Essen. . Risse, fehlende Ersatzteile, Mängel: Die Helikopter der Marine fliegen nicht. Von 109 „Eurofightern“ nur 42. Der Report „Materielle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“ belegt: Die Bundeswehr ist nur bedingt einsatzbereit. Unterdessen laufen die Waffenlieferungen für die Kurden in Nordirak an.
Das hat gar nicht gut angefangen. Mittwochabend sollte auf dem Leipziger Flughafen die Waffen-Hilfe für die Kurden abfliegen. 50 Panzerfäuste. 520 G3-Gewehre. 20 Maschinengewehre.
Doch das Transportflugzeuge mit der Fracht für die 10 000 Peschmerga, die gegen den mörderischen IS kämpfen, hob erst um 1.52 Uhr in der Nacht ab. Ein Motor war defekt.
Fregatte fährt ohne Hubschrauber
Pleiten und Pannen sind alltäglicher Begleiter der Bundeswehr-Geschichte. Das hat ungute Tradition. Da waren, lange her, der „Witwenmacher“ F-104 Starfighter und der unbrauchbare Schützenpanzer HS 30. Da verteuerte sich die Beschaffung des „Tornado“ spektakulär und musste der Kauf der Drohne „Eurohawk“ abgeblasen werden.
Zehn Seiten hat der Report „Materielle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“, den Generalinspekteur Volker Wieker jetzt dem Verteidigungsausschuss im Bundestag vorgelegt hat. Das Papier, illustriert mit roten, grünen und gelben Ampellichtern, hat unter den Abgeordneten schieres Entsetzen ausgelöst. Sein Tenor: Deutschlands Armee ist derzeit nur bedingt abwehrbereit. Der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn: „Langfristig werden wir gegen die Wand fahren“.
Nato-Verpflichtungen bedroht
Die 109 Eurofighter sind das Rückgrat der Bundesluftwaffe. Sie werden für Patrouillen zum Schutz des Luftraums gebraucht. Doch gerade 42 von ihnen sind einsatzfähig. Ein ähnliches Missverhältnis auch bei den „Tornado“-Jagdbombern – 38 von 89 können abheben. Die Folge: Berlin kann kaum seine Nato-Verpflichtungen einhalten.
Dramatisch: Die Situation bei den Hubschraubern. Risse in den Rümpfen und fehlende Ersatzteile sorgen dafür. Mit Ausnahme von fünf gibt es in der ganzen Marine, die eigentlich über 43 Maschinen verfügt, keine einsatzfähigen Hubschrauber mehr. Bei den Kampf-Helikoptern Typ „Tiger“ können zehn abheben – von 31. Auch nur acht der 33 neuen NH 90 sind startfähig. Die Folge: Der Beitrag der Marine zur Seenotrettung an den deutschen Küsten schrumpft seit Jahren dramatisch, die Basen Helgoland und Rügen sind nicht mehr ständig besetzt. Die Fregatte „Sachsen“, die zum Einsatz gegen Piraten ans Horn von Afrika geschickt wurde, musste ohne Bordhelikopter auslaufen. Mangels geeignetem Hubschrauber scheiterte schon 2009 die Befreiung der Besatzung des Frachters „Hansa Stavanger“.
Sorgen um Transall-Nachfolger
Die Mängelliste ist viel länger. Knapp die Hälfte der 40 Jahre alten 43 „Transall“-Transportflugzeuge ist startklar, der Nachfolgetyp „A 400“ kommt deutlich verspätet erst zum Jahresende. Beim Heer parken gerade 110 von 180 „Boxer“-Transportpanzer, abkommandiert zur Reparatur. Drei der fünf Aufklärungsmaschinen des Typs „Orion“, die gebraucht von den Niederländern erworben worden waren, sind derzeit flugunfähig.
Kauft das Militär nur Schrott?
Wesentliche Ursache, so sieht es der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold, ist ein bislang kaum beachteter „Bestell-Stopp“ für Ersatzteile während der großen Finanzkrise im Jahr 2010, dessen Folgen bis heute wirken. Eine andere: Unter den Praktikern in den Streitkräften gibt es nicht wenige, die dem europäischen Rüstungskonzern EADS nicht mehr trauen, der einen hohen Lieferanteil hat. Ein Beispiel, so erzählen sie, ist das nahezu unbekannte Drama um das Flugsicherungsradar ASR-S, das die Luftwaffe auf ihren Flughäfen für Schlechtwetteranflüge braucht.
Ziviles Radar als Aushilfe
Es hätte, erfuhr diese Zeitung, schon im Jahr 2000 die alten pannenanfälligen Systeme ASR 910 ersetzen sollen. Doch weil das Digital-Radar nicht funktionierte, wird der letzte Fliegerhorst, Nörvenich, erst 2016 die neue Ausstattung bekommen. 16 Jahre später. Die militärische Flugsicherung war in den letzten Jahren gezwungen, Lotsen auf benachbarten zivilen Airports zu stationieren. Manchen Stützpunkten sollen die Hotelbuchungen mit 10 000 Euro ins Budget gehauen haben. Monatlich. Der Bundestag erfuhr nichts davon, weil die Beschaffungskosten für ASR-S zu niedrig für eine Befassung durch das Parlament waren.
Deutsche Waffenlieferungen für Kurden im Nordirak eingetroffen
Unter diesen Vorzeichen ist die deutsche Unterstützung für die Kurden im Nordirak angelaufen. Nach einem Ausbildungsteam traf am Donnerstagabend auch die erste deutsche Waffenlieferung für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der Kurdenhauptstadt Erbil ein. Die Panzerfäuste, Gewehre und Munition sollen der kurdischen Peschmerga-Armee übergeben werden. Deutschland will insgesamt 10.000 Kämpfer ausrüsten.
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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte Erbil wenige Stunden vor der Landung von Waffen und Ausbildern wieder verlassen. Sie sagte den Kurden bei einem Überraschungsbesuch langfristige Solidarität für ihren Kampf gegen die Terrormiliz IS zu. Kurden-Präsident Massud Barsani forderte nach einem Treffen mit von der Leyen noch mehr und modernere Waffen von der internationalen Gemeinschaft. Barsani sagte, dass "die Qualität der Waffen und die Anzahl der Waffen" noch besser sein könne. Er fügte hinzu: "Es ist nicht nur unser Krieg. Wir kämpfen im Namen aller in der Welt gegen die Terroristen."
Technische Panne verzögert Transport
Die erste deutsche Waffenlieferung war in der Nacht zum Donnerstag mit deutlicher Verspätung gestartet. Wegen einer technischen Panne startete ein niederländisches Transportflugzeug mit 27 Tonnen Waffen und Munition zwölf Stunden später als geplant vom Flughafen Leipzig. Die Maschine hatte 50 Panzerfäuste mit Munition, 520 Gewehre und 20 Maschinengewehre an Bord. Nach einem Zwischenstopp auf der britischen Basis Akrotiri auf Zypern ging es am Donnerstagabend weiter nach Erbil.
Kurz zuvor waren auch die dafür zuständigen Ausbilder der Bundeswehr nach einer Serie von Verzögerungen in Erbil gelandet. Die sechs Fallschirmjäger und ein Sanitäter, die kurdische Kämpfer im Umgang mit den deutschen Waffensystemen schulen sollen, hatten bezeichnenderweise wegen einer defekten Transall in Bulgarien auf eine Ersatzmaschine warten müssen. (mit dpa)