Berlin. . Für die umstrittene Pkw-Maut muss Verkehrsminister Dobrindt komplexe Vorgaben unter einen Hut bringen. Dafür plant er eine allgemeine Vignettenpflicht. Die soll aber für Inländer kaum spürbar sein. Die Kosten sollen im Schnitt bei 88 Euro liegen. Starttermin ist der 1. Januar 2016.
Nein, Illusionen über die "nicht einfache Aufgabe" habe er sich nicht gemacht, sagt Alexander Dobrindt (CSU) am Montag in Berlin. Nach langer Ungewissheit hat der Bundesverkehrsminister der Autofahrernation nun sein Konzept präsentiert, wie er die umstrittene Pkw-Maut auf deutschen Straßen wahr machen will. Es ist ein Plan mit farbigen Vignetten und Freibeträgen bei der Kfz-Steuer. Geplanter Starttermin: Freitag, der 1. Januar 2016. Kritiker warnen vor einem komplizierten neuen System mit zu viel Bürokratie.
Warum ist das Maut-Modell so schwierig?
In den Koalitionsvertrag mit den skeptischen Partnern SPD und CDU bekam die CSU ihr Wunschprojekt nur mit einer vertrackten Kombination aus zwei Bedingungen. Erstens darf die Maut Fahrer aus dem Ausland gemäß europäischem Recht nicht wegen der Nationalität benachteiligen - zahlen müssen Inländer genauso. Zweitens soll aber garantiert sein, dass "kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird". Nun gebe es ein Konzept, das die Vorgaben erfülle, verkündet Dobrindt.
Wer soll künftig Maut zahlen?
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Der Maut hat der Minister den Beinamen "Infrastrukturabgabe" gegeben. Kassiert werden soll sie durch den Verkauf von Vignetten. Pflicht werden sollen diese Gebührenmarken für alle in- und ausländischen Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen und auch für Motorräder auf dem gesamten deutschen Straßennetz. Nicht berührt davon sind schwere Lastwagen, für die schon Maut auf Autobahnen und großen Bundesstraßen gezahlt wird. Die Lkw-Maut soll ab 2018 auf alle Bundesstraßen ausgedehnt werden, aber vorerst nicht auf Landes- und Kommunalstraßen wie künftig für Pkw.
"Sie müssen sich um nichts kümmern"
Was ändert sich konkret für Inländer?
Einheimische Autobesitzer benötigen künftig eine Jahresvignette am Wagen. Sie soll im Schnitt 88 Euro kosten. Die Jahresvignette hat keinen Einheitspreis, sondern ist nach Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge, Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt – der Preis liegt zwischen 20 und 112 Euro.
"Sie müssen sich um nichts kümmern", verspricht Dobrindt. Die Gebührenmarke aus Papier komme einfach per Post, der Preis werde "automatisiert berechnet und mitgeteilt". Die Kalkulation setzt sich aus der Motorgröße in Kubikzentimetern (ccm), Schadstoffausstoß und Baujahr zusammen - anzeigen sollen dies unterschiedliche Farben der Vignette. Damit keine Mehrbelastung daraus resultiert, wird die Kfz-Steuer um denselben Betrag gesenkt. Für einen VW Polo sind statt 52 Euro Steuer also 28 Euro Steuer und 24 Euro Infrastrukturabgabe fällig. Sind Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit wie Elektroautos oder Wagen von Schwerbehinderten, soll auch die Vignette nichts kosten.
Was kommt auf ausländische Pkw-Fahrer zu?
Fahrer aus Nachbarländern können an Tankstellen Kurzzeit-Vignetten für zehn Tage (10 Euro) oder für zwei Monate (20 Euro) kaufen. Wer so viel fährt, dass eine Jahresvignette lohnt, soll sie per Internet mit genauer Tarifberechnung bestellen können. An Tankstellen soll es für selten angenommene Fälle auch Jahresvignetten für pauschal etwas mehr als 100 Euro geben. Da ausländische Pkw-Fahrer in Deutschland keine Kfz-Steuer zahlen, bekommen sie keinen Ausgleich an anderer Stelle.
Warum soll die Maut auf allen Straßen gelten?
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Mit der Geltung auf allen Straßen bekommt das Projekt eine neue Dimension. Statt um 12 900 Kilometer Autobahn geht es plötzlich um 230 000 Kilometer, darunter Landes- und Kreisstraßen. Dadurch können ausländische Fahrer nicht zum Geldsparen kleinere Straßen abseits der Autobahnen nehmen, wie es manche deutsche Urlauber in Frankreich oder Italien tun. Das Ziel sei, Ausweichverkehr zu vermeiden, erläutert der Minister. Einen politischen Nebeneffekt hat der Schritt auch: Prompt meldeten sich erste Bundesländer und forderten einen Anteil an den Einnahmen - sie könnten so zu Dobrindts Maut-Verbündeten werden.
Was soll die Maut einbringen?
Dobrindt rechnet nach Abzug aller Kosten mit 600 Millionen Euro pro Jahr, die von ausländischen Autofahrern übrig bleiben und für den Straßenbau reserviert werden sollen. Dem Autofahrerclub ADAC schwant aber, dass der Aufwand noch höher werden könnte, da Kontrollen noch nicht einbezogen seien. Allein für den Versand der Jahresvignetten für die 43,9 Millionen in Deutschland zugelassenen Pkw dürfte eine erhebliche Summe zusammenkommen. "Hier wird ein unvergleichliches Bürokratiemonster aufgepumpt", kritisiert Grünen-Verkehrspolitikerin Valerie Wilms. (dpa)