Essen. Den Praxisteams nahm sie die Zeit, den Patienten zehn Euro. Acht Jahre lang sorgte die Praxisgebühr für genervte Gesichter in Deutschlands Arztzimmern. Seit dem 1. Januar 2013 ist die Pflichtabgabe Geschichte. Der Ansturm auf die Praxen bleibt bislang aus.

Nein, von einem außergewöhnlichen Ansturm auf die Praxen nach der Abschaffung der Praxisgebühr weiß Dr. Heiko Schmitz nichts. Schmitz ist Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, die für rund 18 500 Vertragsärzte und Psychotherapeuten aus den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln verantwortlich ist. Über einen unnatürlich starken Anstieg der Patientenzahlen hat sich bislang keiner von ihnen beschwert. Zwar gibt es viel zu tun für die Ärzte, aber das sei typisch für die Jahreszeit.

Von einem zusätzlichen Andrang und den befürchteten längeren Wartezeiten ist auch in Essens Praxen bislang nichts festzustellen. Dafür aber fällt eine deutliche Erleichterung im Arbeitsablauf auf: "Jetzt schieben wir nur noch die Karte ins Lesegerät und schwupp sind wir fertig", sagt eine Mitarbeiterin an der Patientenannahme einer Hausarztpraxis. Auch in Oberhausen oder Kamen sind Mediziner sind froh über das Verschwinden eines Bürokratiemonsters.

360 Millionen Euro für Bürokratie

Eingeführt wurde die Praxisgebühr 2004. Ursprünglich, um die Patienten dazu anzuhalten auf unnötige Arztbesuche zu zu versichten und teure Facharzttermine vorher mit dem Hausarzt abzuklären. Was Ärzte praktisch und Krankenkassen finanziell entlasten sollte, sorgte zugleich für einen ganzen Berg an Arbeit. Der ist nun verschwunden.

"Da wurde ein gewaltiger Ballast von den Schultern genommen", erklärt KV-Sprecher Schmitz. Gut 120 Stunden im Jahr mussten die Praxen durchschnittlich zusätzlich investieren, rechnet die KV Nordrhein vor. Geld einziehen, Quittungen ausfüllen, Abrechnungen schreiben und im schlimmsten Fall noch Mahnungen verschicken. Gesamtkosten für den Mehraufwand: Angeblich rund 360 Millionen Euro. Zeit und Geld das Ärzte und Praxismitarbeiter nun viel lieber in ihren eigentliche Arbeit stecken: Die Patientenversorgung.

Praxisgebühr verfehlte Wirkung

Mit seiner Entscheidung vom 9. November 2012 , die Praxisgebühr abzuschaffen, hat der Bundestag den Praxen scheinbar einen großen Gefallen getan. Für Arztbesucher sollte ein Termin nun ebenfalls angenehmer und vor allem billiger sein. Das die Patienten aber trotz Gebührenfreiheit nicht in Scharen in die Praxen stürmen, ist für Schmitz keine Überraschung. "Grundsätzlichen gehen die Leute immer noch zum Arzt, wenn sie krank sind, sie Hilfe oder ein Rezept brauchen." Daran konnte auch eine Zwangsabgabe wenig ändern.

Mit einem massiven Anstieg der Patientenzahlen rechnet er auch in Zukunft nicht. Schließlich seien ohnehin nur noch rund 50 Prozent der Patienten überhaupt verpflichtet gewesen, die Gebühr zu entrichten. Ausgenommen waren unter anderem viele Rentner und Hartz4-Empfänger. "Die Lenkungsfunktion war längst dahin", urteilt Schmitz.