Duisburg. Deutsche Waffen für den Irak? Über die Entscheidung der Bundesregierung gibt es einen erbitterten Streit. Mit Militäreinsätzen könne zwar Zeit gewonnen werden, sagt der Friedensforscher von der Uni Duisburg-Essen, Jochen Hippler. Doch dies ersetze keine politische Lösung.

Um den Vormarsch der IS-Terroristen zu bremsen, will die Bundesregierung kurdische Kämpfer im Nordirak mit Waffen ausrüsten. Damit gibt Deutschland den Grundsatz auf, keine Waffen in Kriegsgebiete zu schicken. Über die Hintergründe und die möglichen Folgen dieser Entscheidung sprachen wir mit Jochen Hippler, Politikwissenschaftler am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Uni Duisburg-Essen.

Deutsche Waffen für die Kurden, wie sinnvoll ist das?

Hippler: Sturmgewehre und Munition gibt es in der Region genug. Es kommt also darauf an, um welche Waffen es sich handeln soll. Da hält sich die Bundesregierung bedeckt. Auch völkerrechtlich gibt es ein Problem: Können nichtstaatliche Milizen direkt beliefert werden, an der irakischen Regierung vorbei?

Besteht die Gefahr, dass die Waffen in falsche Hände geraten?

Hippler: Das ist erfahrungsgemäß nicht auszuschließen. Was ist, wenn die kurdischen Peschmerga mit unserer Hilfe bewaffnet werden und es später zu einem Konflikt mit der irakischen Regierung kommt, etwa um die Region Kirkuk, dem Zentrum der irakischen Erdölindustrie? Oder wenn sie die Waffen an die kurdische PKK weiterreichen?

Offiziell steht die PKK auf der Terrorliste. Pikant ist auch, dass mit deutschen Waffen amerikanische Waffen bekämpft werden sollen. Die IS-Kämpfer haben große Mengen amerikanischen Kriegsgeräts in Mossul erbeutet, das die USA zuvor dem Irak geliefert haben.

Kann eine militärische Aufrüstung den Vormarsch der Truppen des „Islamischen Staates“ (IS) kurzfristig stoppen?

Hippler: Luftangriffe und Waffenlieferungen sind im Moment einleuchtende Maßnahmen. Doch das eigentliche Problem ist die Schwäche des irakischen Staates. Die IS-Milizen haben nicht so große Gebiete erobert, weil sie so stark sind, sondern weil die irakischen Soldaten desertiert sind. Mit Militärschlägen kann man Zeit gewinnen, aber keine Lösungen finden. Wenn dieses Problem nicht gelöst wird, erreicht man mit Waffenlieferungen gar nichts. Der Schlüssel liegt darin, IS politisch das Wasser abzugraben. Da sehe ich bisher wenig Ansätze.

Mit Diplomatie und Gesprächen wird man nicht weit kommen...

Hippler: Nein, man muss sie politisch überflüssig machen. Vielen Irakern erscheint der IS gegenüber dem irakischen Staat derzeit als das kleinere Übel. Die schiitische Regierung hat die Sunniten diskriminiert statt sie einzubinden. Dieses politische Machtvakuum machte die radikalen Islamisten stark.

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Wenn die Sunniten im irakischen Staat vertreten und angemessen repräsentiert wären, gäbe es keinen Grund mehr, den IS zu unterstützen. Kurz: Die Schwäche des irakischen Staates ist die Stärke des IS.

Waffen für die Kurden könnten also Zeit schaffen, um politische Lösungen vorzubereiten?

Hippler: Militärische Eingriffe wären ein Zeitgewinn. Aber dann muss man diese Zeit auch nutzen und sie nicht verplempern wie in den vergangenen vier Jahren.

Gibt Deutschland seine außenpolitische Prinzipien auf?

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Hippler: Man muss Nutzen und Schaden abwägen. Es bedeutet tatsächlich eine gewisse Wende in der deutschen Sicherheitspolitik, Waffen in Konfliktregionen zu schicken. Es wäre ein weiterer Schritt hin zu der Position, die Frankreich und Großbritannien einnehmen.

Aber die deutsche Rolle wird militärisch begrenzt sein.

Hippler: Das Ergebnis wird sein, dass die Bundesregierung ein politisches Tabu bricht, doch militärisch wenig bewirkt. Da kann man sich schon fragen, ob man es nicht lieber gleich lassen sollte. Das Bedürfnis mitzumarschieren, ist nicht immer gut begründet.