Tel Aviv/New York. Im Konflikt mit der Hamas hat Israel am Donnerstagabend eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. Die Armee mobilisierte Zehntausende Soldaten. Bereits in der ersten Nacht wurden nach palästinensischen Angaben etwa 20 Palästinenser getötet. Auch ein israelischer Soldat kam ums Leben.

Bei der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben bislang etwa 20 Palästinenser getötet worden. Erstmals seit Beginn der Offensive vor elf Tagen starb laut Angaben der Armee auch ein israelischer Soldat. Die Zahl der Toten stieg nach Angaben der Rettungsbehörden am Freitag auf 258. Ingesamt seien 1980 Menschen bei israelischen Bombardements verletzt worden.

Israel hatte nach zehn Tagen mit Luftangriffen eine Bodenoffensive gestartet, bei der auch Kampfpanzer eingesetzt wurden. "Ich bedaure, dass trotz meines wiederholten Drängens und dem zahlreicher anderer Politiker ein schon gefährlicher Konflikt weiter eskaliert ist. Es kann aber keine militärische Lösung dieses Konfliktes geben", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Ban forderte von beiden Seiten den Schutz von Zivilisten. Die radikalislamische Hamas müsse sofort den Beschuss Israels mit Raketen stoppen, sagte er am Donnerstag (Ortszeit) in New York. Israel wiederum habe dafür zu sorgen, dass bei der Offensive keine Zivilisten zu Schaden kommen. "Die Verschärfung der Krise wird die Lasten für die ohnehin schon leidenden Zivilisten auf beiden Seiten noch erhöhen."

70.000 Soldaten für Offensive mobilisiert

Auch die Regierung in Paris äußerte sich beunruhigt über die Entwicklung. "Frankreich bringt seine tiefe Besorgnis über die israelische Entscheidung zum Ausdruck, eine Bodenoffensive in Gaza zu beginnen. Es ruft Israel auf, größte Zurückhaltung zu üben", hieß es am Donnerstagabend in einer Stellungnahme des Außenministeriums. "Es muss sichergestellt werden, dass die Zivilbevölkerung geschützt wird und dass neue Opfer vermieden werden." Außenminister Laurent Fabius werde am Freitag in die Region reisen, um die Bemühungen für eine Waffenruhe zu unterstützen.

Auch interessant

Der israelische Militärsprecher Arye Shalicar sagte in der Nacht zum Freitag, es werde im Norden, Süden und Osten des Küstengebiets operiert. Palästinensische Medien berichteten von heftigem Artilleriebeschuss von Zielen im Gazastreifen. Die Armee mobilisierte für den Einsatz 18.000 weitere Reservisten - damit stehen knapp 70 000 Soldaten für die Offensive zur Verfügung.

Raketenbeschuss Israels geht weiter

Nach palästinensischen Angaben wurden mehrere Menschen getötet und Dutzende verletzt. Zudem flog Israel massive Bombenangriffe - vor allem gegen Ziele im nördlichen Gazastreifen. Vielerorts fiel der Strom aus. Dennoch ging der Raketenbeschuss Israels in der Nacht zum Freitag weiter.

Nach dem Beginn der Bodenoffensive kam es am Donnerstagabend in mehreren Städten im Westjordanland zu Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Jugendlichen und israelischen Soldaten.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief für Freitagmorgen das Sicherheitskabinett und das Gesamtkabinett ein, um über die Bodenoffensive zu unterrichten. Ziel Netanjahus sei keinesfalls die Eroberung des Gazastreifens und die Vertreibung der Hamas sondern ein Ende des Raketenbeschusses, hieß es in israelischen Angaben.

Israelische Soldaten zerstörten das Haus des Islamischen-Dschihad-Führers Abdullah al-Schami in Gaza-Stadt, berichteten israelische Medien am Freitagmorgen.

Netanjahu gab den Befehl für die Bodenoffensive in Gaza

Die Bodenoffensive solle ein begrenzter Einsatz sein, betonte der Armeesprecher. Ziel sei die Infrastruktur der Hamas. In den vergangenen zehn Tagen habe die Hamas jedes Mal, wenn Israel deeskalieren wollte, diese Zeit genutzt, um Raketen zu abschießen, sagte der Sprecher. "Wir wollen so schnell wie möglich Sicherheit und Stabilität für die Bürger Israels wiederherstellen."

Mit der Entsendung von Bodentruppen habe eine "neue Phase" in der vor zehn Tagen gestarteten Operationen gegen militante Palästinenser in der Mittelmeerenklave begonnen. Der Hamas-Infrastruktur solle ein "empfindlicher Schlag verpasst" werden, sagte Armeesprecher Peter Lerner. Die Hamas bezeichnete die israelische Bodenoffensive als "gefährlichen Schritt", den Israel "teuer bezahlen" werde. Die palästinensischen Widerstandskomitees kündigten an, man werde Gaza in einem Friedhof für israelische Soldaten verwandeln.

Der Befehl kam von Netanjahu. "Der Premierminister und der Verteidigungsminister haben die Streitkräfte angewiesen, heute Nacht eine Bodenoffensive zu beginnen, um die Terrortunnel zu treffen, die vom Gazastreifen in israelisches Gebiet reichen", heißt es in einer Mitteilung aus dem Büro des Premiers.

Hilfslieferungen während fünfstündiger Waffenpause

Schon kurz zuvor hatte Israel die Angriffe auf den palästinensischen Gazastreifen massiv verstärkt. Artillerie, Kampfhubschrauber und Kriegsschiffe feuerten auf Ziele in den Ortschaften Beit Hanun und Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen, berichtete die Webseite "ynetnews". Augenzeugen berichteten, dass der Himmel über dem Gebiet immer wieder von Leuchtmunition erhellt wurde.

Auch interessant

Die neue Eskalation erfolgte am Ende eines Tages, an dem es zunächst Signale der Entspannung gegeben hatte. Beide Seiten hielten eine fünfstündige humanitäre Waffenpause ein, die von UN-Organisationen vorgeschlagen worden war und dazu diente, den notleidenden Gazastreifen mit Hilfslieferungen zu versorgen.

Indirekte Gesprächsrunde ohne Einigung

In der Nacht zuvor war in Kairo eine erste indirekte Gesprächsrunde zwischen israelischen Regierungsvertretern und Hamas-Unterhändlern zu Ende gegangen. Doch nach Verstreichen der Waffenpause am Nachmittag feuerte die Hamas nach Zählung des israelischen Militärs mehr als 100 Raketen auf Israel ab.

Auslöser der jüngsten Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur. (dpa)