Washington/Kiew. Erneut gibt es Berichte über russische Militärbewegungen in der Ostukraine. Die USA sind besorgt. Ein Treffen des russischen und des ukrainischen Präsidenten hatte Hoffnungen auf eine politische Lösung des Konflikts genährt.

Russland hat nach Angaben der US-Regierung weitere Panzerkolonnen, gepanzerte Fahrzeuge und Raketenwerfer in die Ukraine geschickt. Russische Truppen seien 50 Kilometer hinter der Grenze auf ukrainischem Boden entdeckt worden, ohne dass Details des Einsatzes bekannt wären, teilte das Außenministerium am Mittwoch in Washington mit. Sprecherin Jen Psaki zeigte sich besorgt und sagte, dass der Einfall auf eine russische Gegenoffensive in den seit Wochen umkämpften Städten Donezk und Lugansk hindeute. Zudem seien russische Soldaten zur Beerdigung zurück in ihr Heimatland gebracht worden.

Dass Russland sich zunehmend auf den Süden der gemeinsamen Landesgrenze mit der Ukraine zu konzentrieren scheint, schürt Befürchtungen über eine möglichen Invasion der Hafenstadt Mariupol. Das ukrainische Militär hatte bereits die Vermutung geäußert, dass dort eine "zweite Front" geschaffen werden solle. Prorussische Separatisten wie auch Moskau hatten diese Vorwürfe zurückgewiesen.

Angeblich 100 russische Fahrzeuge im Osten der Ukraine unterwegs

Die Region Mariupol ist die Landverbindung zwischen Russland und der von Moskau im März einverleibten Halbinsel Krim. Zu Vermutungen über eine mögliche russische Landbrücke zur Krim äußerte sich Psaki nicht.

Auch interessant

Ein ukrainischer Militärsprecher erklärte, insgesamt seien mehr als 100 russische Fahrzeuge im Osten der Ukraine unterwegs. Allerdings konnte der nationale Sicherheitsrat in Kiew diese Angaben am Abend nicht bestätigen. Kiew hat in der Vergangenheit schon häufiger von eingedrungenen Militärkonvois aus Russland gesprochen, dafür aber keine stichhaltigen Beweise vorgelegt.

Merkel verlangt Aufklärung von Putin

In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verlangte Bundeskanzlerin Angela Merkel Aufklärung über Berichte zur Präsenz russischer Soldaten auf ukrainischem Territorium. Russland sei aufgerufen, hierzu seinen Teil beizutragen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Merkel habe die große Verantwortung Russlands für eine Deeskalation und für eine Überwachung der eigenen Grenze unterstrichen.

Nach Angaben des Kremls fand das Telefonat auf Initiative der Bundesregierung statt. Putin habe Merkel dabei über einen geplanten zweiten Hilfskonvoi Moskaus für das Krisengebiet informiert. Ein erster Konvoi hatte in den vergangenen Wochen einen heftigen Streit zwischen Moskau und Kiew ausgelöst.

Zuvor hatte die Kanzlerin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko telefoniert. Dabei appellierte sie an beide Seiten, endlich zu einem Waffenstillstand und zu einer zuverlässigen Kontrolle der Grenze zu kommen.

Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe geplant

Am Dienstag hatten Putin und Poroschenko bei einem Treffen in Minsk ihren Willen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts bekräftigt. Kiew wirft Moskau vor, die Separatisten im Osten mit Kämpfern und Waffen zu unterstützen. Bei ihrem ersten direkten Gespräch seit fast drei Monaten vereinbarten sie ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe. Die Runde besteht aus Vertretern Russlands, der Ukraine, der Aufständischen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bot deutsche Unterstützung an. "Wir tun, was wir können, um jetzt den neu geknüpften Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen." Er mahnte Kiew und Moskau, die Gespräche "unverzüglich" fortzusetzen.

"Wir sind nicht daran interessiert, den ukrainischen Staat zu zerstören"

Putin hatte in Minsk darauf bestanden, dass die Aufständischen Ansprechpartner für Kiew seien. Russland könne keine Waffenruhe beschließen. Zur Beruhigung der Lage an der Grenze sollen nach Angaben Poroschenkos Grenzschutz und Generalstäbe beider Länder Beratungen aufnehmen.

Auch interessant

Moskau wies erneut Vorwürfe einer geplanten Annexion der umkämpften Gebiete Donezk und Lugansk zurück. "Wir sind nicht daran interessiert, den ukrainischen Staat zu zerstören", sagte Außenminister Sergej Lawrow. Allerdings dürften russische Bürger in der Ostukraine nicht benachteiligt werden.

Die Kämpfe im Osten der Ukraine gingen ungeachtet aller Appelle auch am Mittwoch weiter. Sowohl die ukrainische Armee als auch die Aufständischen sprachen von Geländegewinnen. (dpa)