Düsseldorf. Linke und „konservative“ Sozialdemokraten belauern sich im Moment gegenseitig. Das Spitzenpersonal auch. Ein Überblick über Lager und Rivalen.

Zunehmend unübersichtlich ist die Lage in der NRW-SPD. Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty liebäugelt mit der Nahles-Nachfolge, aber SPD-Landeschef Sebastian Hartmann fährt ihm dazwischen. Unterdessen führt der frühere NRW-SPD-Chef Michael Groschek eine Initiative an, die gegen einen befürchteten Linksruck der Partei mobil macht. Die Landespartei ringt um ihren Kurs. Ein Überblick.

Einige altgediente Sozialdemokraten an der Ruhr befürchten, ein harter Linksschwenk führe die Partei womöglich ins Verderben. Zu diesen Mahnern zählt Michael Heidinger, der Bürgermeister von Dinslaken. Heidinger gehört zu den Rebellen der „wahren SPD“, die sich, weil der Name als anmaßend empfunden wurde, gerade in „SPDpur 2030“ umgenannt hat. Die Kapitalismuskritik von Juso-Chef Kevin Kühnert ist Männern wie Heidinger oder dem früheren NRW-SPD-Chef Michael Groschek nicht geheuer. An der umstrittenen Agenda-Politik von Gerhard Schröder müsse einiges, aber nicht alles korrigiert werden, findet Heidinger. Er ist ein „klassischer“ Sozialdemokrat aus dem Ruhrgebiet. Ein Problemlöser, keiner, der die Marktwirtschaft beerdigen möchte.

Bürgermeister von Dinslaken fordert ökonomischen Sachverstand bei der SPD

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Von Matthias Korfmann

Heidinger ist Ökonom. Er spricht gern von Effizienz und Sparsamkeit. Für ihn sollte der Staat eine Art ehrlicher Kaufmann oder guter Manager sein, der solide wirtschaftet, damit er den Menschen helfen kann. „Dienende Marktwirtschaft“ nennt Heidinger das. Nur ein starker Staat, der auf Einnnahmen und Ausgaben achtet, könne unbeschwert Gutes tun für Menschen und Umwelt. „Der ökonomische Sachverstand ist in der Partei leider nicht vollständig akzeptiert“, ärgert sich der Bürgermeister. Ihn treibt die Sorge um, dass in der SPD bald Leute das Sagen haben könnten, die viel versprechen, aber nicht aufs Wirtschaften achten.

Die Initiative „SPDpur 2030“ ist anderen Parteimitgliedern ein Dorn im Auge. Sie komme zur Unzeit, heißt es. „Wir brauchen Einigkeit in der SPD. Eine solche Kartellbildung wie die der ,wahren SPD' halte ich für einen Riesenfehler“, sagte der Wattenscheider SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel dieser Redaktion.

Jusos zielen auf "fundamentale Veränderungen im System"

Ganz andere Töne als die konservativen Kräfte von „SPDpur 2030“ schlägt der Parteinachwuchs (Jusos) an. Juso-Landeschefin Jessica Rosenthal spricht von einem „Kampf gegen die eklatante soziale Ungleichheit“. Für die Kapitalismus-Kritik von Juso-Bundeschef Kühnert hat Rosenthal Verständnis. „Unsere Politikvision einer sozialistischen und demokratischen Gesellschaft baut auf fundamentale Veränderungen im System auf“, sagt sie. Bei der Suche nach einer neuen Parteispitze dürften sich nur solche Bewerber durchsetzen, die mit der Politik von Ex-Kanzler Schröder brechen: „Personen, die für die Agenda-Politik stehen oder die große Koalition sinnbildlich verkörpern“, sollten keine Chance haben.

Nicht ganz so weit links wie die Jusos, wohl aber für eine Kurskorrektur in diese Richtung stehen die beiden derzeit führenden Köpfe der NRW-SPD: Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty und NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann. Ihr Hauptproblem: Sie sind Rivalen. Kutschatys Ambitionen, Bundesvorsitzender der SPD zu werden, konterte Hartmann am Freitag kühl: Der Fraktionschef oder der SPD-Landeschef könnten nicht gleichzeitig die SPD im Bund führen.

Hartmann redet gern von "Rot pur"

Hartmann redet gern von „Rot pur“. Die zunehmende soziale Ungleichheit sei „Sprengstoff“ für die Gesellschaft, findet er. Internationale Konzerne zahlten hierzulande keine Steuern, auf der anderen Seite gebe es Familien, bei denen zwei Einkommen nicht zur Miete reichten. „Um diese Menschen müssen wir uns wieder mehr kümmern“, sagt Hartmann. Zu einer Konferenz der NRW-SPD im Januar lud er ausgerechnet einen Referenten ein, der einst Sozialdemokrat war, dann zu einem der härtesten Kritiker der Agenda-Politik wurde und 2017 für die Linke als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten antrat: den Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge.


SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty hat schon lange vor dem Rückzug von Andrea Nahles die große Koalition in Berlin kritisiert und eine Abkehr von den Hartz-Reformen gefordert. Die SPD, die ihm vorschwebt, ist weit entfernt von jener der konservativen Initiative „SPDpur 2030“. Ein Teil der SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet wirbt sogar offen für eine rot-rot-grüne Koalition im Bund.„Wenn wir das Land voranbringen wollen, geht das nur mit Grünen und Linken“, sagte die Duisburgerin Bärbel Bas dieser Zeitung.


So stehen sich heute in der NRW-SPD mehrere Lager und konkurrierende Personen gegenüber. Ein gutes Jahr vor der Kommunalwahl ist das ein riskanter Zustand. ​