Düsseldorf. . Am Wochenende stellt sich SPD-Landeschefin Hannelore Kraft zur Wiederwahl. Ihre Spitzenstellung im größten Landesverband ist konkurrenzlos, doch es mehren sich kritische Töne in den eigenen Reihen. Die Landesregierung ist zum Sparen gezwungen, das tut vielen Sozialdemokraten und Gewerkschaftern weh.

Für fußballbegeisterte Genossen aus dem Ruhrgebiet ist die Parteitags-Planung der NRW-SPD so etwas wie ein Verstoß gegen die guten Sitten. Wenn Schalke und der BVB am Samstag zum Revierderby auflaufen, sitzen sie nicht im Stadion, sondern in einer Kölner Halle, etwa um die Frage zu beraten, wie man der „interkommunalen Zusammenarbeit neuen Schwung verleihen“ kann. „Hannelore kann es ja egal sein“, mault ein Delegierter aus Gelsenkirchen, „sie ist Fan von Borussia Mönchengladbach.“

Wie man SPD-Termine künftig in den Bundesliga-Spielplan einpasst, dürfte für Kraft und ihre Parteizentrale die leichteste Übung sein. Die Ministerpräsidentin, die sich in Köln erneut der Wahl zur Landeschefin stellt, hat viel größere Probleme.

Alles weist darauf hin, dass die nächsten Jahre die schwierigsten ihrer Regierungszeit werden. Nach der Niederlage im Konflikt um die Beamtenbesoldung und der um 800 Millionen Euro erhöhten Neuverschuldung erweist sich die Finanzpolitik endgültig als wunder Punkt für Rot-Grün.

Was „die Chefin“ sagte, war politisches Gesetz

Zwar intoniert der Finanzminister tapfer, der Rückschlag bringe die Koalition „nicht vom Konsolidierungspfad ab“, doch wie das in Euro und Cent zu bewerkstelligen wäre, bleibt sein Geheimnis. Das 2012 eingesetzte Effizienzteam, das neue Sparpotenziale im Haushalt ausloten wollte, legt demnächst seine Bilanz vor. Wie es aussieht, ist der Erfolg überschaubar. „Die Minister wollen nicht sparen“, sagt ein führender Grüner leicht resigniert, „auch unsere Leute nicht.“

