Berlin. Die ersten Corona-Schnelltests für zu Hause sind zugelassen. Noch in dieser Woche kommen sie in den Handel. Wie groß ist der Nutzen?
- Die ersten Corona-Selbsttests haben eine Zulassung erhalten
- Die Tests sollen in Kürze im Einzelhandel verfügbar sein
- Eine Apothekenpflicht soll es für die Selbsttests nicht geben
- Mit den Tests können vor allem Menschen mit hoher Viruslast identifiziert werden
Zähneputzen, Morgengymnastik, Corona-Test. So könnte für Millionen Bundesbürger der Start in den Tag aussehen. Voraussetzung: zuverlässige und bezahlbare Selbsttests für Laien, die in gigantischer Stückzahl produziert werden. Die ersten dieser Tests sind nun zugelassen – bei Preis und Menge aber gibt es noch große Fragezeichen. Können uns Selbsttests die Freiheit zurückbringen?
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Wie funktionieren Corona-Selbsttests?
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte am Mittwoch Sonderzulassungen für drei Produkte zur Anwendung im vorderen Nasenbereich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch, die Tests würden in Kürze in den Einzelhandel kommen. Bisher gab es nur Schnelltests zum Nachweis einer Coronavirus-Infektion, die von medizinisch geschultem Personal durchgeführt werden.
In der Regel sind das Antigentests, die über einen Abstrich mit einem Stäbchen tief in der Nase oder im Rachen funktionieren. Bei den Selbsttests dagegen sind – neben den nun zugelassenen – auch Gurgel- und Spucktests im Gespräch sowie weitere Tests, bei denen der Abstrich weiter vorn in der Nase entnommen wird und die deutlich einfacher anzuwenden sind. Spahn zeigte sich zuversichtlich, dass eine Zulassung zusätzlicher Tests bald erfolgen könne.
Wichtig zu wissen: Schnelltests sind dafür geeignet, eine hohe Virenlast nachzuweisen. Das bedeutet, dass Personen, die stark ansteckend sind, gut erkennbar sind – umgekehrt aber, dass Infektionen mit geringer Virenlast unerkannt bleiben können. Dennoch setzt die Politik inzwischen massiv auf die Schnelltests: Gesundheitsminister Spahn hat die Medizinprodukte-Abgabeverordnung immer mehr ausgeweitet. Tests, die ursprünglich nur von medizinischem Personal durchgeführt werden konnten, dürfen jetzt auch von geschulten Laien, zum Beispiel von Lehrern oder Erziehern vorgenommen werden. Nun ist auch der Weg für ungeschulte Laien frei.
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Wann werden die Corona-Tests zugelassen?
Aktuell sind bis zu 30 verschiedene Selbsttest-Kandidaten für den Privatgebrauch im Zulassungsprozess beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Im Moment prüft das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Studiendaten zur Anwendung und Zuverlässigkeit. In Österreich gehören Selbsttests bereits zum Alltag. Spahn nimmt die Sache sehr ernst: Für eine Zulassung komme es schließlich auf die Qualität an, denn wenn die Tests viele falsch negative Ergebnisse liefern sollten, „dann steckt darin auch ein Risiko“.
Auch Ärztevertreter sehen diese Gefahr und mahnen deswegen gut aufbereitete und verständliche Informationen für die Anwendung der Tests und für die Interpretation der Testergebnisse an. „Negative Testergebnisse dürfen nicht zu einer Scheinsicherheit führen und zu einem sorglosen Umgang mit den Gefahren des Virus verleiten“, warnt Ärztepräsident Klaus Reinhardt.
Wie viele Corona-Tests sind lieferbar?
Bereits jetzt stellt der Medizintechnikhersteller Nal von Minden jeden Monat 80 Millionen Antigen-Schnelltests für professionellen Einsatz her, das Land Berlin ist einer seiner Großkunden. Auf Anhieb könnten sie monatlich 30 bis 40 Millionen Selbsttests ausliefern, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. Preis: zwischen sechs und neun Euro. Um noch größere Mengen zu produzieren, müssten allerdings die Produktionsstätten erweitert werden.
Fest steht: Eine Apothekenpflicht soll es für keinen der Selbsttests geben, alle Produkte können auch über Drogeriemärkte oder andere Läden verkauft werden. Eine Erstattung durch die Krankenkasse ist ebenfalls nicht geplant. Unklar ist dagegen noch, ob die Selbsttests demnächst staatlich gefördert werden.
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Damit sich rund 80 Millionen Bundesbürger regelmäßig testen können, wären dauerhaft Milliarden Selbsttests nötig. Martin Walger, Geschäftsführer des Verbands der Diagnostica-Hersteller, ist optimistisch: Die Erfahrungen mit Antigen-Schnelltests für den professionellen Einsatz hätten gezeigt, dass die industriellen Hersteller schnell in der Lage seien, qualitativ hochwertige Tests in größeren Mengen zu liefern, sagte Walger unserer Redaktion. Antigen-Schnelltests bestünden aus weniger Einzelkomponenten als PCR-Tests – es sei daher nicht mit Lieferengpässen zu rechnen, staatliche Vorverträge seien nicht unbedingt erforderlich.
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Was, wenn es zu wenige Corona-Tests gibt?
Die SPD fordert von Spahn rasches Handeln: „Wir dürfen nicht erneut wie beim Impfen Schlusslicht einer Entwicklung werden, die uns aus der Krise helfen könnte“, warnte Fraktionsvize Bärbel Bas. Ärztepräsident Reinhardt warnt vor sozialen Schieflagen: Corona-Schnelltests für den Eigengebrauch könnten echte Erleichterungen schaffen, nicht nur in Schulen und Kitas, auch bei der schrittweisen Öffnung von Kulturveranstaltungen und für den Freizeitsport. Aber: „Voraussetzung dafür ist, dass ausreichend Tests zur Verfügung stehen und dass sie für alle Menschen bezahlbar sind. Keinesfalls darf es zum Beispiel bei Freizeitaktivitäten zu sozialer Ausgrenzung kommen, weil sich Einkommensschwache die Tests nicht leisten können“, so Reinhardt.
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