Essen. Ein Viertel des Verkehrs in NRW soll künftig auf das Rad entfallen. Das geht aus einem Papier des Verkehrsministeriums hervor.

NRW will den Radverkehr im Land massiv aufwerten. Ein Viertel des Verkehrsaufkommens soll demnach künftig auf das Rad entfallen. Das geht aus einem Eckpunktepapier für ein NRW-Fahrradgesetz des Verkehrsministeriums hervor. „Wir bekennen uns damit zu den Zielen der Volksinitiative ,Aufbruch Fahrrad‘“, sagte Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) am Wochenende der Deutschen Presse Agentur. Bisher liegt der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen landesweit bei rund acht Prozent.

Landesweites Netz hochwertiger Radwege

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Wüst will das Fahrrad zu einem „eigenständigen Verkehrsmittel für den Alltag“ machen. Dafür soll ein landesweites Netz hochwertiger Radwege geschaffen und das Rad mit anderen Verkehrsmitteln etwa über Mobilstationen und Fahrrad-Garagen an Verkehrsknotenpunkten vernetzt werden. Die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ hatte zuletzt fast 207.000 Unterschriften gesammelt. Sie fordert unter anderem 1000 Kilometer neue Radschnellwege, die kostenlose Radmitnahme im Nahverkehr und die Umsetzung des 25-Prozent-Ziels bis 2025.

Geld wie für den Landstraßenbau

Radschnellwege sowie regionale und kommunale Radwegenetze sollen den Eckpunkten des Ministeriums zufolge bedarfsgerecht ausgebaut werden. Ziel sei, mittelfristig finanzielle Mittel für den Bau von Radwegen in gleicher Höhe wie für den Bau von Landesstraßen bereitzustellen. Der Erhalt und die Sanierung der bestehenden Radwege soll vorangetrieben werden. Auch Betriebswege sollen für den Radverkehr freigegeben werden. Gefördert werden soll zudem der Bau von Abstellanlagen an Haltestellen.

Grüne kritisieren Widerstand im Ruhrgebiet gegen Po-up-Radwege

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Die NRW-Grünen kritisierten unterdessen den Widerstand vieler Ruhrgebietsstädte gegen sogenannte Pop-up-Radwege. Das Fahrrad erlebe in Corona-Zeiten einen ungeahnten Boom, sagte der Essener Landtagsabgeordnete Mehrdad Mostofizadeh der WAZ. Doch während in Berlin Fachleute aus aller Welt die vielen Kilometer neuen Radwege auf Autofahrspuren begutachten könnten, werde im Revier von Duisburg über Essen und Bochum bis nach Dortmund weiter „geschlafen und blockiert“, so Mostofizadeh. Auch das Radnetzwerk Velo City Ruhr kritisierte die mangelnde Bereitschaft, provisorische Radwege einzurichten.

Rückenwind können Radfahrer immer gut gebrauchen – buchstäblich und symbolisch. Besonders im Ruhrgebiet mit seinem hohen Anteil an Autoverkehr würden sich viele Radler über mehr Unterstützung für ihr umweltfreundliches Fortbewegungsmittel freuen. Infolge der Coronakrise sieht die Radfahr-Gemeinde derzeit viel Licht am Horizont. Der Vorstoß von Verkehrsminister Wüst kommt zur rechten Zeit.

Radfahren wird immer beliebter.

Denn Radfahren wird seit Jahren immer beliebter. Im ganzen Land und besonders im Ruhrgebiet. Der Ruhrtalradweg und viele zu gut ausgebauten Radwegen umgewidmete ehemalige Industriebahntrassen bestechen durch hohen Freizeitwert und sorgen für sinnvolle Verknüpfungen über Stadtgrenzen hinaus.

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Das Radwegenetz im Ruhrgebiet hat nach Angaben der Ruhr Tourismus GmbH eine Länge von rund 1200 Kilometern. Der viel diskutierte Radschnellweg Ruhr von Hamm bis Duisburg kann als überregional beachtetes Projekt hohe Signalwirkung entfalten, der Ausbau kommt aber nur im Schritttempo voran.

Nischendasein im Berufsverkehr

Im Berufsverkehr führt das Rad ohnehin ein Nischendasein. Der Anteil am so genannten Modal Split der Verkehrsträger hat sich trotz des Booms von Pedelecs und E-Bikes in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Laut Landesstatistikamt stieg der Anteil der Fahrrad-Pendler seit der Jahrtausendwende bis 2016 landesweit gerade einmal von 7,1 auf 8,2 Prozent. Im Ruhrgebiet geht man aktuell von zehn Prozent aus. In München und Berlin liegt der Anteil der Radler längst doppelt so hoch. Peter Fricke vom Netzwerk Velo City Ruhr spricht von „15 verlorenen Jahren“ beim Ausbau des Radverkehrs im Reviers.

Auch der ADAC will, dass mehr für den Radverkehr getan wird

Die Corona-Krise hat das Mobilitätsverhalten teils dramatisch verändert. Viele Menschen meiden derzeit den öffentlichen Nahverkehr, weil sie Busse und Bahnen für mögliche Viren-Hotspots halten. Wissenschaftler wie die Experten vom Institut für Verkehrsforschung Köln sehen Auto und Fahrrad aber bereits als Gewinner der Coronakrise. Verlässliche Zahlen darüber, wie viele Menschen in den vergangenen Monaten aufs Rad umgestiegen sind, gibt es zwar noch nicht. Doch selbst der Autofahrerclub ADAC forderte unlängst als Lehre aus der Corona-Zeit „mehr Berücksichtigung von Fuß- und Radverkehr in der Verkehrsplanung.“

Fahrradhauptstadt Ruhrgebiet

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Die NRW-Grünen wittern daher die Chance, das Ruhrgebiet zu einer Art „Fahrradhauptstadt“ zu machen. „Wir brauchen einen Aufbruch Fahrrad“, sagte Mehrdad Mostofizadeh. Er forderte einen Investitionssprung für den Radverkehr. Das Volumen müsse verzehnfacht werden. „Während Städte wie Kopenhagen, Utrecht und viele andere 20 oder 25 Euro je Einwohner für den Radverkehr ausgeben, sind es im Ruhrgebiet fast überall keine zwei Euro“, so Mostofizadeh. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) hält sich in seinem Eckpunktepapier zum geplanten Fahrradgesetz mit konkreten Summen indes zurück.

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NRW-weit 1000 Kilometer neue Radschnellwege, Fahrradparkplätze, E-Bike-Ladestationen und kostenlose Radmitnahme im Nahverkehr: Das sind die Kernforderungen der Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“. Kurzfristig würden sich Radfahrer im Revier schon über so genannte Pop-up-Radwege freuen. Diese zeitweise für Autos gesperrte Fahrspuren haben dank Corona in anderen Großstädten wie Berlin und München derzeit Konjunktur. Doch Städte wie Dortmund oder Essen verweigern bislang die Einrichtung dieser provisorischen Radwege. Peter Fricke von Velo City Ruhr glaubt, das diese „Blockadehaltung“ keine Zukunft hat: „Wir können dem Autoverkehr nicht alles unterordnen und müssen die vorhandenen Flächen gerecht verteilen.“