Berlin. Also doch Militärhilfe aus Deutschland für den Irak: Nach anfänglichem Zögern erklärt sich die Bundesregierung zu Rüstungsexporten bereit. Die Armee des Landes soll von der Bundeswehr Ausrüstung für ihren Kampf gegen die IS-Miliz bekommen. Waffen sollen aber nicht geliefert werden - vorerst.
Die Bundesregierung will die irakische Armee im Kampf gegen die Terrormiliz IS mit Rüstungsgütern wie gepanzerten Fahrzeugen und Sprengfallen-Detektoren unterstützen. Sie sollen aus Bundeswehrbeständen kommen und unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe so schnell wie möglich ins Krisengebiet geschafft werden, wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag in Berlin sagte. Auch Waffenlieferungen schließt die Bundesregierung nicht mehr kategorisch aus.
"Ich bin angesichts der dramatischen Lage dafür, bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren zu gehen", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch). Bisher hatte die Bundesregierung lediglich humanitäre Hilfe für den Irak zugesagt.
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Es gehe um Tage, sagt von der Leyen
Die zusätzliche Unterstützung kündigte von der Leyen nach einem Treffen mit ihrem britischen Amtskollegen Michael Fallon an. "Ziel ist es, dass wir mit großer Geschwindigkeit europäische Hilfe leisten können", sagte sie. "Wir sprechen eher über Tage."
Die Ausrüstung geht nur an die irakische Armee und nicht an die kurdischen Kräfte, die im Norden des Landes gegen die IS kämpfen. Umfang und Art der Militärhilfe ist noch unklar.
"Nicht-tödliche" Ausrüstungsgegenstände
Zur Frage, ob zu einem späteren Zeitpunkt Waffenlieferungen möglich sein könnten, sagte die Verteidigungsministerin: "Zurzeit prüfen wir ausschließlich nicht-lethale (nicht-tödliche) Ausrüstungsgegenstände." Unbenommen dessen gebe es eine politische Debatte, die durchaus geführt werden müsse. "Wenn nachher die Frage im Raum steht, einen Genozid zu verhindern, dann müssen wir Dinge intensiv auch innerhalb Deutschlands noch einmal miteinander diskutieren."
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Ähnlich hatte sich zuvor SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel nach einem Treffen mit Vertretern der jesidischen Gemeinde in Deutschland geäußert. "Das ist die Vorbereitung eines Völkermords, eines Genozids. Um nichts anderes geht es dort", sagte er. "Die Glaubens- und Kulturgemeinschaft der Jesiden im Irak soll ausgerottet werden."
Waffen an die Peschmerga-Kämpfer?
Der Vizekanzler unterstützt eine Forderung der Jesiden, dass die internationale Gemeinschaft und die irakische Armee Schutzzonen für die religiöse Minderheit im Nordirak errichten sollten. Deutsche Waffenlieferungen an kurdische Peschmerga-Kämpfer oder das irakische Militär lehnte Gabriel zum jetzigen Zeitpunkt ab, schloss diesen Schritt für die Zukunft aber nicht prinzipiell aus.
Der Westen müsse sich die Freiheit nehmen, die Situation jederzeit neu zu bewerten, um dann zu entscheiden, was notwendig sei, um einen Völkermord durch die IS-Terroristen zu verhindern. Je nach Entwicklung in der Region werde Deutschland im Rahmen der EU "über alle Fragen der Hilfe reden müssen" - also auch über Waffen.
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Schnelle Entscheidung, späte Reue
Eine Aufrüstung etwa der regulären irakischen Armee aus Deutschland sei rechtlich grundsätzlich möglich. Allerdings sei die Lage in Bagdad völlig unübersichtlich. So warnte Gabriel bei Waffenlieferungen vor überhasteten Entscheidungen, die man möglicherweise später bereue. Die Erfahrung sei, dass solche Waffen in einer Krisenregion blieben.
Linksfraktionschef Gregor Gysi stieß mit seinem Ja zu Waffenlieferungen in den Irak unterdessen auf Widerstand in den eigenen Reihen. Seine beiden Stellvertreter Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch stellten sich am Dienstag gegen ihn. "Waffenlieferungen in Spannungsgebiete unverantwortlich", twitterte Wagenknecht. Die Position der Linken bleibe: Rüstungsexporte seien Geschäfte mit dem Tod und gehörten verboten. Ähnlich äußerte sich Bartsch in der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch): "Ich finde, dass in der Region schon genug Waffen sind. Deutschland sollte beim Waffenexport entschlossen auf die Bremse treten." (dpa)