Gaza/Tel Aviv. Erneut rückt Israel mit Kampfpanzern in den Gazastreifen ein, um dort Abschussrampen und Tunnel der radikal-islamischen Hamas anzugreifen. Die Zahl der Toten steigt.
Mit einer neuen Bodenoffensive im Gazastreifen will die israelische Armee die militärische Infrastruktur der radikal-islamischen Hamas zerschlagen. Der Einsatz der Bodentruppen, den Luftwaffe und Marine unterstützten, weckte international Sorgen, dass es in dem dicht besiedelten Küstenstreifen am Mittelmeer noch mehr zivile Opfer geben wird. Die Bodenoffensive begann nach tagelangem Beschuss und einer vereitelten Kommandoaktion militanter Palästinenser, die offenbar einen Anschlag in Israel verüben wollten.
Im Nahen Osten eskaliert die Gewalt seit dem 8. Juli wieder. Bis zum Freitagnachmittag wurden bei israelischen Bombardements im Gazastreifen seither mindestens 271 Menschen getötet und 2050 verletzt. Unter den Opfern sind zahlreiche Frauen und Kinder. Auf israelischer Seite kam ein Soldat bei dem Bodeneinsatz ums Leben. Zuvor war ein israelischer Zivilist durch palästinensischen Beschuss getötet worden.
Mit der Bodenoffensive sollen der Raketenbeschuss israelischer Orte durch Milizen der Hamas unterbunden und die militärische Infrastruktur der radikal-islamischen Organisation geschwächt werden. "Das Ziel ist es, eine Realität zu schaffen, in der israelische Bürger in Sicherheit und ohne willkürlichen Terror zu leben", teilte die Armee mit.
Netanjahu droht mit Ausweitung der Angriffe
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte, den Einsatz in dem Palästinensergebiet noch auszuweiten. "Wir haben die israelischen Streitkräfte angewiesen, sich auf die Möglichkeit einer ernsthaften Ausweitung der Bodenaktivitäten einzustellen", sagte Netanjahu am Freitag.
Israelische Kampfpanzer rückten erstmals seit gut fünf Jahren am Donnerstagabend wieder in den Gazastreifen ein. Rund 70 000 Soldaten wurden für die Offensive mobilisiert. Es ist der vierte Bodeneinsatz seit Juni und November 2006 sowie Januar 2009. Die Einsätze dauerten meist rund eine Woche.
Die Armee will in dem kleinen Palästinensergebiet ein weit verzweigtes Tunnelsystem zerstören. Durch einige der mehreren hundert Tunnel sollen Waffen und Munition aus Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt werden. Durch andere Tunnel haben militante Palästinenser immer wieder versucht, nach Israel einzudringen, um Anschläge zu verüben.
Die palästinensischen Kämpfer suchen in dem Tunnelsystem Schutz vor israelischen Luftangriffen. Die gesamte Führung der Hamas versteckt sich nach israelischen Informationen seit Beginn der Gefechte am 8. Juli in unterirdischen Betonbunkern.
Ein Hamas-Sprecher drohte, der Gazastreifen werde sich in einen Friedhof für israelische Soldaten verwandeln, sollten die Truppen weiter ins Innere des Küstenstreifens vordringen. Vorerst will das Militär offenbar eine Art Pufferzone am Rand des Gazastreifens schaffen, um den Mörserbeschuss israelischer Orte künftig zu verhindern.
Die Türkei fordert eine UN-Sondersitzung
Die Türkei forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Ankara beantrage außerdem Dringlichkeitstreffen des UN-Menschenrechtsrats und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), wie Außenminister Ahmet Davutoglu ankündigte. "Wir verurteilen die von Israel nach den inhumanen Morden durch Luftangriffe begonnene Bodenoperation in Gaza auf das Schärfste."
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wurde am Freitag in Istanbul erwartet. Er wollte dort mit Staatspräsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zusammenkommen.
Nach gewalttätigen Protesten vor israelischen Vertretungen in Ankara und Istanbul zieht Israel einen Teil seiner Diplomaten aus der Türkei ab. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist seit Jahren angespannt.
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UN-Generalsekretär Ban forderte von beiden Seiten den Schutz von Zivilisten. Die Hamas müsse sofort den Beschuss Israels stoppen, sagte Ban am Donnerstag (Ortszeit) in New York. Israel müsse dafür sorgen, dass bei der Offensive keine Zivilisten zu Schaden kämen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Deutschland stehe in dieser Frage an der Seite Israels.
Der Iran verurteilte das Vorgehen seines Erzfeindes Israel dagegen scharf. "Das ist ein neues Kapitel der unmenschlichen Verbrechen des zionistischen Regimes (Israel)", sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham. Die Bodenoffensive grenze an ein Kriegsverbrechen. (dpa)