Düsseldorf. NRW hat ein millionenschweres Programm für die Anschaffung von Schul-Computern aufgelegt. Aber es gibt noch viele Startprobleme.
Die NRW-Städte haben erhebliche Probleme bei der Beschaffung von Laptops und Tablet-PC für Schüler und Lehrer. Das ergab eine Umfrage dieser Redaktion in sieben großen Revierstädten, in Düsseldorf, beim Städtetag NRW und beim Städte- und Gemeindebund NRW. Das Land stellt den Kommunen zwar insgesamt 178 Millionen Euro für neue „digitale Endgeräte“ zu Verfügung, aber es dürfte noch Monate dauern, bis die ersten Computer bei den Pädagogen und den Kindern ankommen. Damit ist fraglich, ob das Förderprogramm den Schulen in der Coronakrise noch hilft.
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Die Hauptkritikpunkte der Städte: Der Markt für diese Geräte sei derzeit praktisch leer gefegt. Die erforderlichen Ausschreibungen dauerten Monate, außerdem fehle vielen Schulträgern das Personal für die Beschaffung, für die Hilfe bei Technik-Problemen (Support) sowie für die Wartung der neuen Schul-Computer. Die Frist bis zum Jahresende, die den Kommunen für den Abruf der Landesmittel gewährt wird, reiche bei Weitem nicht, so die Rückmeldungen.
Dabei fehlen laut einer Umfrage fast überall an den Schulen digitale Endgeräte.
Städtetag-Vorsitzender Clausen: "Wir brauchen realistische Fristen"
„Wir brauchen realistische Fristen, um die Mittel auch nach dem 31. Dezember abrechnen zu können“, sagte Pit Clausen (SPD), Vorsitzender des Städtetages NRW und Oberbürgermeister von Bielefeld, dieser Zeitung.
„Die Kommunen fühlen sich überfordert, der Verwaltungsaufwand ist zu groß“, warnte Berthold Paschert, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Auch die GEW schlägt vor, die Antragsfrist zu verlängern, möglichst bis zum Ende des Jahres 2021.
Der Markt ist leergefegt
Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebundes sagte: „Zu Verzögerungen kommt es derzeit vor allem wegen der extrem hohen Nachfrage. Es geht immerhin um Endgeräte für 2,5 Millionen Schüler allein in NRW. Das gibt der Markt nicht von heute auf morgen her." Bisher sind noch keine neuen Geräte in den Schulen angekommen. Die technische Ausstattung der Schulen ist allerdings von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Düsseldorf hatte zum Beispiel schon vor dem Förderprogramm zahlreiche Computer für Schulen gekauft.
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Das NRW-Schulministerium ist zuversichtlich, dass das Förderprogramm gut anlaufen wird. Von der Digitalisierungsoffensive sollen laut Landesregierung insgesamt 356.542 Kinder und Jugendliche profitieren. Die Schulträger könnten in einem vereinfachten Verfahren die Mittel auf direktem Wege bei den Geschäftsstellen von Gigabit.NRW in den Bezirksregierungen beantragen.
Hier die Reaktionen der Städte
Die Redaktion hatte in Dortmund, Mülheim, Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Duisburg, Hagen und Düsseldorf nach dem Stand der Digitalisierung in Schulen gefragt. Hier die Rückmeldungen der Kommunen, des Schulministeriums, des Städtetags NRW und des Städte- und Gemeindebundes NRW:
Gelsenkirchen:
Die Stadt hat bislang keine Mittel abgerufen und somit noch keine Geräte angeschafft. Ihr stehen 3,5 Millionen Euro zu, damit wäre die Anschaffung von 7000 Schülergeräten möglich. Hinzu kommen 3000 Geräte für Lehrkräfte, wofür die Stadt knapp 1,5 Millionen Euro ausgeben kann. Wann die Computer zur Verfügung stehen, sei offen. „Aktuell laufen die Bedarfsabfragen bei den Schulen“, so die Stadt. Schon jetzt werde deutlich, dass der tatsächliche Bedarf aber höher sei. Zudem würde zusätzliches Geld für Ausstattung und Support der Geräte benötigt. Kritisch sieht die Stadt, dass die Gelder bis zum Jahresende ausgegeben werden müssen. Das sei kaum zu schaffen. Schulleiter hätten signalisiert, dass ihnen für die Ausleihe der Geräte an die Schüler Personal fehle.
Essen
Derzeit laufe bereits das Vergabeverfahren für die Schul-Laptops. Die Stadt geht davon aus, dass „noch in 2020, voraussichtlich im Herbst“ die ersten Geräte ausgegeben werden können. Ausgeschrieben wurden 12.000 Geräte für Schüler sowie 5000 Laptops für Lehrer. Die Beschaffung sowie die Organisation der Verteilung „stellt den Schulträger und die Schulen vor große Herausforderungen. Dennoch ist es gelungen, in kürzester Zeit die Ausschreibung in die Wege zu leiten.“
Duisburg
Bislang ist noch kein Gerät angeschafft worden. Der Stadt stehen 5,8 Millionen Euro für 12.000 Schülergeräte sowie 2,5 Millionen Euro für 5000 Lehrer-Laptops zur Verfügung. „Wir sind sicher, dass wir beide Programme bis Jahresende umsetzen werden und bereiten den Mittelabruf beim Land vor“, teilt die Stadt mit. Die Frage sei, wie sich NRW an den laufenden Kosten beteiligen werde. „Lediglich die landesbediensteten Lehrer einmalig mit Endgeräten auszustatten und die Wartung und den Support bei den Kommunen zu belassen, reicht nicht“, so die Stadt.
