Berlin . Die Zahl der Erdbewohner steigt zum Weltbevölkerungstag am heutigen 11. Juli auf 7.057.608.000 Menschen. Diese Marke soll am Mittag um 12 Uhr auf dem entsprechenden Zähler auf der Internetseite der Stiftung Weltbevölkerung erscheinen. Motor des Wachstums sind die Entwicklungsländer.
7.057.608.000: Dies ist nicht die Summe eines Hilfspakets für schuldengeplagte Länder, sondern die Zahl der Menschen, die am Mittwoch auf der Erde leben - dem Weltbevölkerungstag der Vereinten Nationen. Ein Ende der sprunghaften Bevölkerungsentwicklung ist Experten zufolge schwer abzusehen. Bis 2100 wird wohl die Zehn-Milliarden-Marke geknackt - eine gewaltige Herausforderung angesichts von Problemen wie Rohstoffsicherung und Klimawandel.
Schwerpunkt des künftigen Bevölkerungswachstums sind die Entwicklungsländer, wie Ute Stallmeister, Sprecherin der Entwicklungshilfeorganisation Stiftung Weltbevölkerung, erklärt. In Afrika etwa wird sich die Zahl der Menschen nach UN-Schätzungen in diesem Jahrhundert auf 3,5 Milliarden mehr als verdreifachen. Stallmeister zufolge liegt dies zu einem großen Teil an der Zahl der ungewollten Geburten. Im Durchschnitt sei auf dem Kontinent etwa jedes fünfte Baby ungewollt.
Sekundarbildung für Frauen als Schlüssel zur Entwicklung
Zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums setzt Stallmeisters Organisation auf die Familienplanung. Kernpunkte dieses Ansatzes lauten: Bildung, adäquate Verhütungsmittel, Aufklärung, Verbesserung des Gesundheitssystems. Bereiche, mit denen sich auch der am Mittwoch in London stattfindende „Familienplanungsgipfel“ beschäftigt. Ziel der unter anderem von der britischen Regierung ausgerichteten Konferenz ist es, bis 2020 120 Millionen Frauen in Entwicklungsländern Zugang zu Aufklärung und Verhütung zu verschaffen.
Die Familienplanung ist nur einer der zahlreichen Hebel zur Abmilderung des Bevölkerungswachstums und damit der Steigerung der Entwicklungsmöglichkeiten in ärmeren Ländern. Reiner Klingholz hält ihn für notwendig, aber nicht hinreichend. Für den Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung ist Bildung die entscheidendere Komponente - sie ist „das beste Verhütungsmittel“. In seinen Augen insbesondere die Sekundarbildung für Frauen - also die, die über die Grundschulbildung hinausgeht.
Frauen mit mehr Bildung bekommen weniger Kinder
Dadurch würden Mädchen etwa nicht gleich in jungen Jahren verheiratet und gingen mit anderen Perspektiven sowie Zielen ins Leben. „Sie fangen später an, Kinder zu kriegen, sie haben weniger Kinder und der Abstand zwischen den einzelnen Kindern wird größer.“ Zugleich verfügten Mütter mit abgeschlossener Sekundarbildung über mehr Entscheidungsfreiheit in Familie und Gesellschaft sowie über höhere Chancen auf Erwerbstätigkeit.
Klingholz zufolge muss Bildungspolitik auch zwingend einhergehen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen. „Die Menschen brauchen eine Lebensperspektive, Möglichkeiten zur Lebensgestaltung und Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens.“ In der Entwicklungspolitik gibt es Klingholz zufolge bislang vor allem einen Ansatz, für neue Jobs zu sorgen: Nach asiatischem Vorbild die Etablierung Afrikas als verlängerte Werkbank der Welt. Doch dem stünden infrastrukturelle und technische Probleme im Weg.
Bevölkerungspolitik scheitert oft an kirchlichen Interventionen
Aus seiner Sicht sollte sich der Kontinent daher - insbesondere in den ländlichen Regionen - auf den Lebensmittel- und Energiesektor konzentrieren. Vor allem bei den regenerativen Energien schlummerten in Afrika die größten Wachstums- und Entwicklungspotenziale, glaubt Klingholz.
Allerdings hapert es an der Umsetzung der Entwicklungskonzepte, nicht nur aus finanziellen, sondern unter anderem auch aus religiösen Gründen. Wie Klingholz berichtet, wurden die Themenbereiche Bevölkerung und Familienplanung beim jüngsten Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro in letzter Minute aus dem Abschlussdokument gestrichen - auf Initiative der katholischen Kirche, fundamentalistischer Kreise in Nordamerika und muslimischer Länder. (dapd)