Das ist Hannelore Kraft

Hannelore Kraft ist seit 2010 Regierungschefin in NRW. Dort, wo auch...
Hannelore Kraft ist seit 2010 Regierungschefin in NRW. Dort, wo auch... © dpa
... Beginn und der Mittelpunkt ihres (politischen) Lebens liegen. Begonnen hat alles..
... Beginn und der Mittelpunkt ihres (politischen) Lebens liegen. Begonnen hat alles.. © dpa
... im beschaulichen Mülheim an der Ruhr. Hier wird Kraft, mit mütterlichen Namen Külzhammer, am 12. Juni 1961 als Kind eines Straßenbahnfahrers und einer Schaffnerin geboren. Kraft macht 1980...
... im beschaulichen Mülheim an der Ruhr. Hier wird Kraft, mit mütterlichen Namen Külzhammer, am 12. Juni 1961 als Kind eines Straßenbahnfahrers und einer Schaffnerin geboren. Kraft macht 1980... © dpa
... ihr Abitur am Gymnasium Broich. Anschließend absolviert sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau und beginnt 1982...
... ihr Abitur am Gymnasium Broich. Anschließend absolviert sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau und beginnt 1982... © dpa
... ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Duisburg und am Londoner King's College, das bis 1989 dauert. In...
... ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Duisburg und am Londoner King's College, das bis 1989 dauert. In... © dpa
... die SPD tritt die Mutter eines Sohnes 1994 als damals 33-Jährige ein. Bereits...
... die SPD tritt die Mutter eines Sohnes 1994 als damals 33-Jährige ein. Bereits... © dpa
... zwei Jahre zuvor heirat sie ihren Udo Kraft(r.) standesamtlich. Die kirchliche Trauung...
... zwei Jahre zuvor heirat sie ihren Udo Kraft(r.) standesamtlich. Die kirchliche Trauung... © dpa
.... holen sie Jahre später in Namibia nach. Doch zurück zum beruflichen Werdegang: Kraft wird...
.... holen sie Jahre später in Namibia nach. Doch zurück zum beruflichen Werdegang: Kraft wird... © dpa
... im Jahr 2000 erstmals als Abgeordnete für ihre Heimatstadt in den NRW-Landtag gewählt. Nur ein Jahr später ist sie schon...
... im Jahr 2000 erstmals als Abgeordnete für ihre Heimatstadt in den NRW-Landtag gewählt. Nur ein Jahr später ist sie schon... © dpa
... im Kabinett von Wolfgang Clement (l.) Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten. Und der Aufstieg geht weiter,...
... im Kabinett von Wolfgang Clement (l.) Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten. Und der Aufstieg geht weiter,... © dpa
... als sie ab 2002 unter Neu-Ministerpräsident Peer Steinbrück (r.) das Amt der Wissenschaftsministerin übernimmt und bis 2005 bekleidet. Als dann die CDU...
... als sie ab 2002 unter Neu-Ministerpräsident Peer Steinbrück (r.) das Amt der Wissenschaftsministerin übernimmt und bis 2005 bekleidet. Als dann die CDU... © dpa
... die Regierungsmacht in NRW übernimmt, wird Kraft zur Vorsitzenden der der SPD-Fraktion und zur Oppositionsführerin gewählt. 2007 wird sie neue Landeschefin der SPD, 2010 zusätzlich Spitzenkandidatin für die kommenden Landtagswahlen. Auch auf Bundesebene...
... die Regierungsmacht in NRW übernimmt, wird Kraft zur Vorsitzenden der der SPD-Fraktion und zur Oppositionsführerin gewählt. 2007 wird sie neue Landeschefin der SPD, 2010 zusätzlich Spitzenkandidatin für die kommenden Landtagswahlen. Auch auf Bundesebene... © dpa
... rückt sie auf: Kraft wird 2009 eine von vier Stellvertretern des Partei-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel (r.). Mit 90 Prozent der Stimmen erzielt sie das beste Abstimmungsergebnis. Im Duell...
... rückt sie auf: Kraft wird 2009 eine von vier Stellvertretern des Partei-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel (r.). Mit 90 Prozent der Stimmen erzielt sie das beste Abstimmungsergebnis. Im Duell... © dpa
... mit CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers behält sie ebenfalls die Nase vorn. Ihr gelingt der erneuter Regierungswechsel. Allerdings...
... mit CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers behält sie ebenfalls die Nase vorn. Ihr gelingt der erneuter Regierungswechsel. Allerdings... © dpa
... können SPD und Grüne keine eigene Mehrheit bilden. Zusammen mit Koalitionspartnerin Sylvia Löhrmann (l.) fehlt Kraft lediglich eine Stimme zur Mehrheit im Parlament. Sie beschließt...
... können SPD und Grüne keine eigene Mehrheit bilden. Zusammen mit Koalitionspartnerin Sylvia Löhrmann (l.) fehlt Kraft lediglich eine Stimme zur Mehrheit im Parlament. Sie beschließt... © dpa
... NRW in einer Minderheitsregierung zu führen. Am 14. Juli 2010 wird sie im zweiten Wahlgang zur Ministerpräsidentin gewählt. Das neue Parlament...
... NRW in einer Minderheitsregierung zu führen. Am 14. Juli 2010 wird sie im zweiten Wahlgang zur Ministerpräsidentin gewählt. Das neue Parlament... © dpa
...hällt allerdings nur zwei Jahre. Am 14. März 2012 wird der Landtag einstimmig aufgelöst. Bei den im Mai stattfindenen Neuwahlen...
...hällt allerdings nur zwei Jahre. Am 14. März 2012 wird der Landtag einstimmig aufgelöst. Bei den im Mai stattfindenen Neuwahlen... © dpa
... erreichen SPD und Grüne nun eine absolute Mehrheit. Das Kabinett Kraft...
... erreichen SPD und Grüne nun eine absolute Mehrheit. Das Kabinett Kraft... © dpa
... führt seitdem die Geschicke des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Dass sie...
... führt seitdem die Geschicke des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Dass sie... © dpa
... auch Berlin kann, zeigt Kraft bei ihren Auftritten während der Koalitionsverhandlungen im Sommer 2013: Dabei nahm sie nur selten ein Blatt vor den Mund. Das...
... auch Berlin kann, zeigt Kraft bei ihren Auftritten während der Koalitionsverhandlungen im Sommer 2013: Dabei nahm sie nur selten ein Blatt vor den Mund. Das... © dpa
... musste auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt (l.), erfahren, als Kraft ihn bei einer lautstarken Auseinandersetzung zum Thema Haushaltspolitik zur Rede stellt. Bei den Ausschusssitzungen...
... musste auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt (l.), erfahren, als Kraft ihn bei einer lautstarken Auseinandersetzung zum Thema Haushaltspolitik zur Rede stellt. Bei den Ausschusssitzungen... © dpa
... war Kraft Vorsitzende beim Thema Energie-Politik. Parteiinterne Rufe, schon bald ein Spitzenamt in Berlin zu übernehmen...
... war Kraft Vorsitzende beim Thema Energie-Politik. Parteiinterne Rufe, schon bald ein Spitzenamt in Berlin zu übernehmen... © dpa
... ließen Kraft bislang kalt. Im Gegenteil:
... ließen Kraft bislang kalt. Im Gegenteil: "Nie, nie, nie" werde sie als Kanzlerkandidatin antreten, teilte Kraft besorgten Genossen mit. Angela Merkel wird das mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben. © dpa
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Man darf gespannt sein, ob Kraft die Delegierten und misstrauische Gewerkschaftschefs in ihrer Rede auf Entbehrungen und Kürzungen einschwört. Im Vorfeld kündigte sie an, die Schuldenbremse werde eingehalten.