Hagen
Auch in Hagen hat noch kein Schüler oder Lehrer ein Laptop erhalten. „Es wird angestrebt“, alle Fördermittel abzurufen und einzusetzen. Rund 2,2 Millionen Euro stehen Hagen zu. Die Beschaffung binde aber viel Personal und Zeit. „Ein großes Problem stellt die aktuelle Verfügbarkeit am Markt dar.“ Die Stadt schlägt vor, dass wegen der kurzen Laufzeit des Förderprogramms das Land die Geräte zentral beschaffen sollte.
Dortmund
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Bisher wurden hier keine Mittel abgerufen. Die Stadt will 17.000 Geräte für Schüler und 6000 für Lehrer kaufen, aber die Lieferzeit bei großen Herstellern liege über drei Monaten, und die Konfiguration der Computer dürfte weitere zwei bis drei Monate dauern. Lieferengpässe seien derzeit das größte Problem.
Mülheim
Die Stadt befindet sich noch in der „Vorbereitungsphase“ und stimmt sich mit den Schulen ab. Weil sich der Gerätebestand in den Schulen vervielfachen werde, hemmten die „dafür nicht ausgelegten Personalressourcen“ die Planung. Die Fragen zum technischen Support der Geräte und zu den Folgekosten müssten „erst noch abschließend geklärt“ werden.
Moers
Die Stadt Moers erhält für die Lehrergeräte rund 460.000 Euro und für die Schülergeräte circa 652.000 Euro. Man will damit rund 1400 Geräte für Schüler und 900 Geräte für Lehrer anschaffen. Bei den Schülergeräten müsse die Stadt noch einen Eigenanteil von 10 Prozent aufwenden. Bislang konnten aber noch keine Geräte gekauft werden: „Da es sich um eine größere Anzahl handelt, die zentral gekauft werden, werden sie über eine Ausschreibung beschafft. Das regelt das Kommunale Rechenzentrum Niederrhein für uns als kreisangehörige Stadt.“ Problematisch aus Sicht der Stadt ist, dass die Geräte voraussichtlich nicht den kompletten Bedarf der Schüler decken werden. Bei der Ausstattung der Lehrer zwar die Anschaffung durch die Förderung gedeckt, aber es entstünden noch Kosten für die Administration, die bislang nicht gedeckt sind. „Über diese beiden Aspekte muss noch diskutiert werden.“
Bochum
Wegen der „kurzen Vorlaufzeit“ wurden noch keine Mittel abgerufen und keine Geräte beschafft. Es geht um 9000 Computer. Ob dies bis zum Jahresende gelingt, sei „mehr als offen“. Auch Bochum wünscht eine Fristverlängerung über den 31. Dezember hinaus.
Düsseldorf
Die Landeshauptstadt klagt ebenfalls über Zeitdruck und einen „leer gefegten Markt“ für diese Geräte. Allerdings hat sie vorgelegt: „Wir haben bereits Mitte März 15.000 iPads über einen bestehenden Vertrag abgerufen, so dass wir aktuell 23.500 iPads in den Schulen haben. Hinzu kommen rund 7.000 Desktop-PC und Laptops). Die Schulen verteilten die Geräte an die Bedürftigen. Sollten bedürftige Familien noch ohne Leihgerät sein, so würden die Schulleitungen schnell helfen.
Emmerich
Die Schulverwaltung der Stadt steht in Sachen Gerätekauf bereits in engem Austausch mit den Schulen, so Stadtsprecher Tim Terhorst. Es seien auch bereits vor der Förderung durch das Land Geldmittel für die Anschaffung eingeplant gewesen. Allerdings wisse man jetzt noch nicht, ob der Markt die große Nachfrage versorgen kann. „Die Anschaffungszeit dürfte sich deutlich verlängern.“
Das sagt das Schulministerium:
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Die Landesregierung glaubt an den Erfolg des Programms. „Die ersten Zuwendungsbescheide sind erstellt worden. Zahlen werden in Kürze vorliegen“, teilt das Ministerium mit. Insgesamt 356.542 bedürftige Schüler sollen davon profitieren. Nach Auskunft der Regierung plant der Bund, weitere 500 Millionen Euro für Wartung und Verwaltung der IT-Infrastruktur bereitzustellen. Sollte in den Verhandlungen Einigung erzielt werden, werde NRW die Vereinbarung schnell umsetzen, um die Schulträger zu unterstützen.
Das sagen die Kommunalen Spitzenverbände
„Wir brauchen in NRW eine gemeinsame Strategie von Land und Kommunen für das digitale Lehren und Lernen in den Schulen. Eine langfristig tragfähige Lösung für Betrieb, Support, Wartung und Ersatzgeräte“, sagte NRW-Städtetags-Chef Pit Clausen (SPD). Er und die Dortmunder Schuldezernentin Daniela Schneckenburger (Grüne) erinnern daran, dass Lehrer Beschäftigte des Landes sind. Also stehe NRW bei den Kosten für die Wartung der Dienst-Computer und den Kauf von Ersatzgeräten in der Pflicht.
Auch der Städte- und Gemeindebund NRW ruft nach Landes-Hilfe: „Das Administrieren, Pflegen und Warten von tausenden Geräten lässt sich nicht mit ein paar Überstunden erledigen.“ (mit sge)