Brüssel/Washington. . Das nordatlantische Militärbündnis plant als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine eine mobile Eingreiftruppe an seiner Grenze zu Russland. Die USA warnen Moskau: „Hände weg vom Baltikum.“ Präsident Obama reist nach Estland, das den russischen Nachbarn fürchtet.

Die Nato will ihren Gipfel in Wales Ende dieser Woche zu einer Demonstration der Stärke und der Solidarität mit den „Frontstaaten“ an der Grenze zu Russland machen. Wie Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel ankündigte, werde das Treffen die Schaffung einer „Speerspitze“ für die schnelle Eingreiftruppe der Nato beschließen, die „binnen sehr wenigen Tagen“ überall einsatzfähig sei. „Wir werden tun, was immer nötig ist, um unsere Verbündeten zu verteidigen“, betonte Rasmussen.

Die Nato-Staaten aus dem früheren Ostblock, vor allem Polen und die drei baltischen Länder, sind nach den Worten eines hochrangigen Nato-Diplomaten wegen der aggressiven Einmischung des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine „im Schockzustand“. Das Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag soll ihnen vermitteln, dass die Beistandsgarantie gilt und sie im Ernstfall auf die Hilfe der Verbündeten zählen können. Dazu wird aus der 60 000 Mann starken „Nato Response Force“ eine kleine, schnellere „Speerspitzen-Einheit“ von mehreren Tausend Soldaten ausgegliedert.

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„Hart beim Zuschlagen“

Die neue Truppe werde „leicht zu verlegen, aber hart beim Zuschlagen“ sein, kündigte Rasmussen an. Der genaue Umfang und die Liste der Truppensteller werde erst nach dem Grundsatzbeschluss des Gipfels festgelegt. Gegenüber einem Aggressor soll der Verband ausdrücklich abschreckende Wirkung haben. Jeder Angreifer muss laut Rasmussen wissen, „dass er es nicht nur mit einem einzelnen Land, sondern mit der ganzen Nato zu tun bekommt“.

Bereits im Frühsommer hatten Regierungspolitiker der drei baltischen Staaten die Entsendung von Soldaten aus EU-Ländern oder den USA und die Schaffung einer ständigen Präsenz entlang der Grenze zu Russlands gefordert. Aus Sicht von Estland, Lettland und Litauen ist dieses Signal entschieden glaubwürdiger gegen eine mögliche Aggression des Kreml als der Verweis auf Artikel 5 des Nato-Vertrags – hier ist die Beistandspflicht festgeschrieben, die für jeden Nato-Mitgliedsstaat gilt, der angegriffen wird. Trifft es einen, trifft es alle.

US-Präsident Barack Obama reist nach Estland

US-Präsident Barack Obama, der am Dienstag zu einem Besuch Richtung Estland startet, bezeichnete vor seinem Abflug diese Formel als „eiserne Verpflichtung“. „Hände weg vom Baltikum“, so sagt es sein Europa-Berater Charles Kupchan, sei die klare Botschaft an Wladimir Putin, mit der Obama die Achillesferse der Nato besucht.

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US-Politiker fordern schon eine härtere Gangart. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats sprach sich dafür aus, die Ukraine im Kampf gegen Separatisten mit Waffen zu beliefern. Der Demokrat Robert Menendez sagte, die EU, die Nato und die USA müssten berücksichtigen, dass sich die Lage dramatisch verändert habe. „Wir müssen den Ukrainern die reelle Chance geben, sich zu verteidigen“, betonte Menendez.

Putin: „Wenn ich wollte...“

Gleichzeitig sorgt eine Äußerung Wladimir Putins für Aufsehen. Die italienische Zeitung „La Repubblica“ berichtet, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso habe auf dem Gipfel vorigen Samstag den Staats- und Regierungschefs von einem Telefonat erzählt, das er zuvor mit dem Kremlchef geführt habe. Barroso habe Putin demnach wegen der Intervention in der Ukraine zur Rede stellen wollen. Darauf habe der Präsident geantwortet: „Wenn ich wollte, könnte ich in zwei Wochen Kiew einnehmen.“

Ein westeuropäischer Diplomat, der den Gipfel begleitete, bestätigte „Spiegel Online“, dass Barroso die Episode so geschildert habe. Putin habe deutlich machen wollen, dass man ihn nicht mit neuen Sanktionen provozieren solle.