Essen. . Die niedergelassenen Ärzte fordern deutlich mehr Geld von den gesetzlichen Krankenkassen – allen voran die Mediziner an Rhein und Ruhr. Sie beklagen, dass ein Arzt für die gleiche Leistung in fast jeder anderen Region Deutschlands mehr Honorar von den Kassen erhält als am Nordrhein und in Westfalen.
Am Mittwoch beginnen die Honorarverhandlungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und den Kassen. Die Ärztelobby fordert insgesamt 5,3 Milliarden Euro mehr. Zum einen möchten die Ärzte Leistungen vergütet wissen, die bisher über dem Budget liegen und deshalb nicht vergütet werden. Sie sprechen von zehn Prozent oder 2,3 Milliarden Euro. Um wie vor Jahren vereinbart an das Gehalt eines Klinik-Oberarztes heranzukommen, seien weitere drei Milliarden nötig. Die Kassen wiesen die Forderungen als unangemessen zurück. 2013 erhielten die niedergelassenen Ärzte rund 800 Millionen Euro mehr.
Was hiesige Mediziner besonders stört, sind die immensen regionalen Unterschiede bei der Vergütung. So erhält etwa ein Kinderarzt am Nordrhein für die Behandlung eines kleinen Patienten rund zehn Euro weniger als ein Kollege in Bayern, ein Frauenarzt sieben Euro weniger. Das liegt an der Verteilung der Kassengelder unter den Ländern. „Pro Versicherten erhalten wir 18 Euro weniger als der Bundesdurchschnitt – das führt zu einer strukturellen Benachteiligung Nordrheins, die wir auf Dauer nicht hinnehmen können“, klagt Bernhard Brautmeier, Vizechef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein.
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15 Prozent der Leistungen werden nicht vergütet
Die geringeren Budgets führten dazu, dass in Westfalen sogar 15 Prozent der Leistungen nicht vergütet werden, sagte der dortige KV-Chef Wolfgang-Axel Dryden. Das schrecke „junge Ärzte hierzulande von einer Praxisgründung oder -übernahme ab“.
Das Problem bei den Ärzten ist: Aus dem großen Topf bekommt jeder einzelne einen Anteil, der je nach Himmels- und Fachrichtung sehr unterschiedlich ausfällt. Was ein Arzt verdient, hat viel damit zu tun, wie es seiner Region in den vergangenen Jahrzehnten ergangen ist. Und NRW erging es gerade in den 80er- und 90er-Jahren nicht so gut, der Strukturwandel gerade im Ruhrgebiet hat dafür gesorgt, dass es hier zwar viele kranke Menschen, aber wenig Beiträge zu verteilen gab. An diesem Erbe hat keine Honorarreform etwas geändert. Am Nordrhein und in Westfalen-Lippe verdienen Ärzte pro Patient so wenig wie in kaum einem anderen Bundesland.
Ziel: Möglichst viel für den Gesamttopf
Durch leichte Anpassungen haben einige Arztgruppen in NRW zuletzt etwas aufgeholt, doch an der Maßgabe der früheren Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), jeder Arzt solle für die gleiche Leistung auch das gleiche Honorar erhalten, ist sie selbst und jeder ihrer Nachfolger gescheitert. So lange die bayerische CSU in der Bundesregierung sitzt, wird sich daran auch nichts ändern, hört man aus den hiesigen Kassenärztlichen Vereinigungen.
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Weil das so ist, geht es für die Ärzte in NRW ab Mittwoch darum, möglichst viel für den Gesamttopf herauszuholen, damit auch für sie etwas übrig bleibt. Die Forderungen des Kassenärztlichen Bundesverbandes (KBV) haben es in sich: Für bisher nicht vergütete Leistungen verlangen sie 2,3 Milliarden Euro mehr. Und um die einst verabredete Orientierung der Honorare am Gehalt eines Klinik-Oberarztes einzulösen, das derzeit im Schnitt 133.000 Euro beträgt, brauche es weitere drei Milliarden Euro. Doch in wenigen Berufsgruppen ist der Durchschnitt so theoretisch wie in der Ärzteschaft. Laut Statistischem Bundesamt lag der Reinerlös je Kassenarzt, also der Umsatz nach Abzug der Praxis- und Personalkosten, 2011 bei 166.000 Euro – Privatpatienten eingerechnet.
Unterschiede zwischen Arztgruppen sind gewaltig
Davon gehen laut KBV noch durchschnittlich 47.000 Euro Einkommensteuer, 18.000 Euro für die Altersvorsorge sowie 8.000 Euro für die Kranken- und Pflegeversicherung ab. Auch Investitionen müssen davon bezahlt werden. Große Unterschiede gibt es aber nicht nur regional, sondern auch zwischen den Arztgruppen.
So zahlten die Kassen etwa einem Hausarzt in Westfalen 2013 im Schnitt ein Gesamthonorar von 217.000 Euro, einem Radiologen dagegen 553.000 Euro, einem Psychotherapeuten aber nur 87.000 Euro. Die Unterschiede zwischen den Arztgruppen sind gewaltig, die reinen Honorarzahlen indes auch nicht ohne Weiteres vergleichbar. Denn abzuziehen vom Gesamthonorar sind neben den oben genannten Kosten noch Ausgaben für Personal und Praxis. Und gerade die Investitionskosten in Geräte sind in einer Hightech-Praxis wie der eines Radiologen ungleich höher als beim Hausarzt.