Berlin/Kiew. Der blutige Konflikt in der Ostukraine belastet das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew erheblich. Ein Ministertreffen in Berlin soll Entspannung bringen. Doch kurz zuvor sorgen ukrainische Forderungen nach ausländischer Militärhilfe für neuen Zündstoff.

Im Kampf gegen prorussische Separatisten hat der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin die EU und die Nato mit Nachdruck um militärische Hilfe gebeten. "Wenn solche Hilfe kommt, dann wäre es für unsere Truppen leichter, vor Ort zu agieren", sagte Klimkin am Sonntag in einem Interview des Deutschlandfunks. Die Gefahr einer russischen Invasion sei allgegenwärtig, ständig würden Kämpfer und Kriegsgerät aus dem Nachbarland einsickern.

Die erneute scharfe Kritik an Moskau kam nur wenige Stunden vor Klimkins Krisentreffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Berlin. An dem Gespräch über Schritte zum Ende der Gewalt wollten am Sonntagabend auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der französische Ressortchef Laurent Fabius teilnehmen. Die Verhandlungen finden genau einen Monat nach dem mutmaßlichen Abschuss eines malaysischen Flugzeugs über der Ostukraine statt. Bei der Tragödie am 17. Juli waren alle 298 Passagiere ums Leben gekommen.

Erbitterte Gefechte zwischen Armee und Separatisten

Steinmeier erklärte, das Treffen in Berlin solle den "politischen Prozess" wieder beleben. Gefragt seien dringend neue Impulse. "Sonst laufen wir Gefahr, auf der Stelle zu treten, wieder Rückschritte zu machen und erneut in eine verschärfte Eskalationsspirale einzutreten." Ziel sei ein Fahrplan "hin zu einer nachhaltigen Waffenruhe und um einen Rahmen für effektive Grenzkontrollen".

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Im ukrainischen Konfliktgebiet gingen die erbitterten Gefechte zwischen Armee und Aufständischen mit unverminderter Härte weiter. Die Separatisten schossen im Raum Lugansk erneut ein Militärflugzeug vom Typ Mig-29 ab. Der Pilot habe sich per Schleudersitz retten können und sei vermutlich geborgen worden, sagte Militärsprecher Leonid Matjuchin in Kiew. Die Suche nach der Maschine sei im Gange.

Die Aufständischen hatten im Kampf gegen Regierungstruppen immer wieder Jets sowie Kampfhubschrauber und Transportflugzeuge zerstört. Die ukrainische Regierung wirft den Separatisten auch vor, die malaysische Boeing 777-200 mit einer Rakete abgeschossen zu haben.

Zehn Zivilisten im Raum Donezk getötet

Einem ukrainischen Militärsprecher zufolge sollen in der vergangenen Nacht von russischem Territorium aus zudem drei Raketenwerfer vom Typ Grad in das von Separatisten kontrollierte Gebiet geschafft worden sein.

Die Separatisten in der Ostukraine erhalten nach eigener Darstellung militärische Unterstützung aus Russland. 30 Panzer sowie 1200 auf russischem Gebiet ausgebildete Kämpfer seien zur Verstärkung gekommen, verkündete ihr Anführer Andrej Sachartschenko in einem Video. Die russische Führung hat eine direkte Beteiligung am Konflikt immer bestritten.

Bei Kämpfen im Raum Donezk seien mindestens zehn Zivilisten getötet worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Acht Menschen wurden verletzt. In Lugansk beschädigte Artilleriebeschuss viele Häuser.

200.000 Menschen in Lugansk ohne Versorgung

Im Streit um humanitäre Unterstützung für die Ostukraine erkannte die Führung in Kiew einen russischen Konvoi offiziell als Hilfslieferung an. Sozialministerin Ljudmila Denissowa bestätigte dem Internationalen Roten Kreuz, dass die Lastwagen insgesamt fast 2000 Tonnen Lebensmittel, Schlafsäcke und Generatoren transportieren, wie die prowestliche Regierung in Kiew mitteilte. Weiter unklar war, wann die etwa 280 Lastwagen den Grenzübergang Donezk/Iswarino durchfahren können. Das Rote Kreuz warte auf Sicherheitsgarantien für den Transport durch das umkämpfte ukrainische Territorium, hieß es.

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Die weißlackierten Lastwagen waren am 12. August im Raum Moskau losgefahren und standen zum Großteil am Sonntag zunächst weiter etwa 30 Kilometer vor der Grenze bei Kamensk-Schachtinski. 16 der Fahrzeuge erreichten nach Medienberichten den Übergang Donezk/Iswarino und wurden dort geparkt. Moskau wirft Kiew aber vor, die Hilfe mit bürokratischen Hürden zu blockieren. Die Lieferung ist für die Stadt Lugansk bestimmt. Etwa 200.000 Einwohner sind in der Separatistenhochburg seit zwei Wochen ohne Versorgung.

Die Ukraine lehne den russischen Hilfskonvoi nicht ab, betonte Außenminister Klimkin. Moskau müsse aber die Kontrolle über die Kolonne an der Grenze komplett dem Roten Kreuz übergeben.

Statuen von Lenin gestürzt

Eine baldige Mitgliedschaft seines Landes in der Nato schloss Klimkin aus. Es gebe in der Ukraine zurzeit "keinen politischen und keinen gesellschaftlichen ?Konsensus dafür." Klimkin ist seit Juni im Amt, zuvor vertrat er sein Land zwei Jahre lang als Botschafter in Berlin.

In mehreren von der ukrainischen Armee zurückeroberten Orten stürzten Unbekannte unterdessen Statuen des Revolutionsführers Lenin. Die Täter hätten die Figuren mit Seilen zu Fall gebracht, teilte die Polizei mit. Viele Ukrainer sehen Denkmäler von Lenin (1870-1924) als unerwünschtes Relikt der sowjetischen Vergangenheit ihres Landes. (dpa)