Berlin. Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) und weitere Unionspolitiker wollen ein strafrechtliches Verbot der Sterbehilfe - das aber geht SPD-Politikern in der Koalition zu weit. Und die ehemalige grüne Frontfrau Renate Künast will auch gemeinnützige Vereine zulassen, die den Freitod ordanisieren.

Wer darf unheilbar kranken und lebensmüden Menschen künftig beim Freitod helfen? Nur die nahen Angehörigen – oder auch Ärzte oder sogar Suizidhelfer von Vereinen? In der Debatte um die Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland werden jetzt die Stimmen lauter, die den Unions-Vorschlag zu einem strafrechtlichen Verbot der organisierten Sterbehilfe ablehnen. Nicht nur etliche SPD-Politiker haben Zweifel, ob es sinnvoll ist, Ärzten oder gemeinnützigen Vereinen mit dem Strafrecht zu drohen. Viele Grüne wollen Sterbehilfevereine sogar ausdrücklich erlauben.

Aktive Sterbehilfe ist verboten

Im nächsten Jahr will der Bundestag die Sterbehilfe neu regeln: Wie bei anderen ethisch umstrittenen Themen sollen die Abgeordneten ohne Fraktionszwang entscheiden. Im Herbst wollen die einzelnen Parlamentariergruppen ihre Vorschläge konkret machen. Bereits jetzt zeichnen sich drei Varianten ab.

Aktive Sterbehilfe, das Töten auf Verlangen, ist in Deutschland verboten. Beihilfe dagegen nicht. Da der Freitod nicht strafbar ist, ist auch die Beihilfe dazu nicht strafbar. Die Frage ist nun: Muss diese Regelung eingeschränkt werden? Wer soll künftig strafffrei bleiben – nur nahe Verwandte oder weiterhin auch Ärzte oder Mitarbeiter von Vereinen?

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Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und viele andere Unionspolitiker wollen die geschäftsmäßige Sterbehilfe, aber auch jede Form von organisierter Hilfe zur Selbsttötung generell unter Strafe stellen. Der bekennende Protestant befürchtet, dass Sterbehilfe zu einer Dienstleistung werde, die als Alternative neben eine medizinische Behandlung trete. Das Grundgesetz verpflichte zum Schutz des Lebens. Die private Beihilfe zur Selbsttötung dagegen soll wie bisher straffrei bleiben. Das heißt: Nahe Angehörige dürfen weiterhin Sterbewillige bei der Tat unterstützen.

Grüne um Künast wollen organisierte Sterbehilfe erlauben

Im Parlament geht Gröhes Vorstoß vielen zu weit. In der SPD wollen etliche zwar die Kommerzialisierung der Sterbehilfe verhindern, das Lebensende gesetzlich aber nicht überregulieren. Ein strafrechtliches Verbot der organisierten Sterbehilfe sei „unangemessen“, so SPD-Politikerin Kerstin Griese. Viele Grüne gehen in dieselbe Richtung: „Aus meiner Sicht gibt es keinen gesetzlichen Änderungsbedarf“, sagt Grünen-Politikerin Renate Künast, Vorsitzende im Rechtsausschuss des Bundestags gegenüber dieser Zeitung. „Wir brauchen mehr Fürsorge und nicht mehr Strafrecht.“ Ein Großteil der Grünen stehe in diesem Punkt hinter ihr. „Das Strafrecht zu ändern, ist keine Antwort auf schwierigste Lebenssituationen wie Depressionen oder tödliche Erkrankungen.“

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Die Grünen um Künast gehen aber noch weiter: Sie wollen organisierte Sterbehilfe ausdrücklich erlauben. „Gemeinnützige Sterbehilfevereine muss es geben, und sie sollten auch in Deutschland erlaubt sein.“ Sie müssten allerdings an starke Regeln gebunden sein, so Künast. „Vorstellbar wäre, dass nur solche Vereine zugelassen werden, die sich an bestimmte Kriterien und Mindeststandards halten.“ Es dürfe nicht darum gehen, aus der Beihilfe zum Freitod Kapital zu schlagen. Die Abgrenzung zwischen gemeinnützig, gewerblich und profitorientiert sei allerdings sehr schwer. „Wenn es klare Regeln gibt, wird es aber keinen Dammbruch geben.“

Lebenshilfe wird gebraucht

Solche Vereine seien ein wichtiges Angebot: „Die Frage ist doch: Sind Verwandte prinzipiell vertrauenswürdiger als Mitarbeiter von Vereinen? Und was ist mit den Menschen, die privat niemanden haben, den sie um Hilfe bitten können? Sie brauchen solide Beratung, also Lebenshilfe, und im Ernstfall auch Unterstützung beim Freitod durch Vereine.“ Der Verweis auf Palliativmedizin und Hospize dagegen sei „scheinheilig“. Das Angebot sei viel zu klein. Hinzu komme: „Viele lebensmüde Menschen werden davon nicht erreicht, weil ihr Problem ein ganz anderes ist.“