Essen. Die rechtlichen Regelungen halten mit den Fortschritten in der Stammzellforschung nicht Schritt. Nach Ansicht des Deutschen Ethikrats sollte sich die Bundesregierung für ein internationales Klon-Verbots für Menschen einsetzen. Technisch rücke die Möglichkeit zum Klonen von Menschen immer näher.
Der Streit begann mit einem Schaf. 1996 präsentierte der britische Zellbiologe Ian Wilmut der staunenden Weltöffentlichkeit das erste geklonte Lebewesen: Dolly. Es war die exakte genetische Kopie eines anderen Schafes.
Was die einen als Meilenstein der Wissenschaft feierten, blieb für andere eine Horrorvision – denn von Dolly schien der Weg nicht weit zu Designer-Babys und Klon-Menschen. Es begann eine der heftigsten Auseinandersetzungen in der Wissenschaftsgeschichte.
Künstliche Keimzellen
Passé. Die Klondebatte verebbte, die Ängste schienen mit dem Klonverbot und dem reformierten Embryonenschutzgesetz überwunden. Zugleich fand die Forschung immer bessere Wege, auf ethisch unbedenklichem Weg an die begehrten Stammzellen zu gelangen, die sich in alle anderen Körperzellen verwandeln lassen und der Medizin so große Hoffnungen machen: Statt sie Embryonen zu entnehmen und diese dabei zu töten, schaffte es die Forschung, Zellen von Erwachsenen umzuprogrammieren.
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Auch aus ihnen, den sogenannten iPS-Zellen, lässt sich Ersatzgewebe herstellen. Das moralische Dilemma der Stammzellforschung schien gelöst.
Klonthema wieder aktuell
Doch durch die Fortschritte der Forschung wurde – von der Öffentlichkeit beinahe unbemerkt – das Klonthema doch wieder aktuell. Und ausgerechnet die als ethisch unbedenklich geltenden iPS-Zellen geben dieser Entwicklung einen Schub. Sie könnten die künstliche Befruchtung in eine neue Dimension treiben, da man aus ihnen nicht nur Herz- oder Nervenzellen zur Behandlung diverser Krankheiten heranzüchten kann, sondern ebenso Keimzellen – also Ei- oder Samenzellen.
Bei Experimenten mit Mäusen wurden auf diese Weise bereits im Labor gesunde und fruchtbare Nachkommen erschaffen. Gelingt dies auch beim Menschen, könnten unfruchtbare Paare auf diesem Wege Kinder zeugen.
Ei- und Samenzellen von einem Spender
Denkbar wäre allerdings auch „die Vereinigung künstlich hergestellter männlicher und weiblicher Keimzellen von ein und demselben Individuum“, wie der Ethikrat in seiner jüngsten Stellungnahme anmerkt. Auch dadurch entstünde eine genetische Kopie des Zellspenders, also ein Klon. Ob die bestehenden Gesetze dem Rechnung tragen, ist umstritten.
Der Ethikrat sieht daher einen „konkreten Klärungsbedarf“. Jüngste Arbeiten von US-Forschern legen nahe, dass die Technologie auf den Menschen übertragbar wäre. Ihnen gelang es, aus Stammzellen von erblich unfruchtbaren Männern Vorläufer von Spermien zu gewinnen, berichtete das Fachmagazin „Cell Reports“ im Mai.
Vom Gesetz nicht erfasst
Im ersten Schritt erzeugten die Forscher iPS-Zellen aus der Haut der männlichen Testpersonen. Diese in den Urzustand zurückversetzte Zellen können sich anschließend in alle Körpergewebe verwandeln, vorausgesetzt sie erhalten aus der Umgebung die passenden Signale. Bisher waren Versuche, die Spermienentwicklung in der Petrischale nachzuvollziehen, wenig erfolgreich.
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Die Forscher injizierten daher die Stammzellen in die Hodenkanälchen von Mäusen. Darin läuft bei Mensch und Tier der Reifungsprozess der Spermien ab. Tatsächlich entwickelten sich die Stammzellen zu intakten Spermien-Vorläuferzellen. Theoretisch wäre auf diese Weise auch die Spermienentwicklung ausgehend von Stammzellen von Frauen möglich.
Veränderung des Erbguts
Nicht nur die Möglichkeit des Klonens alarmiert die Kritiker. Die moderne Gentechnik erlaubt es, das Erbgut von Zellen zu verändern. Wenn eine veränderte iPS-Zelle Teil einer Samen- oder Eizelle wird, werden diese Veränderungen an die nächste Generation weitergegeben. Der Genpool der Menschheit würde so um beliebige Varianten erweitert – mit welchen Folgen?
Angesichts dieser Entwicklungen kommt der Ethikrat zu dem Schluss: Das Klonen von Menschen nähere sich „dem Bereich des technisch Machbaren“. Es sei nicht auszuschließen, dass künftig versucht wird, dies beim Menschen zu Fortpflanzungszwecken einzusetzen. Und die Experten fordern den Gesetzgeber auf, das Recht dem Fortschritt anzupassen. Denn ausgerechnet die potenten iPS-Zellen würden vom Gesetz nicht erfasst.