Berlin. . Die Polizeigewerkschaft fordert, dass bei Temposünden im Zweifelsfall der Autohalter haften soll. Derzeit komme „fast jeder zweite Raser mit irgendwelchen Ausreden davon.“ Aus Sicht des ADAC verstoße die Bestrafung des Halters statt des Fahrers allerdings gegen das so genannte Schuldprinzip.
Bleibt der Fahrer unerkannt, soll der Autohalter für Temposünden haften. Das fordert der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Im Gespräch mit dieser Zeitung beklagte Wendt, an einzelnen Radarmessstellen betrage die Ausfallquote bis zu 40 Prozent: „Fast jeder zweite Raser kommt mit irgendwelchen Ausreden davon.“ Entweder seien die Fotos schlecht oder der Halter weigere sich, den Fahrer zu nennen.
„Wir wollen, dass die Halterhaftung in Deutschland eingeführt wird“, so Wendt. Das sei die Gesetzeslage auch in anderen EU-Staaten wie Frankreich, Irland, Griechenland, Niederlande, Spanien und Österreich. Wendt hält eine ähnliche Praxis in Deutschland für rechtlich zulässig.
„Sie können nicht entkommen“
Zum einen wäre es ein Signal an die Raser. Wendt: „Sie können nicht entkommen.“ Zum anderen könnte man die Polizei entlasten, die bisher in Zweifelfällen anhand von Fotos die Fahrer ermitteln müssen. Beamte oder öffentliche Bedienstete suchen in der Nachbarschaft des Autohalters – oder auch auf seiner Facebook-Seite – nach Hinweisen auf die Identität des Fahrers. „Was uns umtreibt, ist der sinnvolle Personaleinsatz“, so Wendt.
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Er schätzt, dass die Jahresarbeitszeit von mindestens 2000 Polizisten nötig sei, „um faule Ausreden von Rasern zu widerlegen“. Allein in Berlin wären damit rein rechnerisch 100 Polizisten gebunden.
In der Pflicht sieht Wendt den Bund. Allerdings sei die Halterhaftung „nicht gerade ein Beliebtheitsthema“. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wie Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hätten bisher zurückhaltend reagiert. Wendt kündigte einen Vorstoß bei NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) an. NRW übernimmt 2014 den Vorsitz der Innenminister-Konferenz. Den Innenministern fehle mehr Geld für Personal, also sollten Beamte besser eingesetzt werden: „Manchmal zwingt die Not zu vernünftigen Lösungen. Das ist in der Politik sehr häufig so.“
ADAC: Halterhaftung verstößt gegen die Verfassung
Der ADAC lehnte eine Halterhaftung für Verstöße im fließenden Verkehr ab. Die Bestrafung des Halters statt des Fahrers verstoße gegen das so genannte Schuldprinzip. Das besagt: Keine Strafe ohne Schuld. Ohne eine Verfassungsänderung sei ein neues Gesetz unmöglich, erklärte der ADAC unserer Zeitung. Das heutige System, wonach der verantwortliche Fahrer zu ermitteln und zu belangen sei, habe sich bewährt.