Washington. Nach dem Vormarsch der radikalislamischen IS-Miliz im Nordirak haben die USA reagiert. Am Freitag begann die amerikanische Luftwaffe mit Angriffen auf die Extremisten. Das teilte ein Sprecher des Pentagons mit. Flugzeuge nahmen Artilleriegeschütze der IS in der Nähe der Stadt Erbil ins Visier.
Erstmals seit Beginn der Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak haben die USA am Freitag Luftangriffe gegen die Extremisten geflogen. Kampfjets hätten bei einer ersten Angriffswelle Artilleriegeschütze der Terroristen nahe der nordirakischen Stadt Erbil bombardiert, teilte Pentagonsprecher John Kirby mit. Dort befindet sich ein Generalkonsulat der USA, außerdem halten sich US-Militärberater in der Stadt auf.
Bei einem zweiten Luftschlag am Abend seien wiederum Artilleriestellungen und Fahrzeuge der IS-Extremisten mit einer Drohne und F-18-Kampflugzeugen angegriffen worden. Dabei seien auch Laserbomben abgeworfen worden, sagte Kirby. Die Terroristen seien "angegriffen und erfolgreich eliminiert" worden.
US-Präsident Barack Obama hatte die Luftschläge zum Schutz amerikanischer Militärs und bedrohter Minderheiten im Nordirak genehmigt. In einer Ansprache im Weißen Haus kündigte er am Donnerstagabend zugleich einen Hilfseinsatz für die Flüchtlinge im Nordirak an. Seit der Eroberung der nordirakischen Stadt Mossul durch die IS-Milizen im Juni sind Hunderttausende Menschen auf der Flucht.
Zugleich verstärkten kurdische und irakische Einheiten ihre Angriffe auf die Dschihadisten. Zehntausende Angehörige der jesidischen und der christlichen Minderheiten versuchten weiter, sich vor den äußerst brutalen Extremisten in Sicherheit zu bringen. Die UN bereiteten einen humanitären Korridor für die Hilfsbedürftigen vor.
Beim ersten US-Luftangriff hatten laut Pentagon zwei F18-Kampfjets 220 Kilogramm schwere, lasergelenkte Bomben auf eine mobile Artillerieeinheit abgeworfen. Laut CNN wurden die Angriffe mit Kampfjets vom Flugzeugträger "George H.W. Bush" geflogen, der bereits im Juni in den Persischen Golf verlegt worden war.
Vor den Luftangriffen hatten drei US-Frachtflugzeuge und zwei Kampfjets 8000 Fertigmahlzeiten und 20 000 Liter Wasser über dem Sindschar-Gebirge im Nordirak abgeworfen. Damit sollte den Tausenden Jesiden und Christen, die sich aus Angst vor Verfolgung und Gewalt vor den sunnitischen Extremisten verstecken, geholfen werden. Auch Großbritannien schickte Flugzeuge, um Lebensmittel abzuwerfen.
Der UN-Sicherheitsrat in New York rief alle Staaten auf, die Regierung in Bagdad gegen die Extremisten zu unterstützen. "Wir sind empört, dass Zehntausende Menschen zur Flucht gezwungen wurden", hieß es in der Erklärung. Menschen würden nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Glaubens oder ihrer politischen Ansichten verfolgt und ermordet. "Alle Seiten müssen zusammenarbeiten, um Iraks Souveränität, Einheit und Unabhängigkeit zu sichern."
Frankreich begrüßte das Eingreifen der USA. Frankreich sei bereit seinen Teil dazu beizutragen, um gemeinsam mit den USA und anderen Partnern dem Leiden der Zivilbevölkerung ein Ende zu bereiten. Mögliche Maßnahmen würden geprüft, hieß es in der Mitteilung aus dem Élyséepalast ohne weitere Erläuterungen.
Die Bundesregierung stellte 2,9 Millionen Euro für die Bewältigung des Flüchtlingsdramas zur Verfügung. Weitere Hilfen seien möglich, hieß es. Die Ermordung, systematische Vertreibung oder Zwangskonversion von Christen, Jesiden und anderen religiösen Minderheiten durch die Terroristen bedeute eine "neue Dimension des Schreckens", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Das jüngste Vorgehen der IS-Miliz zeige, wie hochgefährlich diese Gruppe für Frieden und Stabilität in der gesamten Region sei.
Nach Angaben der kurdischen Nachrichtenseite "Rudaw" waren 50 000 Jesiden nach ihrer Flucht vor den Dschihadisten tagelang in dem Gebirge eingeschlossen. Mindestens 70 Menschen seien an Unterversorgung gestorben. Viele würden sich inzwischen von Blättern ernähren, berichten Augenzeugen. Einem Bericht des kurdischen Nachrichtenportals "Basnews" zufolge konnten kurdische Soldaten inzwischen eine große Zahl der Flüchtlinge in Sicherheit bringen.
Bei den Kämpfen gegen die Terrormiliz wurden nach Angaben der Autonomieregierung im Nordirak seit Juni insgesamt 150 kurdische Soldaten (Peschmerga) getötet. 500 weitere seien verwundet worden. Die Peschmerga-Armee reorganisiere sich derzeit neu, sagte der Stabschef im Präsidialamt, Fuad Hussein. Er betonte aber, dass die Dschihadisten über moderne Waffen verfügten, die sie der irakischen Armee abgenommen hätten. Zugleich bestätigte er, dass sich der strategisch wichtige Mossul-Staudamm in der Hand der Extremisten befinde.
Die Lufthansa und andere internationale Fluggesellschaften sagten alle Flüge nach Erbil ab. Lufthansa und Austrian Airlines würden die nordirakische Stadt aus Sicherheitsgründen zunächst bis zum 11. August nicht mehr anfliegen.
Papst Franziskus schickt mit dem Kardinal und Irak-Kenner Fernando Filoni einen hochrangigen persönlichen Gesandten zu den Christen in der Region, wie der Vatikan mitteilte. In einem flammenden Appell hatte Franziskus die Staatengemeinschaft am Donnerstag zu einem verstärkten Einsatz für die von Gewalt und Vertreibung betroffenen Menschen im Nordirak aufgerufen. (dpa)