Washington. . US-Präsident Obama vermeidet jede Festlegung beim heiklen Thema Syrien. Kritiker werfen ihm Zauderei vor. Ein Experte sagt, in Syrien sei es leicht, das Richtige zu tun - IS vernichten - und das Falsche zu erzeugen - Assads Machterhalt. Wie auch immer sich Obama entscheidet: Es könnte ein Fehler sein.

Commander-in-Chief oder Zauderer vom Dienst? Was US-Präsident Barack Obama just zu den Dauer-Brandherden Syrien, Irak und „Islamischer Staat“ verlauten ließ, hat über Washington hinaus für Irritationen gesorgt.

So erteilte der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte einer von Außenminister Kerry, Verteidigungsminister Hagel und Generalstabschef Dempsey ideologisch vorbereiteten Ausweitung der Militäraktion gegen die Radikal-Islamisten bis auf Weiteres eine Absage. „Wir haben noch keine Strategie“, sagte Obama, der nach der Enthauptung des US-Journalisten James Foley den IS mit einem „Krebs“ verglich, den es zügig zu „entfernen“ gelte.

Keine „roten Linien“ mehr

Folgt der im Affekt propagierten Radikal-Therapie nun das hinlängliche bekannte Erst-mal-den-Patienten-weiter-beobachten? Im US-Kongress jedenfalls stieß Obamas Bremsvorgang auf „Entsetzen“ (Senator John McCain). Keine Strategie gegen die „schlagkräftigste Terrorgruppe aller Zeiten“ (Mike Rogers, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus) zu haben, sei schlicht „schockierend“.

In eine Rhetorik der „roten Linien“ will sich Obama nach der Erfahrung mit Assads Giftgas-Lagern aber nicht mehr verstricken lassen. Und sein Lavieren, Außenminister Kerry soll nun im Nahen Osten eine Koalition der Willigen gegen den IS aufbauen, während Pentagon-Chef Hagel sämtliche Militär-Szenarien auszuarbeiten hat, findet auch Fürsprecher.

Was soll Ziel einer Ausweitung der Militäraktionen in Syrien und im Irak sein? Mit welchen Kräften ist danach auf dem schwierigen Spielfeld zu rechnen? Darf der Diktator Assad dann noch eine Rolle spielen? „Nichts davon“, sagen Experten Washingtoner Denkfabriken, „ist bis heute beantwortet.“ Obwohl die Geheimdienste Milliarden-Budgets verschlingen, wisse das Weiße Haus kein verlässliches Bild über Stärke und Strategie der IS-Terroristen zu zeichnen.

Doppelstrategie möglich

Ein gefährlicher Mangel. In Syrien sei es leicht, das Richtige zu tun (IS vernichten) und das Falsche zu erzeugen (Assads Machterhalt). „Ein Unrechts-Regime als Waffenbruder zu behandeln, eine solche Kriegsallianz würde Obamas Restlaufzeit im Weißen Haus zur Tortur machen“, so ein Experte des Cato-Instituts.

Gut möglich, dass Obama Gefallen findet an einer Idee von Ex-Clinton-Berater Kenneth Pollack. Danach müsse es das Ziel sein, sowohl Assad als auch den „Islamischen Staat“ entscheidend zu schlagen. Gelingen könne dies nur über eine neue starke syrische Armee, die den religiösen Mehrheitsverhältnissen Rechnung trägt und von den USA in Jordanien und der Türkei ausgebildet wird. Mindestdauer bis zur Einsatzfähigkeit: zwei Jahre. Dann wäre Obamas Amtszeit fast am Ende.