Berlin/Düsseldorf. Eigentlich sollte ähnlich wie etwa in Österreich mit einem “Pickerl“ erfasst werden, ob ein Autofahrer die Pkw-Maut gezahlt hat. Jetzt soll die Abgabe laut Gesetzentwurf doch per automatischer Nummernschild-Erkennung an den Autobahnen kontrolliert werden. Datenschützer sehen das äußerst kritisch.

Die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für eine per elektronischer Nummernschild-Erkennung kontrollierte Pkw-Maut alarmieren Datenschützer. "Besser wäre es, auf Techniken zu verzichten, die solche Gefahren für den Datenschutz hervorrufen", sagte der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner.

Zwar verstoße die Erfassung von Nummernschildern aus Sicht von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht gegen den Datenschutz. Allerdings ermögliche das Pkw-Mautsystem eine lückenlose Erfassung aller Verkehrsteilnehmer - und eine Löschung der Daten könnte technisch auch einfach unterbleiben, warnte Wagner.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kündigte in der "Rheinischen Post" an, sie werde "mindestens die hohen datenschutzrechtlichen Standards der Lkw-Maut einfordern". Das betreffe insbesondere die "strenge Zweckbindung und die Pflicht zur unverzüglichen Löschung". Grünen-Parteichef Cem Özdemir warnte den Minister: "Einen gläsernen Pkw-Fahrer darf es nicht geben."

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Dobrindt beruhigt: "Keine Profile speichern"

Dobrindt wies die Bedenken umgehend zurück. "Wir haben die härtestmöglichen Datenschutzregeln in unser Gesetz aufgenommen, die wir in Deutschland kennen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Deshalb müsse kein Bürger die Sorge haben, "dass jetzt irgendwo Profile gespeichert werden könnten". Er schickte hinterher: "Ich garantiere: Eine Weitergabe an andere Behörden findet nicht statt."

Dobrindt plant laut seinem am Donnerstag vorgelegten Gesetzentwurf statt Papiermarken für die Windschutzscheibe eine "elektronische Vignette". Dafür werden die Kennzeichen aller Mautzahler registriert und zur Kontrolle an den Autobahnen elektronisch gelesen. Ähnlich funktioniert schon die Lkw-Maut: Das Kennzeichen wird aufgenommen, gecheckt und - wenn alles in Ordnung ist - sofort wieder gelöscht.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer, erwartet, dass Dobrindts Pläne ohnehin von Brüssel gestoppt werden. "Das EU-Recht wird dem diskriminierenden Plan einer "Pkw-Maut für Ausländer" einen Riegel vorschieben", sagte der Grünen-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dobrindt selbst zeigte sich dagegen am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen" überzeugt: "Ich bin mir sicher: Auch die europäische Hürde haben wir genommen."

NRW-Minister Groschek fürchtet "Rache-Maut" in Nachbarländern 

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) befürchtet derweil Ärger mit Deutschlands Nachbarn bei der Einführung einer Pkw-Maut. "Es wird eine "Rache-Maut" geben", prophezeite Groschek am Freitag im rbb-Inforadio: "Unsere Nachbarn bringen sich in Stellung." Wer Niederländer und Belgier abkassiere, werde selbst beispielsweise auf der Fahrt zur Küste abkassiert. "Das ist nicht europafreundlich, sondern das ist Nonsens und provinziell."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erwartet juristische Schritte der Nachbarländer gegen die geplante Pkw-Maut. Sie rechne fest damit, dass die Niederlande und Belgien auf EU-Ebene gegen eine Pkw-Maut in Deutschland klagen werden. Zudem sei absehbar, dass Autofahrer aus den Nachbarländern auf Maut-freie Straßen ausweichen. Sie habe den Bündnisvertrag der großen Koalition mitunterschrieben, sagte Kraft. Die dort genannten Bedingungen müssten aber auch eingehalten werden. Dazu gehöre, dass ein Maut-Konzept europarechtsfest sein müsse und deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet würden.

Entlastung über die Kfz-Steuer

Inländer sollen zwar die Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen zahlen, dafür aber über die Kfz-Steuer voll entlastet werden. Unterm Strich finanzieren das System also allein Fahrer aus dem Ausland, für die nur Autobahnen kostenpflichtig sind. Daraus erwartet Dobrindt nach Abzug veranschlagter Systemkosten von 195 Millionen Euro rund 500 Millionen Euro im Jahr, die extra ins Verkehrsnetz fließen. Eingeführt werden soll die Maut 2016.

"Intelligenter wäre die Einführung einer verbreiterten und vertieften Lkw-Maut", meinte Groschek. Lkws würden Straßen und Brücken stärker belasten und große Schäden verursachen. Zur geplanten Pkw-Maut sagte der Minister: "Es ist und bleibt eine Murks-Maut."

"Es ist ein verqueres Konstrukt"

Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) plädierte für eine Ausweitung der Lkw-Maut. Dobrindts Pläne kritisierte er im ZDF-"Morgenmagazin" mit den Worten: "Es ist ein verqueres Konstrukt. Es wird mit großem Aufwand Geld eingenommen, um es dann wieder zurückzugeben."

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) bemängelte, nach dem Verzicht auf eine Gebühr auf dem gesamten Straßennetz drohe Ausweichverkehr auf kostenfreie Straßen und dadurch Lärm für betroffene Anwohner. Laut Dobrindt in der ARD sieht das Gesetz für diesen Fall bereits eine Möglichkeit vor gegenzusteuern. Sollten ausländische Fahrer massenhaft versuchen, die kostenpflichtigen Strecken zu umfahren, "können wir handeln und auch spezifische Teilstücke der Bundesstraßen mit in die Mauterhebung hineinnehmen". (dpa)