Berlin. . Ursula von der Leyen spricht von einer “richtig großen Baustelle“. Die Meldungen über Mängel bei der Ausrüstungen der Bundeswehr setzen die Verteidigungsministerin unter Druck. Doch für viele Fehler sind ihre Vorgänger verantwortlich. Eine Expertin aus der Wirtschaft soll nun für Besserung sorgen.

Vielleicht ist sie erst jetzt in der Truppe angekommen. In einer „richtig großen Baustelle“, wie die Verteidigungsministerin sagt. Die Meldungen über Mängel bei der Ausrüstung treiben Ursula von der Leyen (CDU) um: Pannen, Ausfälle. Eigentlich konnte das niemanden überraschen, „der sich mit der Bundeswehr auskennt“, weiß Ex-Generalinspekteur Harald Kujat. Gut sei, dass die Mängel „nicht mehr unter der Decke gehalten werden“, sagt Hans-Peter Bartels (SPD), der den Verteidigungsausschuss leitet.

Nächste Woche will das Ministerium eine Bestandsaufnahme vorlegen. „Das wird noch mal ungemütlich“, sagt von der Leyen. „Sie legt die Dinge auf den Tisch“ und habe ihre „volle Unterstützung“, ließ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklären.

Spardruck und fatale Entscheidungen

Die Kabinettschefin lenkt von ihrer Verantwortung ab. Die Probleme der Bundeswehr haben einen langen Vorlauf. Merkel regiert seit 2005, Christdemokraten lösten sich an der Spitze des Hauses ab: Franz Josef Jung, Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière. Von der Leyen ist nicht mal ein Jahr im Amt.

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Die Hauptgründe für die Misere sind der anhaltende Spardruck und fatale Entscheidungen. Geplant waren 2014 für den Verteidigungsetat 32,8 Milliarden Euro. Es werden sogar nur 32,44 Milliarden. 800 Millionen weniger als im Vorjahr. Bis 2016 soll der Haushalt noch weiter sinken.

Bundeswehr fährt auf Verschleiß

Deutschland gibt etwa 1,29 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für seine Verteidigung aus und liegt damit an 14. Stelle in der Nato. International hatte man zwei Prozent in Aussicht gestellt. 16 Prozent der Mittel werden für Material ausgegeben. Die Nato gibt 20 Prozent als Ziel aus. Als Idealwert gelten rund 30 Prozent.

Eine fatale Folge des Spardrucks war, dass die Bundeswehr ab 2010 anfing, an Ersatzteilen und Wartung zu sparen. Das ging auf Guttenbergs Kappe. Seither fährt man großteils auf Verschleiß. So etwas rächt sich und lässt sich nicht rasch korrigieren. Es dauert Monate, teilweise ein bis zwei Jahre, um mit der Produktion von Ersatzteilen nachzukommen.

De Maizière strich bei den Neuanschaffungen

Den nächsten Fehler machte dann de Maizière. Er musste im Zuge der Abschaffung der Wehrpflicht die Streitkräfte verkleinern. Er ging an Material und Logistik ran und drückte bei Neubeschaffung die Stückzahlen. „Er hat eine hohe Verantwortung“, kritisiert SPD-Wehrexperte Rainer Arnold. Gleichzeitig hielten die aufwändigen Einsätze im Ausland an.

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Wo das Ministerium Material bestellt hatte, kam die Industrie häufig den Verpflichtungen nicht nach. Auf einige Hubschrauber wartet man seit Jahren. Auf die Transportmaschine A400 M seit vier Jahren. Letztes Jahr konnte das Ministerium 1,3 Milliarden nicht abrufen, weil die Industrie nicht lieferte. Auch dieses Jahr dürfte der Finanzminister Geld zurückerhalten, angeblich bis zu einer Milliarde Euro.

Von der Leyern holt Experten auf der Wirtschaft

Nach Amtsantritt räumte von der Leyen im Beschaffungswesen auf. Entscheidungsträger, darunter zwei Staatssekretäre, mussten gehen. Es gibt kaum noch jemand an führender Stelle, den sie noch von seinen Aufgaben entbinden kann, eigentlich nur noch den Chef des Bundeswehr-Beschaffungsamts, Harald Stein.

Erst mal holte sich die Ministerin Leute aus der Wirtschaft. Faktisch hat die Bundeswehr geschlossen - wegen Inventur. Erst hielt die Ministerin nach geeigneten Bewerbern Ausschau. Nachdem sie Katrin Suder von der Unternehmensberatung McKinsey abgeworben hatte, nahm sich die neue Staatssekretärin einen Sommer lang Zeit, um sich einen Überblick zu verschaffen. Am nächsten Montag will Suder einen Bericht vorlegen.

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Viele Armeen kämpfen mit ähnlichen Problemen

Derweil läuft die Rückführung von Material aus Afghanistan, das zusätzlich zum Gerät aus dem Grundbetrieb gewartet werden muss. Die Inspektion verläuft schleppend. Zum Teil steckt selbst modernes Material in der Warteschleife. In der Wirkung summieren sich Spardruck, Fehlentscheidungen und Engpässe in Armee und Rüstungsindustrie.

Es ist keine isolierte Entwicklung. Viele Armeen kämpfen mit ähnlichen Problemen. In der Bundeswehr gab es bei einzelnen Systemen „immer Probleme“ (Kujat). Gestiegen ist die Bereitschaft, sie nach außen zu tragen. Eine Mängelliste stand schon Mitte August im „Spiegel“. Damals gingen die Zahlen unter, die letzte Woche für Aufsehen sorgten. Nun fordert die Ministerin mehr Geld, die SPD arbeitet an einem Maßnahmen-Katalog, der Finanzminister muss seinen Sparkurs rechtfertigen, die Kanzlerin ist ganz Ohr. Geht doch.