Tampa/Bagdad. Auch weitere US-Angriffe gegen die IS-Terrormiliz im Irak werden keine schnelle Lösung des Problems bringen. US-Präsident Obama ist sich sicher: Das ist ein Langzeit-Projekt.
Die USA haben am Samstag vier neue Luftangriffe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgeführt. Wie das US-Zentralkommando in Tampa (Bundesstaat Florida) mitteilte, galten die Operationen dem Schutz der nordirakischen Jesiden, die vor den Gräueltaten der Dschihadisten in das Sindschar-Gebirge geflüchtet sind und von den Terroristen willkürlich angegriffen worden seien. Alles deute darauf hin, dass die Angriffe erfolgreich gewesen seien.
Auch versorgten US-Flugzeuge die Menschen in Sindschar-Gebirge zum dritten Mal mit Wasser und Lebensmittel, teilte das Zentralkommando in der Nacht zum Sonntag mit. Bisher seien damit mehr als 52.000 Packungen Fertigessen und Behälter mit mehr als 40.000 Liter Wasser abgeworfen worden.
Obama: "Es ist wird ein Langzeit-Projekt sein"
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor erneut betont, dass der Militäreinsatz der USA begrenzt sei und keine Bodentruppen in den Irak zurückkehren würden. Es werde weitere Luftangriffe geben, wenn dies zum Schutz der Amerikaner oder religiöser Minderheiten im Land nötig sei. Auf einen Zeitrahmen dafür, wie lange diese Operationen andauern könnten, legte er sich nicht fest.
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Stattdessen verwies Obama wiederholt darauf, dass die USA das Problem letztendlich nicht lösen könnten, auch nicht militärisch. "Wir können das nicht für sie erledigen", sagte er am Samstag vor seiner Abreise in einen rund zweiwöchigen Urlaub auf Martha's Vineyard. Nötig sei die Bildung einer Regierung im Irak, die die religiöse und gesellschaftliche Vielfalt im Land widerspiegele. Er glaube nicht, sagte Obama mit Blick auf den Kampf gegen die IS-Miliz, "dass wir dieses Problem innerhalb von Wochen lösen können...Es ist wird ein Langzeit-Projekt sein."
Am Sonntag will das Parlament erneut über eine Regierungsbildung beraten. Bislang war eine Einigung am Streit der politischen Blöcke gescheitert.
US-Kampfflugzeuge hatten am Freitag in zwei Angriffswellen Stellungen der Terrormiliz in der Nähe der Stadt Erbil geflogen. Dabei kamen neben F-18-Jets eines Flugzeugträgers auch Predator-Kampfdrohnen zum Einsatz. Die US-Regierung begründet die Luftangriffe mit dem Ziel, eigene Landsleute im Irak zu schützen sowie den Vormarsch der IS-Extremisten und die Verfolgung christlicher und anderer Minderheiten zu stoppen.
Bei der humanitären Hilfe für die nordirakischen Jesiden hätten der französische Präsident François Hollande und der britische Regierungschef David Cameron in Telefonaten Unterstützung zugesagt, berichtete Obama.
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Großbritannien schickte nach Angaben von Entwicklungshilfeministerin Justine Greening zwei Transportflugzeuge mit Hilfsgütern auf die Reise. Darunter seien Trinkwasser, Zelte und Solarzellen unter anderem zum Aufladen von Mobiltelefonen. Frankreich werde in den nächsten Stunden eine erste Lieferung mit Hilfsgütern auf den Weg bringen, berichtete der Elysée-Palast nach einem Telefonat Hollandes mit dem Präsidenten der kurdischen Autonomiegebiete, Massud Barsani. Obama und den USA sicherte Hollande die volle Unterstützung Frankreichs zu.
Die von den sunnitischen Extremisten als Ungläubige verfolgten Jesiden waren mehrere Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten, bevor US-Maschinen in der Nacht zum Freitag erste Hilfslieferungen abwarfen. Kurdische Medien berichteten, dass IS-Extremisten auf Flüchtlinge schossen, die versuchten, das Gebirgsmassiv in Richtung Syrien oder Kurdistan zu verlassen. Nach örtlichen Medienberichten konnten Peschmerga-Soldaten inzwischen 10 000 Jesiden durch einen Schutzkorridor in Sicherheit bringen.
Nach Angaben des Zentralrats der Jesiden in Deutschland warten aber noch 200 000 Angehörige der Religionsgemeinschaft in ihren Dörfern in der Region Sindschar auf Hilfe. Mehrere Tausend Jesiden demonstrierten am Samstag in Bielefeld gegen die IS-Gräuel im Nordirak. "Das ist kein Krieg sondern Völkermord", "Stoppt IS", stand auf Plakaten. Die Demonstration verlief zunächst friedlich.
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Laut einem aktuellen UN-Bericht beherbergt die kurdische Autonomieregion im Nordirak mittlerweile über 600 000 Flüchtlinge. 380 000 Iraker sind seit den Angriffen des Islamischen Staates in die weitestgehend stabile Region im Norden des Landes geflohen; hinzu kommen rund 230 000 Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg.
Nach UN-Angaben sind allein seit Montag rund 200 000 Menschen vertrieben worden, rund 40 000 davon aus Kirkuk. Die meisten stammten aus christlichen und jesidischen Dörfern. Weiterhin seien noch Tausende vornehmlich jesidische Familien im irakischen Sindschar-Gebirge eingeschlossen. Die UN-Mission im Irak schätzt deren Zahl auf 15 000 bis 55 000. (dpa)