Bochum. Ein Vater aus Bochum will der Klasse seiner Tochter kostenfrei einen Raumlüfter zu Verfügung stellen. Die Stadt lehnt ab, weil Lüften ausreiche.
„Ihre Verweigerungshaltung führt zu einer Gefährdung von Risikogruppen und ist eine Inkaufnahme von unnötigen Corona-Ausbrüchen in Schulen“, kritisiert Jörg Hansen. Seine Tochter besucht eine Bochumer Grundschule und er hätte die Möglichkeit, deren Klasse eine Luftfilteranlage zur Verfügung zu stellen, um die Infektionsgefahr während des Unterrichts zu vermeiden. Die Stadt sieht dafür keine Notwendigkeit, weil es im Klassenraum möglich sei, ausreichend zu lüften.
- Der Präsenzunterricht an Schulen bleibt in Bochum umstritten. Nun fordern SPD und Grüne die sofortige Schulschließung. Kritik kommt von der FDP. Hier geht es zum ganzen Artikel.
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Durch den Einsatz von Luftreinigern könnten Schulschließungen vermieden werden und Risikogruppen unter den Eltern und Lehrern würden besser geschützt, schreibt Hansen in einem offenen Brief an die Stadt Bochum. Seit November versuche er, die Stadt zum Einsatz von Luftfilteranlagen zu bewegen.
Stadt lehnt kostenlosen Luftfilter ab, weil ausreichend gelüftet werden könne
Er hat der Klasse seiner Tochter angeboten, leihweise einen Luftreiniger zur Verfügung stellen, der in seiner Firma derzeit nicht gebraucht würde. Hintergrund sei ein Beschluss im Schulausschuss, der in seiner letzten Sitzung Anfang Februar einstimmig für einen Antrag der CDU gestimmt hat. Demnach prüfe und gestatte die Verwaltung im Einzelfall auch die Möglichkeit des Einsatzes von selbst beschafften, zertifizierten Luftfiltern in Klassenräumen.
Trotzdem lehnt die Stadt ab. „Der Einsatz von Luftfiltern ist im Einzelfall grundsätzlich möglich, wenn nicht ausreichend gelüftet werden kann“, erklärt Stadtsprecher Thomas Sprenger auf Anfrage. Eine Abfrage des Schulministeriums in Bochum hätte aber ergeben, dass an an keiner Schule „eine problematische Situation“ gebe, so Sprenger. Also auch nicht an der Grundschule von Hansens Tochter.
Vater fordert: Möglichkeit nutzen statt für Aussetzung des Unterrichts plädieren
Der Familienvater kann das nicht nachvollziehen. Insbesondere da für die Stadt hierdurch kaum nennenswerte Kosten entstünden. „Anstatt für die Aussetzung des Präsensunterrichts zu plädieren, (...) erscheint es doch sinnvoller sämtliche technischen Möglichkeiten auszunutzen, um das Infektionsrisiko in den Schulklassen zu minimieren“, schildert Hansen in seinem Brief. Zum Hintergrund: Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hatte sich am vergangenen Dienstag (16. März) zum Vorstoß der Stadt Dortmund geäußert, die Schulen wegen steigender Infektionszahlen wieder zu schließen: „Mit Sorge haben wir die Absage der Landesregierung (...) zur Kenntnis nehmen müssen“, schrieb Eiskirch.
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Hansen verweist hingegen auf mehrere Studien, die die Wirksamkeit der Luftfilter bestätigen würden. „Es ist klar, dass eine indirekte Infektion nicht durch Sicherheitsabstände zu infizierten Personen verhindern werden kann. Schutz vor einer Infektion kann unter diesen Bedingungen nur über kurze Verweilzeiten erreicht werden oder technische Hilfsmittel“, zitiert er eine Studie der Universität München.
Stadt äußert sich nicht zum offenen Brief
Die Adressaten des Briefs – Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und der vergangene Woche zurückgetretene Leiter des Schulverwaltungsamts Thomas Ratenhof – wollen sich laut Pressestelle der Stadt nicht zur Kritik im offenen Brief äußern. „Die Stadt steht Thema skeptisch gegenüber, weil Aufwand und Ertrag nicht verhältnismäßig sind“, erklärte Sprecher Peter van Dyk in einem WAZ-Bericht im Dezember. Die Stadt schloss sich einer Empfehlung des Umweltbundesamtes an, weiter auf die Fensterlüftung als prioritäre Maßnahme zu setzen.
Für Turnhallen gibt es Luftreiniger
Während Luftreiniger für Klassenräumelaut Stadt nicht notwendig sind, kommen in den Turnhallen der Schulen die ersten Geräte an.
„Auf Initiative der CDU hat der Rat bereits im Oktober letzten Jahres die Verwaltung mit der Anschaffung von Luftreinigungsgeräten (...) beauftragt. Jetzt sind auch endlich die finanziellen Voraussetzungen für die Beschaffung der Geräte gegeben, sodass die ersten Luftfilter bereits ausgeliefert werden konnten“, teilt der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Dr. Sascha Dewender mit.
Wegen der stufenweisen Rückkehr zum Präsenzunterricht müssen die bislang nicht ausreichend belüftbaren Turnhallen wieder für den Sportunterricht hergerichtet werden, so Dewender weiter. Die im Moment notwendigen Pausenzeiten ließen sich zudem verkürzen. Je nach Entwicklung der Inzidenzzahlen könnte von den Luftreinigern auch der Amateur- und Breitensport profitieren.
Zum Hintergrund: Es gibt insgesamt rund 100 städtische Turnhallen, von denen 40 Hallen elektronisch gefahren und mit 100 Prozent Außenluft versorgt werden. 60 Hallen erhalten den Luftaustausch bisher über die Fenster, weshalb diese nur eingeschränkt nutzbar sind.
Hansen kann das nicht nachvollziehen: „Wie Temperaturmessungen in einer Schulklasse gezeigt haben, hat das Lüften in der Vergangenheit, bei einer Außentemperatur von circa 8 bis 10 Grad Celsius, dazu geführt, dass die Temperatur im Klassenraum dauerhaft auf 13 Grad Celsius abgesunken ist.“ Auch diese Messungen liege dem Schulverwaltungsamt vor.
Elektrosmog und Geräuschpegel als Grund für Nicht-Einsatz der Luftfilter?
Der ehemalige Schulverwaltungsamtsleiter Ratenhof habe in einer Antwort auf ein vorheriges Schreiben von Hansen weitere Gründe für den Nicht-Einsatz der Luftfilteranlage genannt: „Dass die Geräte ,Elektrosmog’ oder einen zu hohen Geräuschpegel verursachen können“, so Hansen, der widerspricht: „Zertifizierte Geräte müssen in Deutschland eine EMV-Prüfung bestehen.“ Darüber würden die Geräte die akustischen Grenzen für einen sinnvollen Einsatz in Klassen einhalten.
„Trotz all dieser hinreichend bekannten Fakten wird der Einsatz von Luftreinigern von Ihnen abgelehnt. Dieses ist für mich und zahlreiche Eltern nicht nachvollziehbar“, kritisiert Hansen. Er wünscht sich, dass die Stadt selbst zertifizierte Raumlüfter anschafft oder das zumindest den Fördervereinen zugesteht.