Berlin. Zunächst hat die Bundesregierung gezögert — jetzt macht sie bei der Unterstützung der Kurden im Irak Tempo. Möglichst schnell soll Schutzausrüstung für den Kampf gegen die Terrormiliz IS geliefert werden. Waffenexporte bleiben in der Koalition dagegen umstritten.

Die Bundesregierung bereitet ihre Rüstungslieferungen an die Kurden im Irak mit Hochdruck vor. "Das kommt in den Nordirak genau zu denen, die gegen den IS kämpfen", erklärte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin". "Völkerrechtlich ist es so, dass formal die irakische Regierung, die ja auch um Hilfe gefleht hat und bittet, das bekommt. Aber pragmatisch geht es direkt in den Nordirak."

Die Bundesregierung hatte sich am Dienstag nach anfänglichem Zögern dafür entschieden, Rüstungsgüter wie Fahrzeuge oder Schutzausrüstung für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu liefern. Auch Waffenlieferungen schließt die Regierung nicht mehr aus. In der Koalition ist das aber hoch umstritten.

Unionspolitiker gegen Waffenlieferungen

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Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), warnte vor deutschen Waffenlieferungen. "In einer derart unübersichtlichen Situation, in der wir keine wirkliche Kontrolle über den Verbleib dieser gelieferten Waffen haben, sollte von Rüstungsexporten abgesehen werden", sagte er. "Eine Abkehr davon würde einen grundlegenden Wandel der deutschen Außenpolitik darstellen, der nicht einfach von der Regierung ohne parlamentarische Beteiligung beschlossen werden darf."

CSU-Bundesminister Christian Schmidt verteidigte dagegen die Pläne der Bundesregierung. "Die Menschen brauchen nicht nur Wasser und Nahrung, sondern auch Mittel, um sich zu schützen", sagte der CSU-Politiker. Der Agrarminister führt in der CSU den Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik.

Luftwaffe fliegt Bundeswehr-Ausrüstung ins Krisengebiet

Die Rüstungsgüter sollen aus Bundeswehrbeständen kommen und unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe so schnell wie möglich ins Krisengebiet geschafft werden. Konkret wird derzeit beispielsweise die Lieferung von Unimogs geprüft. Die Bundeswehr hatte seit Ende der 70er Jahre 18 000 dieser zwei Tonnen schweren Lastwagen angeschafft. Aber auch die Lieferung von Betten, Zelten, Schutzwesten oder Einsatzverpflegung ist möglich.

"Wir sind auf gutem Wege, dort schnell liefern zu können", sagte von der Leyen. Auch werde geklärt, wie das Material mit den notwendigen Flugrechten zum Ziel gebracht werden könne. Die Türkei sei als direkter Nachbar in diesem Zusammenhang hilfreich.

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Am wahrscheinlichsten gilt ein Lufttransport des Materials ins kurdische Erbil. Bei einer Lieferung von Fahrzeugen wären die Transall-Transportflugzeuge der Bundeswehr ungeeignet, weil sie zu klein sind. Allerdings gibt es die Möglichkeit, Unimogs mit gemieteten Antonow-Fliegern zu transportieren.

Auch Frankreich und Großbritannien unterstützen Kurden 

Frankreich will als erstes europäisches Land Waffen an die kurdischen Eimnheiten im Irak liefern. Die Vorbereitungen dafür seien bereits in den vergangenen Tagen getroffen worden, teilte Präsident François Hollande in Paris mit. Bagdad sei damit einverstanden. Die französischen Waffenlieferungen sollten noch am Mittwoch auf den Weg gebracht werden. Zur Art der gelieferten Waffen gab es zunächst keine Angaben. Frankreich hatte in den vergangenen Tagen erfolglos versucht, eine europäische Einigung zu erreichen.

Zuerst hatten die USA Waffenlieferungen auf den Weg gebracht. US-Medienberichten zufolge handelt es sich um Panzerabwehrwaffen, Munition und andere Waffen.

Keine einheitliche Linie der EU

Großbritannien wird neben seiner humanitären Rolle auch militärische Ausrüstung für die Kurden transportieren. Tschechien plant nach eigenen Angaben die Lieferung von Militärmaterial. In den Niederlanden prüfte das Verteidigungsministerium am Mittwoch, ob sich das Land am "strategischen Transport von Gütern in den Nordirak" beteiligen kann. Die christlichen Oppositionsparteien CDA, ChristenUnie und SGP hatten die Regierung zu einer aktiveren Rolle innerhalb der EU aufgefordert. Am weitesten geht die radikalkonservative Reformierte Politische Partei (SGP), die sich bisher als einzige einen direkten militärischen Beitrag vorstellen kann und den Einsatz von F16-Kampfjets ins Gespräch brachte.

In einer Krisenrunde hatten sich die Staaten zuvor nicht auf eine einheitliche Linie einigen können, ob und in welcher Form Zivilisten und die gegen die islamistischen Terroristen im Irak kämpfenden Einheiten unterstützt werden sollen. Deshalb entscheidet nun jeder EU-Staat für sich, wie er vorgeht. (dpa)