Essen. . Viele Revierstädte suchen händeringend nach Nachwuchs-Feuerwehrleuten. Das Problem: Die Qualität der Bewerber lässt spürbar nach. Viele scheitern an den Einstellungstests. Offene Stellen können kaum besetzt werden. Nun wollen die Städte gezielt Frauen und Migranten in diesen Beruf locken.
Zwölf Liegestütze sollten es schon sein, 45 Sekunden muss man sich im Klimmzug halten können, und die drei Kilometer sind in 15 Minuten zu laufen. Wer das schafft, kann darüber nachdenken, sich als Feuerwehrmann oder -frau zu bewerben. Die Chancen stehen gut. Denn die Feuerwehren müssen deutlich aufstocken. Bisher arbeiten die meisten Feuerwehrleute freiwillig länger als sie laut EU-Gesetzgebung dürften: 54 statt 48 Stunden. Dafür bekommen sie 30 Euro zusätzlich pro Schicht. Doch mit dieser „Opt-Out-Regel“ ist ab 2017 Schluss, hat die Landesregierung vor Kurzem beschlossen. Und nun sind gute Bewerber Mangelware.
Die Betonung liegt auf gut, denn Bewerbungen gibt es in der Tat reichlich, nur bleiben am Ende gerade genug qualifizierte Kandidaten übrig – bislang.
Qualität der Bewerber hat nachgelassen
Die Qualität der Bewerber habe erschreckend nachgelassen, bestätigt Essens Personaldezernent Christian Kromberg. Dort gehen in jeder Runde zwar mehr als 600 Bewerbungen ein. Diese Zahl halbiert sich jedoch nach dem schriftlichen Test (den übrigens alle Azubi-Bewerber in Essen bestehen müssen). 30 Kilo entspricht wie viel Tonnen? Welcher Partei gehörte der Vorgänger von Bundeskanzlerin Angela Merkel an? Dreisatz, Rechtschreibung, räumliches Vorstellungsvermögen, solche Sachen. Nach dem Sporttest bleiben 80 übrig, nach dem persönlichen Gespräch noch 30, und von diesen lässt der Amtsarzt zehn passieren. Nur sollen in Zukunft in jeder Runde 18 statt 9 Feuerwehrleute gefunden werden, bis die Zahl von 63 zusätzlichen Stellen besetzt ist.
Ähnlich sieht es in vielen Städten aus. Auch Duisburg verdoppelt die Einstellungen auf 32 pro Jahr. Warum ist die Aussiebequote so hoch? Das Einstiegsgrundgehalt von etwas mehr als 2000 Euro brutto steht eben in einem prekären Verhältnis zu Risiko, Schichtarbeit und Anforderungen. Eine abgeschlossene Ausbildung wird etwa gefordert. Hinzu kommt, dass gerade alle Städte gleichzeitig suchen.
Gelsenkirchen, Dortmund und andere Städte suchen Personal bei der Bundeswehr
Aber es gibt natürlich auch entspannte Orte wie Gelsenkirchen. „Die EU-Arbeitszeitregelung gibt es ja nicht seit gestern“, sagt Johannes Stegner, Leiter der Feuerwehrschule. „Wir haben schon seit Anfang des Jahres unsere Sollstärke erreicht. Und in der Regel haben wir bei den Bewerbern eine Warteliste von zehn Personen.“ Allerdings ist auch hier die Situation weniger komfortabel geworden. Früher übernahm die Stadt oft jüngere Bergleute von der RAG. Diese Quelle ist so gut wie versiegt, nun kooperieren Gelsenkirchen, Dortmund und andere mit der Bundeswehr, um ehemalige Zeitsoldaten zu gewinnen für die Feuerwehr.
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Gewinnen ist das Stichwort. Über eine Werbekampagne denke man nicht nur in Essen nach, sondern auch auf Verbandsebene, erklärt Christian Kromberg. Nur müssen sich – anders als bei der Polizei – hier viele Städte als Dienstherren einigen. „Wir bieten jetzt als Stadt auch Kombiausbildungen an. Zuerst kann man zum Beispiel Tischler lernen oder eine Bauingenieursstudium machen, bevor man die Feuerwehrausbildung beginnt. Wir werben auch bei der Freiwilligen Feuerwehr, aber es bleibt knapp.“
Migranten und Frauen für die Feuerwehr begeistern
Neue Zielgruppen hat Kromberg im Auge, die sich bis jetzt kaum für die Feuerwehr begeistern ließen. Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen vor allem, deren Anteil bei nur einem Prozent liegt. Die Empfehlungen für den Sporttest jedenfalls habe die Sporthochschule Köln erst kürzlich „gegendert“: Die Klimmzüge, die Frauen besonders schwer fallen, müssen nun nicht mehr sein. Die braucht man eh kaum, wenn’s brennt.