Minsk. Kremlchef Putin und der ukrainische Präsident Poroschenko sind nach russischen Angaben beim Krisengipfel in Minsk zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammengekommen. Es ist das erste Treffen seit Anfang Juni. Beide fordern Frieden im Krisengebiet. Doch im Donbass herrschen ganz andere Verhältnisse.

Beim Krisengipfel in Minsk sind Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach russischen Angaben zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammengekommen. Die beiden Staatschefs hätten sich im Anschluss an ein Abendessen zu Verhandlungen zurückgezogen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag in der weißrussischen Hauptstadt. Es ist das erste Treffen von Putin und Poroschenko seit Anfang Juni.

"Gesprächsthemen gibt es sehr viele", sagte Peskow der Agentur Itar-Tass. Erwartet wird, dass die beiden Politiker über die Kämpfe zwischen ukrainischen Regierungseinheiten und prorussischen Separatisten sprechen. Russland fordert eine bedingungslose Feuerpause in der Ostukraine. Kiew wirft Moskau vor, die Aufständischen mit Waffen zu unterstützen.

Ein weiteres Thema könnte nach Peskows Worten Kiews Verhältnis zur von Russland kontrollierten Eurasischen Zollunion und zur EU sein. Mit einer Annäherung der Ukraine an die Europäische Union hatte der Konflikt mit Moskau im vergangenen Jahr begonnen.

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Auf Vorschlag Poroschenkos soll zudem die Kontaktgruppe für die Ukraine-Krise regelmäßig in Minsk tagen, wie der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko mitteilte. Das erste Treffen könnte schon an diesem Mittwoch beginnen. Das Gremium ist ein Gesprächsforum zwischen der ukrainischen Regierung und den Aufständischen unter Vermittlung Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Kontakt-Gruppe hatte sich schon mehrfach getroffen.

Putin und Poroschenko beraten in Minsk

Vor dem Vier-Augen-Gespräch haben die Präsidenten Russlands und der Ukraine im größeren Kreis über Friedenslösungen für die umkämpfte Region Donezk beraten. Die Gespräche am Dienstag im weißrussischen Minsk wurden von neuen schweren Gefechten in der Ostukraine überschattet. Dabei kamen nach Angaben aus Kiew seit Wochenbeginn fast 250 prorussische Separatisten ums Leben. Die russische Führung räumte ein, dass sich eigene Soldaten im Nachbarland aufhielten.

"In Minsk entscheidet sich das Schicksal der Welt und Europas", sagte das ukrainische Staatsoberhaupt Petro Poroschenko in der weißrussischen Hauptstadt. Kremlchef Wladimir Putin forderte die Ukraine zur friedlichen Lösung des Konflikts auf.

Gegenseitige Schuldzuweisungen vermieden

Zu Beginn der Unterredungen gaben sich Putin und Poroschenko die Hand. Es war ihr erstes Treffen seit Juni. Poroschenko warb in Minsk für seinen Friedensplan. Ziel der Gespräche sei, das Blutvergießen in seinem Land zu beenden und einen politischen Kompromiss zu suchen. Er rief russischen Agenturen zufolge die Mitglieder der Eurasischen Zollunion - Russland, Weißrussland und Kasachstan - auf, sich an einer Geberkonferenz für die notleidende Ostukraine zu beteiligen. Beobachtern zufolge vermieden Poroschenko und Putin gegenseitige Schuldzuweisungen.

Während der Minsker Verhandlungen beschloss die prowestliche Regierung der Ukraine, binnen 48 Stunden neues Kriegsgerät für die so genannte Anti-Terror-Operation ins Krisengebiet zu schicken.

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Kremlchef Putin betonte, Moskau sei zu einem weiteren Dialog über die Krise bereit. Die Führung in Kiew müsse zudem mit den Aufständischen verhandeln. An dem Treffen nahm auch eine Delegation aus Brüssel mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton teil.

Große Aufregung lösten in Kiew Berichte über zehn russische Fallschirmjäger aus, die am Rande der Kampfzone in der Region Donezk gefangen worden waren. Die Ukraine wirft Russland vor, die Separatisten mit eigenem Militärpersonal zu unterstützen. Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau bestätigte Agenturen zufolge die Festnahme russischer Soldaten. Es habe sich um eine Grenzpatrouille gehandelt, die an einer nicht markierten Stelle zufällig auf ukrainisches Gebiet gelangt sei, sagte er.

Schwere Gefechte bei Donezk

Die Führung in Kiew und die Aufständischen berichteten von heftigen Gefechten. Innerhalb von 24 Stunden seien fast 250 militante Kämpfer getötet worden, teilte der ukrainische Sicherheitsrat mit. Den Separatisten zufolge wurden zudem mehr als 80 Soldaten getötet oder verletzt und mehr als 40 gefangen genommen, wie russische Agenturen berichteten. Nach Angaben des Sicherheitsrats in Kiew wurden zudem vier Grenzschützer getötet. Bei einem Beschuss der Großstadt Donezk kamen nach Angaben des Stadtrats zudem drei Zivilisten ums Leben.

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Das russische Wirtschaftsministerium erwartet wegen der Ukraine-Krise einen noch massiveren Kapitalabfluss als bisher befürchtet. Vermutlich würden ausländische Investoren im laufenden Jahr mehr als 100 Milliarden US-Dollar (etwa 76 Milliarden Euro) aus Russland abziehen, sagte Behördensprecher Oleg Sassow. Bisher hatte das Ministerium mit maximal 90 Milliarden US-Dollar gerechnet.

Die von Poroschenko ausgerufene Neuwahl des Parlaments am 26. Oktober bezeichneten die Aufständischen als "Provokation". Es werde in den Separatistengebieten im Osten der Ex-Sowjetrepublik keine Abstimmung geben, kündigte einer der Sprecher der militanten Gruppen, Sergej Kawtaradse, an. Er drohte mit "harten Reaktionen". Poroschenko erhofft sich von der vorgezogenen Parlamentswahl mehr Stabilität. (dpa)