Essen. Eine neue Studie sagt eine Bevölkerungsexplosion bis zum Jahr 2100 voraus. Mehr als zwölf Milliarden Menschen sollen dann auf der Erde leben. Heute sind es gerade 7,2 Milliarden. Die Folgen für Natur, Energie und Wohnen wären dramatisch.
Wie lange verkraftet unser Planet noch die Menschheit? Eine aktuelle Studie der Vereinten Nationen (UN) warnt davor, dass die Weltbevölkerung noch bis ins 22. Jahrhundert ungebremst anwachsen wird – mit verheerenden Folgen für Menschen, Staaten und Umwelt. 7,2 Milliarden Menschen leben derzeit auf den Globus.
Bisherige Prognosen sind sich darin einig, dass die Weltbevölkerung auf einen neuen Höchststand zurast, der jedoch auf lange Sicht wieder sinken wird. Die aktuelle Studie, die mit modernen statistischen Methoden arbeitet, macht indes diese Hoffnung zunichte. Die Weltbevölkerung werde länger wachsen als vorhergesagt, zum Ende des Jahrhunderts werden auf der Erde zwischen 9,6 und 12,3 Milliarden Menschen leben, schreibt das Forscherteam um Patrick Gerland im Fachmagazin „Science“.
Hohe Geburtenrate in Afrika
Schon im letzten Jahr musste die UN ihre vorherige Prognose um 250 Millionen nach oben korrigieren. Zum Vergleich: 1950 waren es noch 2,5 Milliarden Menschen. Verantwortlich für diese Entwicklung ist vor allem die anhaltend hohe Geburtenrate in Afrika.
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Dort werde sich die Zahl der Menschen von heute einer Milliarde bis zum Jahr 2100 vervierfachen, ergab die Analyse. Ähnlich viele Menschen werden es in Asien sein, dort aber soll die Bevölkerung ab 2050 wieder langsam schrumpfen – ein Trend, der in Europa längst eingesetzt hat. Dies habe jedoch nur einen geringen Einfluss auf die insgesamt wachsende Weltbevölkerung.
Ihre Ergebnisse seien präziser als bisherige Prognosen, argumentieren die Wissenschaftler. Sie werteten die UN-Zahlen aus dem Jahr 2012 mit neuen Computermodellen aus. Für jedes Land der Erde berücksichtigten sie Lebenserwartung und Geburtenrate der vergangenen 60 Jahre. Zudem flossen jüngere Daten zu Aids im südlichen Afrika ein. Dadurch werde die Vorhersage wesentlich exakter, so die Forscher.
Probleme bei der Rente
Das Verhältnis von Beschäftigten zu Rentnern werde sich in vielen Ländern verschieben, so Gerland. Danach finanzieren in Deutschland derzeit etwa drei Beschäftigte einen Rentner, 2100 werden es nur noch 1,4 sein. Noch krassere Verhältnisse erwarten die Forscher in den USA, China und Indien.
Doch die Demografie ist nur ein Aspekt unter vielen. Zwölf Milliarden Menschen benötigen Nahrung, Wasser, Energie, Medizin, Wohnraum. Schon jetzt verbrauchen sie mehr als der Planet hergeben kann. Nach Berechnungen des Forscherverbands Global Footprint Network lebt die Menschheit über ihre Verhältnisse und verbraucht eineinhalb mal mehr Ressourcen, als der Planet auf Dauer bereithält. Flächenverbrauch, Urwaldrodungen, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, Klimawandel, Überfischung der Meere, Verstädterung und Mega-Slums – das sind nur einige Stichworte für die enormen Herausforderungen der Zukunft.
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Zwar räumen die Forscher um Patrick Gerland ein, dass die Prognose Unwägbarkeiten beinhalte. So blieben etwa Abwanderungen in andere Länder, Kriege oder staatliche Eingriffe in die Familienplanung unberücksichtigt. Dennoch müsse sich die Politik schon heute den Anforderungen stellen, sonst drohten als Folge der Überbevölkerung Konflikte um Ressourcen, Umweltverschmutzung, Armut, Flüchtlingsströme, Epidemien und Gewalt.
Bildung, das beste Verhütungsmittel
„Was wir an diesen Zahlen sehen , ist ein permanenter Verstoß gegen die Menschenrechte, vor allem von Frauen“, sagt Christoph Behrends von der Stiftung Weltbevölkerung in Hannover dieser Zeitung. Es fehle an Aufklärung, Zugang zu Verhütungsmitteln und Gesundheitsleistungen. „80 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern werden jedes Jahr ungewollt schwanger, vor allem, weil sie nicht verhüten können.“
In der Bildung von Mädchen und jungen Frauen sehen Experten eine Schlüsselrolle. Eine Untersuchung des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zieht das Fazit: „Bildung ist das beste Verhütungsmittel.“ Gebildete Frauen leben gesünder, bekommen später und weniger Kinder. „Bildung ist die wichtigste Einzelinvestition in Entwicklungsländern.“