Washington. Seit zehn Tagen schweigt das Weiße Haus zu den Spionagevorwürfen. Wie lange noch? Spätestens zu Merkels 60. Geburtstag dürfte Obama etwas dazu sagen müssen. US-Medien und -Politiker sind sich nicht einig, wie die deutsche Haltung zu bewerten ist. Manche verstehen Berlins Ärger, andere halten ihn für übertreiben.
Vielleicht brechen König Fußball und ein runder Geburtstag ja die Schweigespirale. Nach Ansicht von US-Medien wird Barack Obama „kaum anders können“, als die Kanzlerin heute mit einem präsidialen Kommentar zum WM-Finale zu behelligen. Am Donnerstag, wenn Angela Merkel 60 wird, sei ein Anruf ebenso Pflicht. In beiden Fällen wird erwartet, dass Obama den Spionageskandal, der die deutsch-amerikanische Entfremdung zurzeit in nie geahntem Tempo beschleunigt, zur Sprache bringen wird.
Nur wie? Seit zehn Tagen schweigt das Weiße Haus zu den Spitzelvorwürfen. Oder grummelt über die forsche Art, in der Berlin amerikanisches Beschatter-Handwerk öffentlich bloßstellt statt diskrete Kanäle zu nutzen. Der Widerstand gegen diese Haltung wächst.
Misstrauen wegen deutscher Verbindungen zu Russland und Iran
Erst waren es vereinzelte Kongressabgeordnete, die in der behaupteten Rekrutierung eines BND-Mannes durch CIA-Agenten einen „groben Fehler“ erkannten. Jetzt monieren auch namhafte Zeitungen den Verstoß gegen die außenpolitische Maxime, die Obama seinen Leuten aufgegeben hat: „Macht kein dummes Zeug!“ Die „Washington Post“ wirft Obama vor, im Verhältnis zu Deutschland einen „unnötigen Schaden“ angerichtet zu haben. Verbunden damit ist die Aufforderung zur „zügigen und entschlossenen Schadensregulierung“.
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Ganz anders das konservative „Wall Street Journal“: „Deutschland erfreut sich engerer wirtschaftlicher und politischer Verbindungen mit Russland und dem Iran als die meisten anderen westlichen Staaten. Amerika muss diese Verbindungen verstehen. Dazu braucht man geheimdienstliche Aufklärung. Amerika würde unverantwortlich handeln, wenn es deutsche Offizielle nicht belauschen würde“, heißt es da.
Der Groll über die pikierten Deutschen, der durchschimmert, wird von einigen Republikanern offen ausgesprochen. Mike Rogers, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, vergleicht Berlins Strafaktion gegen den CIA-Statthalter in der US-Botschaft mit einem „Wutanfall“. So was kenne man von Russland, Iran und Nordkorea. Aber nicht von Deutschland.