Duisburg. Aerosolforscher Christof Asbach aus Duisburg erklärt, warum man wegen Corona Fahrstühle meiden sollte. Masken seien draußen hingegen kaum nötig.

Das Coronavirus verbreitet sich in starkem Maße über die Luft. Aerosole - also das, was wir ein- und ausatmen - transportieren auch Viren. Doch wo lauert die Gefahr besonders, sich mit Corona anzustecken?

Aerosolforscher haben sich mit einem offenen Brief an die Politik jüngst Luft gemacht (externer Link). Sie wehren sich dagegen, dass in der aktuellen Debatte über örtliche Ausgangssperren das falsche Bild transportiert werde, dass es draußen gefährlich sei. Die Aerosolforschung sagt dagegen klar: „Die Gefahr, sich mit Corona anzustecken, lauert in Innenräumen.“

„Unter freiem Himmel verflüchtigen sich Viren schnell“, sagt der Aerosol-Experte Christof Asbach, Forscher am Duisburger Institut für Energie- und Umwelttechnik und Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, die weltweit 350 Mitglieder zählt. Dass sich das Coronavirus bei uns derzeit wieder verstärkt ausbreitet, es mag auch damit zu tun haben, dass vielen nicht klar sei, wie leicht man sich in der Pandemie in Innenräumen anstecken kann, glaubt Asbach.

Warum warnen Sie vor der Ansteckungsgefahr in Innenräumen?

Asbach: Wenn Innenräume wie etwa Büros, Klassenzimmer, aber auch die private Wohnung nicht ausreichend gelüftet sind, reichern sich Viren in der Luft an. Hält sich dort ein Infizierter auf, atmet diese Person kontinuierlich Viren aus. Je länger ein solcher Mensch in einem Raum ist oder kurz zuvor war, desto schneller können sich andere dort anstecken, wenn sie ungeschützt sind, also zum Beispiel keine Mund-Nase-Maske tragen.

Was macht Aerosole aus Ihrer Sicht so „tückisch“?

Cristof Asbach, Aerosol-Forscher an der Universität Duisburg-Essen warnt die Politik vor symbolischen Corona-Maßnahmen.
Cristof Asbach, Aerosol-Forscher an der Universität Duisburg-Essen warnt die Politik vor symbolischen Corona-Maßnahmen. © dpa | Rolf Vennenbernd

Asbach: Menschen atmen kontinuierlich ein und aus. Nicht alle, die infiziert sind, geben das Virus gleichermaßen weiter. Aber einfache Berechnungen zeigen, die Anzahl der eingeatmeten Viren steigt im Quadrat zur Zeit, die man sich gemeinsam mit einer infizierten Person in einem Raum aufhält: Die doppelte Aufenthaltszeit führt zur Vervierfachung der Virenlast.

Wie lange können sich Aerosole in einem ungelüfteten Raum halten?

Asbach: Das können mehrere Stunden sein, sogar Tage. Partikel setzen sich in einem unbelüfteten Raum nicht ab, sondern schweben im Raum herum und verteilen sich auf die gesamte Fläche. Deshalb sind besonders kleine Räume problematisch. Es ist aber wahrscheinlich, dass Viren nicht die gesamte Zeit ansteckend sind, irgendwann werden sie inaktiv.

Welche Innenräume sollte man in der aktuellen Lage nicht ohne Maske vor Mund und Nase betreten?

Asbach: Das ist bei allen Innenräumen sinnvoll, wo sich mehrere Menschen begegnen und für längere Zeit zusammen sind, gerade etwa in Büros. In großen Räumen ist die Ansteckungsgefahr geringer, in kleinen größer. Man sollte z.B. Fahrstühle derzeit meiden, weil sie eng sind und die Türen zumeist zu sind. Ein Luftaustausch ist kaum gegeben. Man muss einer infizierten Person nicht direkt begegnen, um sich über sie mit Corona anzustecken.

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Was raten Sie generell bei Innenräumen?

Asbach: Regelmäßig lüften ist wichtig. Wenn es draußen wärmer ist, sollte man auch darüber nachdenken, das Fenster gänzlich offen zu halten. Auf Kipp lüften bringt nichts, Quer- oder Stoßlüften muss es sein. Zudem haben sich Luftreiniger-Geräte als hilfreich erwiesen. Sie holen Partikel aus der Luft, die sich in einem Filter absetzen. Auch Coronaviren sind letztlich nur Partikel in der Luft. Luftreiniger (Textlink) gibt es zum Beispiel im Baumarkt und sogar bei Discountern.

Der private Kaffeeklatsch zuhause – mit Maske?

Asbach: Auch wenn es befremdlich wirkt, es schützt, die Maske zu tragen und nur dann abzunehmen, wenn man einen Schluck vom Kaffee trinkt. Am besten aber wäre es, wenn man den Kaffeeklatsch nach draußen verlegt - zum Beispiel auf den Balkon oder die Terrasse.

Unterhaltungen besser nebeneinander als gegenüber

Ist die Ansteckungsgefahr draußen tatsächlich so viel geringer?

Eine Studie in Irland hat gezeigt: Unter mehr als 230.000 erfolgten Kontaktnachverfolgungen gab es nur 260 Fälle, wo die Ansteckung draußen erfolgte. 20 Prozent der Fälle in der Studie konnten zwar nicht rückverfolgt (Textlink) werden, dennoch kann man dies als klaren Beleg nehmen, dass der Fokus beim Thema Ansteckungsgefahr auf Innenräumen liegen muss.

Warum ist es draußen sicherer?

Asbach: Wind etwa sorgt für Verdünnung der Virenlast. Thermik führt dazu, dass sich Partikel vertikal verflüchtigen. Nur unter sehr ungünstigen Bedingungen, etwa wenn man von einem Infizierten angehustet wird, kann man sich auch draußen mit Corona infizieren. Dann handelt es sich um relativ große Partikel, deren Trägheit dazu führt, dass sie ein Gegenüber zum Beispiel trotz Luftbewegung erreichen. Auch besteht ein gewisses Restrisiko, wenn man sich direkt gegenübersteht und unterhält, weil dann mein Gegenüber unter Umständen die von mir ausgeatmete Aerosolwolke direkt einatmen kann. Wichtig ist daher: Abstand halten.

Der Eltern-Plausch auf dem Spielplatz, das Gespräch mit Nachbarn – besser mit Maske?

Asbach: Vor 100 Jahren, als sich die Spanische Grippe (Textlink) weltweit verbreitete, hatte man den Menschen als Schutz vor einer Ansteckung dazu geraten: Beim direkten Austausch sollte man nebeneinander stehen und nicht gegenüber – und mindestens eineinhalb Meter Abstand halten.

Warum kritisieren Sie Ausgangssperren, wenn die doch erzwingen sollen, persönliche Kontakte untereinander zu reduzieren?

Asbach: Wir halten Ausgangssperren für kontraproduktiv, weil sie die Botschaft vermitteln, dass es draußen gefährlich sei. Die Gefahr einer Corona-Infektion (Textlink) lauert aber in Innenräumen und das rund um die Uhr! Jeder sollte sich immer wieder klar machen, in welchen Situationen man tatsächlich Gefahr läuft, sich mit Corona zu infizieren.

>> Zur Person: Dr. Ing. Christof Asbach, 46, ist Präsident der internationalen Gesellschaft für Aerosolforschung und leitet den Bereich Luftreinhaltung und Filtration am Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) in Duisburg.

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