Incirlik/Erbil. Im Kampf gegen die Einheiten des sogenannten Kalifats “Islamischer Staat“ haben die kurdischen Peschmerga den Mossul-Staudamm zurückerbobert. Er versorgt die Region mit Trinkwasser. Gleichzeitig werden immer mehr Massaker bekannt, die die islamistischen Terroristen in besetzten Gebieten anrichten.

Im Kampf gegen die Islamisten im Nordirak haben kurdische Soldaten den strategisch wichtigen Mossul-Staudamm zurückerobert. Peschmerga-Truppen griffen am Sonntag mit US-Luftunterstützung mehrere Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an, wie die unabhängige irakische Nachrichtenseite Al-Sumaria News meldete. Der Mossul-Staudamm ist als größter des Landes von entscheidender Bedeutung für die Trinkwasserversorgung und Stromerzeugung im Irak.

Die kurdischen Truppen hätten "80 Prozent des Dammes" unter Kontrolle und der IS-Miliz "große Verluste" zugefügt, zitierte das kurdische Nachrichtenportal Rudaw einen Politiker. Nach Angaben beider Medien gehen die Kämpfe weiter. Das US-Zentralkommando in Tampa (Florida) teilte zudem mit, Kampfjets und unbemannte Drohnen hätten 14 erfolgreiche Schläge gegen IS-Stellungen nahe dem Staudamm ausgeführt.

Die militanten Islamisten hatten den Staudamm, der rund 40 Kilometer nördlich von Mossul liegt, Anfang August eingenommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Nordirak mangels Widerstands der irakischen Armee von den IS-Kämpfern förmlich überrannt.

Augenzeugen berichten von Massakern

Unabhängig von den US-Angriffen auf IS-Stellungen im Nordirak flog am Sonntag auch die syrische Luftwaffe mehrere Angriffe in den ostsyrischen Provinzen Al-Rakka und Dair as-Saur. Dort wurden nach Angaben der syrischen Nachrichtenagentur bei insgesamt 41 Luftschlägen mehrere IS-Stellungen zerstört. 31 Extremisten sollen getötet worden sein. Al-Rakka gilt als Hauptstadt des selbst ernannten Kalifats der militanten Islamisten. Anfang August hatten IS-Kämpfer die letzten syrischen Soldaten aus der ölreichen, an den Irak angrenzenden Provinz vertrieben.

In beiden Ländern haben die Extremisten nach Angaben von Menschenrechtlern in den vergangenen beiden Wochen mehrere hundert Menschen getötet. Allein in der ostsyrischen Provinz Dair as-Saur habe die Miliz 700 Stammesangehörige umgebracht, die nicht für sie kämpfen wollten, teilte die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Am Freitag sollen zudem rund 300 Männer der religiösen Minderheit der Jesiden von IS-Kämpfern im Nordirak getötet worden sein, berichtete die Hilfsorganisation Help unter Berufung auf Flüchtlinge aus der Sindschar-Region. Tausende Frauen und Kinder seien dort verschleppt worden.

Hunderttausende auf der Flucht

Die Schreckensherrschaft der Terrormiliz treibt Hunderttausende zur Flucht. Allein im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak leben derzeit nach UN-Angaben rund 350 000 irakische und 220 000 syrische Flüchtlinge. "Die Menschen, die ich getroffen habe, haben eine panische Angst vor den Kämpfern des Islamischen Staates", schilderte der Help-Nothilfekoordinator Friedhelm Simon. Help versorgt derzeit im Nordirak rund 14 000 Binnenflüchtlinge mit Nahrungsmitteln.

Die syrischen Menschenrechtler berichteten, die militanten Islamisten würden jeden töten, der ihnen die Gefolgschaft verweigere. So seien die 700 Männer des Stammes Al-Schuaytat getötet worden, weil sie nicht bereit gewesen seien, für den Islamischen Staat zu kämpfen.

Auch die im Nachbarland Irak getöteten Jesiden waren Berichten zufolge vor die Wahl gestellt worden, zum von den Extremisten anerkannten sunnitischen Islam zu konvertieren. Die ethnische Minderheit der Jesiden glaubt an einen Islam, den die Extremisten als "Teufelsanbeterei" verunglimpfen.

Erste deutsche Hilfslieferungen im Kurdengebiet eingetroffen 

Die ersten deutschen Hilfslieferungen in den Nordirak sind am frühen Sonntagmorgen abgeschlossen worden. "Es ist alles da", sagte der Kommandoführer der Bundeswehr, Roman Lau, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur im türkischen Incirlik. Insgesamt brachte die Bundeswehr 36 Tonnen an Lebensmitteln und Sanitätsmaterial zum Flughafen in Erbil im nordirakischen Kurdengebiet. Dorthin hatten sich Zehntausende Jesiden, Christen und andere Vertriebene gerettet, die vor der Terrormiliz Islamischer Staat geflüchtet waren.

Am Sonntagmorgen um 7.15 Uhr Ortszeit kehrte das letzte Transall-Transportflugzeug der Bundeswehr aus dem Irak nach Incirlik zurück. "Es hat während der Flüge keine signifikanten Zwischenfälle gegeben", sagte Lau. Die insgesamt fünf Transall der Bundeswehr sollten die US-Airbase in Incirlik noch im Laufe des Sonntags wieder verlassen und nach Deutschland zurückfliegen. Die Hilfsflieger waren am Freitagmorgen vom schleswig-holsteinischen Hohn aus gestartet.

Deutsche Helfer betreuen Flüchtlinge im Nordirak

Helfer der Bonner Organisation "Help" sind derweil in der kurdisch-irakischen Grenzregion eingetroffen. Sie verteilen in der Stadt Silopi Lebensmittel und Medikamente an Flüchtlinge aus dem Irak. Vor Ort sind auch der Notfallkoordinator Friedhelm Simon aus Siegburg und der Arzt Volker Echtermeyer.

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Simon sprach am Samstag von Hunderten traumatisierten und geschwächten Menschen, die in den Lagern vorläufig Schutz vor islamischen Terroristen gefunden hätten. Viele Tausende stünden aber noch auf irakischer Seite, viele ohne Pässe und gültige Papiere, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die türkischen Behörden versuchten, alle Einreisenden zu registrieren.

Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser nicht optimal

Die Flüchtlinge seien Jesiden, die Gräueltaten ausgesetzt waren. "Sie haben uns auf ihren Handys schockierende Bilder von Ermordeten gezeigt", sagte Sinmon. Viele stammten aus der Region um den Mossul-Staudamm und hätten ihre Heimat in panischer Angst vor der angedrohten Sprengung der Staumauer verlassen. Wer entkommen sei, wolle auf keinen Fall wieder zurück, sondern weiter über die Türkei nach Europa, wo viele Menschen Verwandte und Freunde hätten.

Der Notfallkoordinator Simon organisiert zusammen mit den kurdischen Gesundheitsbehörden vor Ort medizinische Hilfe und den Einsatz von Ärzteteams. "Die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln ist noch nicht optimal", sagte er. Am Sonntag wollten die "Help"-Mitarbeiter weiter in die irakische Stadt Dohuk.

Der Bonner Verein "Help - Hilfe zu Selbsthilfe" ist Mitglied im Bündnis "Aktion Deutschland Hilft", einem Zusammenschluss deutscher Hilfsorganisationen. (dpa)