vieles passieren. Personal kann ausfallen oder die Computer – trotz aller Testläufe, die wir mit viel technischem Support ja bereits gemacht haben. Da wir nicht im Maximalbetrieb starten, haben wir aber einen Puffer für solche Fälle. Wir sind also guter Dinge, dass alles glatt läuft.
Wie viel Geduld müssen Impfwillige mitbringen?
Sie müssen vor allem ihre Unterlagen mitbringen und sich diszipliniert verhalten. Denn auch im Impfzentrum gelten die AHA-Regeln. Und sicherlich kann es zu Verzögerungen bei einer Gruppe kommen, in der Menschen in ihrer Mobilität eingeschränkter sind.
Zentren sind auf Vordrängler und Impfgegner vorbereitet
Die Alternative wäre, diese Menschen dezentral zu impfen. Warum schickt man Senioren durch die halbe Stadt?
Die zentralen Impfzentren sind ein Kompromiss, um einerseits die besonders vulnerable Gruppe zu impfen und andererseits einen Impfstoff einsetzen zu können, der nur bedingt transportfähig ist. Ohne die zentrale Lösung hätte man die Impfung der über 80-Jährigen, die zu Hause leben, zurückstellen müssen. Das wäre fatal gewesen. Parallel laufen derzeit die Impfungen in den Pflegeheimen weiter. Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden zwei, drei Wochen alle Heime durchgeimpft haben.
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In Mecklenburg-Vorpommern können sich Hochbetagte dezentral in Pilot-Praxen impfen lassen. Ab wann wird das in NRW möglich sein?
Das können wir derzeit noch nicht genau vorhersagen, das obliegt nicht unserer Entscheidung. Von uns aus impfen wir sobald wie möglich auch in den Praxen – dafür braucht es allerdings ausreichende Mengen eines dafür geeigneten Impfstoffs.
Haben Sie Verständnis für Vordrängler und Impftouristen, die geimpft werden wollen, bevor sie an der Reihe sind?
Ich kann jeden verstehen, der den dringenden Wunsch hat, geimpft zu werden. Viele Menschen leiden unter der Pandemie. Ich finde es furchtbar, dass viele noch sehr lange auf ihren Impftermin warten müssen. Dieser Ablauf war eine politische Entscheidung, an den wir uns halten. Wir haben im KV-Bezirk Nordrhein alles Mögliche getan, um nur Berechtigte zur Impfung zuzulassen, aber jedes System lässt sich überlisten. Es gibt Ausweiskontrollen und Sicherheitskonzepte. Wir sind sowohl auf Vordrängler als auch auf Impfgegner vorbereitet.
Allein im Rheinland bislang rund 720.000 Impftermine ausgemacht
Der Start der Terminvergabe wurde vielfach als chaotisch kritisiert, Anrufer waren sehr frustriert. Welche Konsequenzen zieht die KV für die künftige Terminvergabe daraus?
Es sind bislang über 720.000 Impftermine allein im Rheinland vergeben worden, also war die Vergabe nicht überall problematisch. Ein großer Kritikpunkt war, dass sich Menschen zwar bei uns registrieren konnten, aber dann keine Termine zu vergeben waren. Das lag nicht in unserer Hand.
Wir haben Terminkontingente erst Stück für Stück freigeben, weil wir uns jeweils mit dem Gesundheitsministerium verständigen mussten, wie viel Impfstoff für die jeweilige Woche sicher zur Verfügung stehen wird. Wir wollten unter allen Umständen vermeiden, dass jemand zum Impftermin kommt und nicht geimpft werden kann, weil eine Lieferung ausbleibt. Das wäre noch schlimmer gewesen als in der Hotline etwas länger zu warten.
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Vor allem war doch die Technik überlastet. Hat sich die KV da nicht überhoben?
Das System der KV Nordrhein ist nicht zusammengebrochen. Ja, es war gelegentlich blockiert, weil wir am ersten Tag bis zu 40 Millionen Aufrufe hatten. Aber die meisten Probleme entstanden, weil Termine erst nach und nach freigegeben werden konnten. Unser System läuft nun reibungslos und wird zeitnah sogar noch zusätzliche Services, wie etwa eine Online-Buchung von gemeinsamen Impfterminen für Paare oder erweiterte Verwaltungsmöglichkeiten der eigenen Registrierungsdaten bieten.
Was heißt das für die nächste Impfgruppe der über 70-Jährigen? Erhalten Sie wieder über die beiden KV in NRW ihre Termine?
Wir sind für die Terminvergabe und die Impfungen vor Ort zuständig. Nachbessert werden muss unserer Meinung nach bei den Kohorten, gerade weil die nächste Impfgruppe sehr viel größer ist. Wir haben vor dem Start der Terminvergabe mehrfach darauf hingewiesen, dass wir Termine nicht an alle innerhalb einer Gruppe gleichzeitig, sondern schrittweise vergeben sollten. Bislang gab es da rechtliche Bedenken, aber Minister Laumann hat angedeutet, dass es nun Änderungen geben wird.
Man muss sich dennoch klar sein: Wir beschleunigen das Impfen nicht, indem wir schneller Impftermine vergeben. Entscheidend sind die Impfstofflieferungen.