Düsseldorf. NRW-Innenminister Reul hat das zweite Lagebild zur Clan-Kriminalität vorgelegt. So mächtig sind die Clans im Ruhrgebiet - die wichtigsten Fakten.
Schonungslos haben NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Experte Thomas Jungbluth vom Landeskriminalamt (LKA) am Montag bei der Vorlage des „2. Lagebildes Clankriminalität“ das Problem mit kriminellen Großfamilien türkisch-arabischer Herkunft insbesondere im Ruhrgebiet analysiert.
Hat sich das Clan-Problem in NRW verschärft?
Auf den ersten Blick sogar gewaltig: Registrierte das LKA 2018 noch 4595 Straftaten und 2832 Tatverdächtige, waren es 2019 schon 6104 Straftaten und 3779 Tatverdächtige. Das wäre ein Anstieg von jeweils mehr als 30 Prozent. Allerdings hat das LKA beim zweiten Lagebild die Erfassungskriterien verändert. So wurden auch schwere Verkehrsdelikte mitgezählt, weil Autos als Statussymbol in der Clan-Szene eine große Rolle spielen. Rechnet man diese Veränderung heraus, beträgt der Zuwachs von Fallzahlen und Tatverdächtigen im Vorjahresvergleich „nur“ rund 13 Prozent.
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Wie kriminell sind die Clans?
Das LKA hat inzwischen NRW-weit 111 türkisch-arabischstämmige Großfamilien auf dem Radar. Das ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal ein Zuwachs von sieben Clans. Die elf kriminellsten Großfamilien des Landes werden für fast die Hälfte aller im Lagebild registrierten 6104 Straftaten verantwortlich gemacht. Das Spektrum der Vergehen ist breit. Rund ein Drittel sind sogenannte Rohheitsdelikte, als Gewalttaten. Weitere rund 15 Prozent der Straftaten machen Betrugsdelikte aus. Etwa ein Fünftel aller Ermittlungsverfahren in der Organisierten Kriminalität gingen auf das Konto der türkisch-arabischen Clans. Innenminister Reul sagt: „Was die Organisierte Kriminalität angeht, spielen die Clans in einer Liga mit der Mafia.“
Welche Rolle spielt der Migrationshintergrund der Clan-Mitglieder?
Die kriminellen Großfamilien in NRW sind nach Einschätzung des LKA-Ermittlers Thomas Jungbluth ausschließlich ein Phänomen des türkisch-arabischstämmigen Milieus. Die meisten Clans wurden von Libanon-Flüchtlingen begründet, die sich in den 80er Jahren vor allem im Ruhrgebiet niederließen und dort ihre illegalen Geschäfte aufzogen. Dennoch haben heute 51 Prozent der Clan-Tatverdächtigen (auch) einen deutschen Pass. Ansonsten sind sie meist libanesischer, türkischer oder syrischer Staatsangehörigkeit. Erfolgreiche Abschiebungen in die Heimatländer seien deshalb oft nicht möglich, so Jungbluth. Sie könnten aber bei prominenten Clan-Mitgliedern durchaus ein Instrument der Abschreckung sein, um deren Szene-Ruf der Unantastbarkeit zu zerstören.
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Welche Städte sind besonders betroffen?
Das Ruhrgebiet bleibt mit Abstand die Clan-Hochburg in NRW. Vor allem Essen hat mit den türkisch-arabischstämmigen Großfamilien zu kämpfen. Allein hier wurden 852 Straftaten und 595 Tatverdächtige registriert – das ist ein landesweiter Anteil von rund 15 Prozent. Dahinter folgen der Kreis Recklinghausen (486 Straftaten/320 Tatverdächtige), Gelsenkirchen (456/289), Dortmund (343/202) und Duisburg (323/202). Allein der größte Clan in Essen zählte in einem Jahr 460 Tatverdächtige. 70 Prozent aller Clan-Straftaten finden in einem 5 km-Umkreis des Wohnorts der Großfamilien statt, weil sie ihr Viertel „beherrschen“ wollen.
Wie ticken die Clans?
Nach den Erfahrungen des LKA-Ermittlers Jungbluth gibt es in den Clans zwei eiserne Prinzipien, die nur selten von Mitgliedern hinterfragt oder durchbrochen werden: „Die Ehre der Familie geht über alles.“ Und: „Es gilt das Recht des Stärkeren.“ Das führt dazu, dass in diesen türkisch-arabischstämmigen Großfamilien die deutsche Rechts- und Werteordnung keine Rolle spielt. Erstrebenswert ist vielmehr, was Ansehen und Reichtum der eigenen Sippe mehrt. Zu Reichtum kommen diese Familien vor allem durch Drogenhandel, Betrug oder illegales Glücksspiel.
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Welche Rolle spielen Mehrfachtäter in den Clans?
In der Clan-Kriminalität gibt es einen harten Kern von notorisch kriminellen Mehrfachtatverdächtigen. So waren im vergangenen Jahr fünf Prozent der Tatverdächtigen für 28 Prozent aller Straftaten in NRW verantwortlich. Innenminister Reul schilderte am Montag beispielhaft den Fall eines 19-jährigen Deutsch-Libanesen, der allein für 24 Straftaten verantwortlich gemacht wird und schon als Elfjähriger erstmals aktenkundig wurde. Hier sollen Präventionsprogramme künftig ansetzen: „Wir haben den festen Willen, diese Kinder aus dem kriminellen Milieu herauszuholen“, sagte Reul.
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Wie erfolgreich ist NRW im Kampf gegen die Clans?
SPD-Fraktionsvize Sven Wolf nannte das Lagebild „enttäuschend“, da kein einziger Clan-Boss habe verhaftet werden können. Innenminister Reul verteidigte dagegen „die Taktik der 10.000 Nadelstiche“. Durch permanente Großrazzien gewinne die Polizei wichtige Erkenntnisse über die Clan-Strukturen und versetze die Szene in Unruhe.
So haben wir über die Razzien am Wochenende berichtet:
Essen: Polizei stellt Luxusautos und 21 Spielgeräte sicher
Clan-Razzia in Velbert – Cannabispflanzen in Wohnhaus
Polizei kontrolliert bei Razzia vier Sisha-Bars in Witten
Clan-Razzia in Bochum, Herne und Witten: Tabak beschlagnahmt