Essen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen untersucht, ob der Staat Fahrzeughalter in finanzielle Haftung nehmen kann, die mit der Aussage “Ich bin nicht gefahren und weiß nicht, wer am Steuer gesessen hat“ eine Beteiligung an einem Verkehrsverstoß bestreiten. Doch es gibt verfassungsrechtliche Bedenken.

Die Bundesregierung prüft eine einschneidende Kurskorrektur im Verkehrsrecht: Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) untersucht, ob der Staat Fahrzeughalter in finanzielle Haftung nehmen kann, die mit der Aussage "Ich bin nicht gefahren und weiß nicht, wer am Steuer gesessen hat" eine Beteiligung an einem Verkehrsverstoß bestreiten.

Zwar soll gegen sie aus verfassungsrechtlichen Gründen auch in Zukunft kein Bußgeld verhängt werden. Ihnen droht bei einem positiven Ergebnis der laufenden Prüfung aber eine Rechnung über Kosten, die der Polizei durch die Ermittlung des tatsächlichen und vom Halter verschwiegenen Verkehrssünders entstanden sind. Die Kölner Behörde ist vom Bund beauftragt worden, die "Ausdehnung der Kostenpflicht auf den fließenden Verkehr" zu untersuchen, wie ein BaSt-Sprecher der dieser Redaktion bestätigte. Ergebnisse will die Anstalt, die auch die Erfolgsquote bei Fahrerermittlungen überprüfen wird, im Herbst vorlegen.

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Ruhender Verkehr

Deutschland ist eines von wenigen Ländern in denen die so genannte Halterhaftung ausschließlich für den ruhenden Verkehr – also für Verstöße gegen Park- und Halteverbote – gilt. Bei Delikten im fließenden Verkehr muss nach deutschem Recht auf jeden Fall der verantwortliche Fahrer ermittelt werden. Fachleute rechnen vor, dass die Kosten für eine Fahrerermittlung bei einem durchschnittlichen Tempo-Knöllchen bei 20 bis 25 Euro liegen.

Hohe Ausfallquoten

Peter Schlanstein, Polizei-Dozent an der Fachhochschule Münster: "Experten gehen davon aus, dass – sogar bei den Geschwindigkeitsverstößen mit Frontfoto des Fahrers – an einzelnen Messstellen teilweise Ausfallquoten bis zu 40 Prozent bestehen, weil der Verantwortliche nicht zu ermitteln ist". Im Fachorgan der Gewerkschaft GdP, "Deutsche Polizei", hat ein anderer leitender Polizist kürzlich kritisiert, gerade bei kommunalen "Blitzern" sei die Bild-Qualität oft so schlecht, dass der Verkehrssünder unbehelligt bleibe.

Der Goslarer Verkehrsgerichtstag will noch weiter gehen und über die Forderung nach einer grundsätzlichen Halterhaftung diskutieren. Dann würde die Feststellung des Kennzeichens reichen, um Bußgelder gegen Halter zu verhängen. Eine generelle Halterhaftung in Deutschland würde die Vollstreckung von Bußgeld im EU-Ausland erleichtern, die heute wegen unterschiedlicher Rechtssysteme schwierig ist.