„Der Weg dahin wird steinig und hart“, orakelte sie. Es wäre eine Abkehr von den Feierlichkeiten der letzten Jahre, als Kraft auf Parteitagen die Erfolge ihrer Koalition rühmte. Die Sozis hörten es gern, lehnten sich zurück und erfreuten sich ihrer wiedergewonnenen Macht in Düsseldorf. Kontrovers debattiert wurde kaum. Was „die Chefin“ sagte, war politisches Gesetz.

Krafts Vertrauter Römer verzichtet auf Eitelkeiten

Kraft kandidiert zum vierten Mal für den Vorsitz, ihre Spitzenstellung im größten Landesverband ist konkurrenzlos. Seit Johannes Rau hatte kein SPD-Politiker in NRW eine vergleichbare Machtfülle. Anders als etwa Wolfgang Clement pflegt die 53-Jährige ihre Basis-Nähe.

Das System ist auf sie zugeschnitten. Mit Norbert Römer führt ein Vertrauter die 99-köpfigen Landtagsfraktion, der sich als treuer Vollstrecker der Regierung versteht und – im Gegensatz zu Vorgängern wie Klaus Matthiesen – auf Muskelspiele zur Eigenprofilierung verzichtet.

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Dennoch häufen sich kritische Töne von Abgeordneten gegenüber Krafts Staatskanzlei. Dort fehle es neben dem tagespolitischen Geschäft an langfristiger strategischer Planung, heißt es. „Es wird zu sehr für den Augenblick regiert“, sagt ein Insider.

Fast unbemerkt hat die Fraktion selbst einen zweijährigen Prozess mit externen Beratern gestartet, um sich unter dem Titel "NRW 2030" für die künftige Arbeit programmatisch zu rüsten. „Wir müssen über die Legislaturperiode hinaus klarmachen, wie wir uns das Land vorstellen“, sagt Römer. Eigentlich wäre das Aufgabe des Parteivorstands.

Brisanter Antrag aus Dortmund

Brisanz birgt ein Antrag der SPD Dortmund, künftige Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst „zeit- und inhaltsgleich“ auf Beamte und Pensionäre zu übertragen. Findet die Forderung eine Mehrheit der 486 Delegierten, würde Rot-Grün jeden Spielraum verlieren, um angekündigte Einsparungen beim Personal durchzusetzen.

Dass Kraft sich für diesen schwierigen Job womöglich einen neuen Finanzminister suchen muss, kommt erschwerend hinzu. Walter-Borjans werden gute Chancen auf eine OB-Kandidatur in seiner Heimatstadt Köln eingeräumt.

Kampfkandidaturen in der SPD-Spitze zeichnen sich nicht ab. Mit Britta Altenkamp (Essen), Marc Herter, Thorsten Klute und Jochen Ott treten die vier Parteivize erneut an, ebenso Generalsekretär André Stinka. An Krafts Wiederwahl gibt es keinen Zweifel. Nur das Ergebnis könnte interessant werden. Vor zwei Jahren waren es 99 Prozent.