Kaldenkirchen. Die Maut-Plände der Bundesregierung sind ein Thema in Deutschland und in den Niederlanden. Viele Niederländer, die regelmäßig zum Tanken und Einkaufen über die Grenze kommen, finden die deutschen Pläne diskriminierend. Sie wollen genau rechnen, ob sich die Fahrt noch lohnt.

Die Zigaretten sind heute der „Prijshamer“, und damit sind sie nicht allein. Bier ist billiger, Benzin sowieso, Badezusatz auch. Alles „goedkoop“, also günstig für Niederländer, dabei ist hier Deutschland. Kaldenkirchen, keinen Kilometer vor der Grenze, wo Venlo einkaufen geht als gäbe es kein Morgen mehr: „99 Prozent meiner Kunden“, sagt der Tankstellen-Chef an der Steyler Straße, die schon so heißt nach dem ersten Dorf im Nachbarland, „sind Niederländer.“ Noch. Denn die Grenzregion fürchtet die deutschen Mautpläne, hüben wie drüben.

„Heftig“ findet die Erzieherin Tanja die Idee, dass sie, die doch in Deutschland arbeitet, ab 2016 für ihren Arbeitsweg „Wegenbelasting“, Straßensteuer, bezahlen soll. „Und das nur, damit ihr eure Autobahnen bezahlen könnt.“ Diskriminierung sei das, schließlich zahlten die Deutschen doch selbst nichts? Nun hat Tanja keine Wahl, Henri schon: „Lächerlich“ nennt er die Pläne von Verkehrsminister Dobrindt, „dann komme ich eben nicht mehr.“ Was auch Wies bestätigt: „Schrecklich, wenn das wirklich kommt. Aber ich bleibe dann natürlich da.“

Vor allem Benzin, Alkohol, Tabak und Reinigungsmittel sind günstiger

Das ist, was Einzelhändler diesseits der Grenze in der Tat befürchten. Dass die vielen Autos mit den gelben Kennzeichen ausbleiben, die in Orten wie Kaldenkirchen Schlange stehen. An den Tankstellen, wo der Liter Super am Montag satte 14 Cent günstiger war als an der ersten Tankstelle „auf der anderen Seite“. In Cafés und Restaurants, wo Niederländer sich das Essengehen häufiger leisten können, „das fällt weg“, ahnt Gerda. Und auf den Parkplätzen der Supermarktketten, wo die Leute Gemüse kaufen und vor allem Reinigungsmittel, Toilettenpapier, Shampoo. Letztere gibt’s sogar bei der „Benzinestation“ zum Sonderpreis. „Deutschland“, sagt eine Frau beim Beladen ihres Kofferraums, „ist ganz schön dumm.“

Es ist, schreibt die Internetseite „Grensgangers“, als würden mit der Erhebung der Maut „die Grenzen wieder ein Stückchen geschlossen“. Einen „virtuellen Schlagbaum“ nennt auch Ocke Hamann, Geschäftsführer der IHK Niederrhein, Duisburg, Wesel, Kleve, des Verkehrsministers „bürokratisches Monster“. Kollegen weiterer Handelskammern zwischen Aachen und Emden ahnen, es sei für die Beziehungen beider Länder „nicht förderlich“, wenn sich die Niederländer „als Willkommensgruß in Deutschland erst einmal abkassiert“ fühlten.

Tatsächlich finden diese die „tol“, wie sie sagen, „nicht so toll“. Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen warnte vor „negativen Effekten“ der Maut und forderte, die Grenzregion auszunehmen. Die Deutsch-Niederländische Handelskammer fürchtet um dort ansässige mittlere und kleine Betriebe. Unterdessen sammelte der niederländische Automobilclub ANWB bereits 40 000 Unterschriften gegen die Pläne. Antworten dürfen Teilnehmer auch auf die Frage: „Was tun Sie, wenn die Maut kommt?“ Eine Möglichkeit: „Ich werde vermeiden, nach Deutschland zu fahren, wo es nur geht.“

Niederländische Tankstellenpächter könnten auf die Maut hoffen

Dabei gibt es gleich auf der anderen Seite der Grenze durchaus Kräfte, die das Versiegen des Grenzverkehrs nach Osten begrüßen würden. Der Tanktourismus zwischen beiden Ländern ist zwar schon 25 Jahre alt, wurde aber im vergangenen Winter noch verschärft: Zum 1. Januar 2014 hat Den Haag die Verbrauchssteuer auf Tabak und Alkohol ebenso wie die Kraftstoffsteuer deutlich erhöht. Spätestens seitdem klagen nicht nur Tankstellenpächter in den Niederlanden über Umsatzeinbußen; die Folgen seien „desaströs“, zumal deutsche Unternehmer die Preisunterschiede mit freundlichen Einladungen zum Shopping bewarben.

Diese Kunden werden nun einmal mehr rechnen. „Vielleicht“, sagt Gerda, die mit Ehemann Henk mindestens alle zwei Wochen in Kaldenkirchen vorfährt, „ist mein Tankvorteil mit der Straßensteuer weg.“ Vielleicht aber auch nicht, vermutet man an der Tankstelle an der Steyler Straße. „Jetzt wird wieder viel geredet, aber wenn das Ding wirklich kommt, nehmen die Leute das hin, wie so oft.“

Jedenfalls, wenn die neue Vignette die „Prijshamers“ gar nicht schlagen kann.